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Der nächste Minsky-Moment

27.06.2017  |  John Mauldin
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Beobachter wie ich weisen schon seit Jahren darauf hin, dass das Bankensystem Chinas überschuldet ist und eines Tages zusammenbrechen wird. Bislang lagen wir damit falsch. Die zentralen Planer in Peking mögen vielleicht Kommunisten sein, aber sie sie bedienen sich der Werkzeuge des Kapitalismus, wann immer es ihnen nützlich erscheint.

Letzten Endes steht aber auch China der Tag der Abrechnung bevor. Wenn es soweit ist, werden die Folgen weit über die Landesgrenzen des Reichs der Mitte hinaus spürbar sein. Was wird Ihrer Meinung nach geschehen, wenn das chinesische Kapital aufhört, Immobilien in Vancouver und US-Aktien zu kaufen? Das Ergebnis wird definitiv alles andere als bullisch sein.


Die Schweizerische Nationalbank tut was?

Mit der Schweizer Regierung kann man durchaus Mitleid empfinden. Sie hat das Land gut verwaltet und kaum Schulden angesammelt. Die Schweiz ist ein kleines Land mit nur 8 Millionen Einwohnern, aber sie hat einen überproportionalen Einfluss auf die Wirtschaft, das Finanzsystem und die Währungen.

Weil die Schweiz als sicherer Hafen und ordentlich geführtes Land gilt, möchten viele Menschen gern einen großen Teil ihrer finanziellen Vermögenswerte in Schweizer Franken besitzen. Dadurch wird die Währung für die Unternehmen und Bürger des Landes unerträglich stark. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) muss folglich große Mengen Geld drucken und auf unkonventionelle Methoden zurückgreifen, um zu verhindern, dass der Wert der Landeswährung zu stark steigt. Der Overnight-Repo-Satz liegt bei -0,75%. Ganz genau - sie berechnen Ihnen ein bisschen weniger als 1% im Jahr für das Privileg, Ihr Geld auf einem Schweizer Bankkonto zu parken.

Die SNB kauft zudem enorme Mengen an Dollars und Euros, die sie mit hunderten Milliarden frisch geschöpften Schweizer Franken bezahlt. Die Notenbank der Eidgenossenschaft hält mittlerweile (Stand Juni 2017) US-Aktien im Wert von rund 80 Milliarden Dollar und europäische Aktien im Wert von schätzungsweise 20 Milliarden Dollar (die Schätzung stammt von meinem Freund Grant Williams).

Allein in diesem Jahr hat die SNB US-Aktien für etwa 17 Milliarden Dollar gekauft. Dahinter steckt kein System, nur der Versuch, den Wert der eigenen Währung zu managen. Denken Sie einmal kurz darüber nach: Die Schweizerische Nationalbank hat für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der Schweiz rund 10.000 Dollar in US-Aktien angelegt. Ganz zu schweigen davon, dass niemand wirklich weiß, welche Summen noch in andere Assets investiert sind. All das dient den Bemühungen, den Wertanstieg einer Währung zu deckeln, die noch immer zu den teuersten der Welt zählt. Die Preise verschlagen mit jedes Mal den Atem, wenn ich in der Schweiz bin.

Das Land ist mittlerweile der achtgrößte staatliche Besitzer von US-Aktien und es muss zu den größten Aktionären von Apple zählen (siehe Chart unten). Was wird geschehen, wenn es zu einem Bärenmarkt kommt? Wer wird dann die Verluste tragen? Wird man einfach noch mehr Geld drucken, um die Differenz in der Bilanz auszugleichen? Sollte uns die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank überhaupt interessieren?

Und noch wichtiger, interessieren sich die Schweizer Notenbanker selbst dafür? Wir erinnern uns schließlich alle an EZB-Chef Mario Draghis berühmte Worte "whatever it takes", mit denen er versprach alles zu tun, was zur Verteidigung des Euros nötig sei. Kurz darauf konnten wir hören, dass die Schweizer in den gleichen Chor mit einstimmten.

Die Zentralbanken und Regierungen fluten die Märkte weltweit mit Liquidität und das zeigt sich an allen Finanzmärkten, von den Aktien über die Immobilien bis hin zu den Anleihen. Es entsteht ein unstillbares Verlangen nach Assets, die günstig zu sein scheinen, in Wirklichkeit jedoch überbewertet sind. Die Folge dessen wir ein neuer Minsky-Moment sein.

Erinnern Sie sich nun an die Thesen des Ökonomen. Wenn eine Wirtschaft das Stadium der Ponzi-Finanzierung erreicht hat, wird sie gegenüber den Assetpreisen extrem sensibel und anfällig. Jede Abwärtsbewegung und selbst jede längere Seitwärtsentwicklung kann eine Krise auslösen.

Wir haben hier in den USA zwar jede Menge hausgemachter Probleme, die als Auslöser in Frage kommen, doch ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass der nächste Minsky-Moment von China oder Europa ausgehen wird. Alle Voraussetzungen sind erfüllt: Die Exzesse sind in vollen Gange, die Übertragungskanäle eingerichtet. Das Schwierigste daran ist es natürlich, den Zeitpunkt vorherzusagen. Die glückliche Benommenheit an den Märkten kann noch viel länger anhalten, als das irgendjemand von uns erwarten würde.

Andererseits kann aber auch ein scheinbar unbedeutendes Ereignis in Europa oder China - beispielsweise die Ermordung eines österreichischen Erzherzogs - dazu führen, dass die ganze Welt aus den Fugen gerät.

Es ist schon eine merkwürdige Welt, in der wir leben. Wir neigen dazu, gedankenlos mit der Masse mitzulaufen und es gibt Zeiten, in denen 20 Menschen in völlig verschiedenen Ecken der Erde die gleiche Erfindung machen. Wir haben unsere Zentralbanken und Regierungen, die ebenfalls ein unverwechselbares Herdenverhalten an den Tag legen und die gleichen dummen Fehler wieder und wieder begehen. Dabei haben sie gar nicht die Absicht, die daraus folgende Krise auszulösen.

Vergessen Sie daher nie die dritte Regel des Investierens: Es gibt keine neuen Zeitalter. Die Welt verändert sich, aber die Gefahren bleiben bestehen. Am Ende siegt immer die Schwerkraft. Dieses Mal wird keine Ausnahme darstellen. Und wenn es soweit ist, werden wir den Beginn einer Umwälzung erleben, die schließlich zum Großen Neustart führt.


© John Mauldin
www.mauldineconomics.com


Der Artikel wurde am 17. Juni 2017 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und in Auszügen exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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