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Die Rückabwicklung des Fed-Experiments - Eine kurze Erklärung

02.10.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die US-Notenbank (Fed) wird ihr wichtigstes Instrument - das "Sicherheitsnetz", das sie unter den Finanzmärkten aufgespannt hat - wohl nicht einziehen. Damit bleibt eine Normalisierung der Geldpolitik bis auf Weiteres ein Trugschluss.

Ab Oktober 2017 beginnt die US-Zentralbank (Fed), die Wertpapiere in ihrer Bilanz, die sie im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise gekauft hat, zu reduzieren; das ist der "Fed-Plan". Dazu wird die Zentralbank die Zins- und Tilgungszahlungen, die sie von den Schuldnern der Wertpapiere erhält, nicht mehr reinvestieren - und die Folge ist ein Schrumpfen der Fed-Bilanz in den kommenden Jahren.

Bislang haben die Finanzmärkte auf die bevorstehende Rückführung der Wertpapierkäufe recht entspannt reagiert: Die US-amerikanischen Langfristzinsen befinden sich nach wie vor auf einem relativ niedrigen Niveau. Sie spiegeln damit weder die Erwartung eines sich bald "normalisierenden" Zinsumfeldes wieder, noch signalisieren sie die Sorge vor wiederkehrenden Problemen, die die Rückabwicklung des Fed-Experimentes verursachen könnte.

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Abbildung links: Quelle: Thomson Financial
Abbildung Mitte: Quelle: Thomson Financial. (1) Steigt (fällt)ndie Linie, so steigt (fällt) der Stress in den Finanzmärkten
Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen


Konsequenzen

Die aktuelle Sorglosigkeit der Finanzmarktakteure ist zunächst einmal erstaunlich. Zwar ist der Rückbau der Fed-Bilanz rein technisch gesehen eine recht einfache Sache. Er hat jedoch eine Reihe von bedeutsamen Konsequenzen. Zu denken wäre dabei zum Beispiel an das Folgende: (1) Zinsauftrieb, (2) konjunkturelle Bremswirkung, (3) Verschlechterung der Kreditqualität und (4) steigende Krisenanfälligkeit des Finanzsystems.

Zu Punkt (1): Fährt die Fed ihre Nachfrage nach Wertpapieren zurück (indem sie fällige Anleihen nicht mehr durch Käufe neuer Anleihen ersetzt), fallen die Wertpapierkurse und entsprechend steigen die Renditen (und zwar im Vergleich zu einer Situation, in der die Fed ihre Wertpapiernachfrage beibehält).

Zu Punkt (2): Steigen die Kapitalmarktzinsen (weil die rückläufige Wertpapiernachfrage der Fed nicht nur durch andere Investoren aufgefangen wird), wird die US-Konjunktur abgebremst - und das wiederum dürfte auch andere Volkswirtschaften der Welt belasten. Steigende Zinsen verringern den Konsum auf Pump und entmutigen das Ingangsetzen von neuen Investitionsprojekten.

Zu Punkt (3): Wenn die Kreditkosten steigen und die Konjunkturkräfte sich abschwächen, verschlechtert sich die Kreditqualität. Es wird schwieriger für Kreditnehmer, ihren Schuldendienst zu leisten. Das Risiko von Kreditausfällen steigt, und damit nehmen die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftsgeschehen zu.

Zu Punkt (4): Gerät die Wirtschaft aufgrund von steigenden Zinsen in Probleme, wird auch der Banken- und Finanzsektor in Mitleidenschaft gezogen - und kann dadurch die Probleme in der Realwirtschaft noch zu-sätzlich verstärken.

Kurzum: Wenn der Fed-Plan zu steigenden Zinsen führen sollte, könnte das Konjunkturgebäude, das in Zeiten niedriger Zinsen aufgebaut wurde, einstürzen. Und das würde nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika treffen, sondern es würde vermutlich auch negative Rückwirkungen auf die gesamte Weltkonjunktur haben.

Die entscheidende Frage ist daher: Bedeutet der Fed-Plan wirklich den Ausstieg aus der Politik der extrem niedrigen Zinsen? Ist mit einer Rückkehr zu "normalen Zinsen" zu rechnen - mit den oben skizzierten Nega-tiveffekten? Vermutlich nicht. Das zeigt sich, wenn man den geplanten Rückbau der Fed-Bilanz genauer betrachtet.


Liquiditätsentzug

Der Abbau der Wertpapierbestände wird nur sehr langsam vonstattengehen. Die Deckelung für das Reinvestieren der fälligen Anleihebeträge ist zunächst sehr niedrig, steigt nur nach und nach an und erreicht im Oktober 2018 einen Höchstwert von 50 Mrd. US-Dollar pro Monat. Dadurch wird die Fed-Bilanz von derzeit 4,5 Billionen US-Dollar bis Ende 2020 auf etwa 2,8 Billionen US-Dollar abgeschmolzen. Der unmittelbare Zinsaufwärtsdruck ist damit als recht gering einzustufen.

Allerdings verringert die Fed durch den Abbau ihres Wertpapierbestandes die US-Geldmengen: die Basisgeldmenge und die Geschäftsbankengeldmenge (siehe hierzu die nachstehende Box). Schrumpft die Geldmenge, übt das einen Abwärtsdruck auf die Güterpreise aus - und kann die Konjunktur, die durch einen fortwährenden Zufluss von neuer Liquidität angetrieben wird, ins Wanken bringen oder gar zusammenbrechen lassen.

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Wenn die Schuldner ihren Schuldendienst an die Fed leisten, schrumpfen sowohl die Basisgeldmenge als auch die Geschäftsbankengeldmenge (M1 bzw. M2). Würde beispielsweise der Staat 100 Geldeinheiten seiner Schuld in Höhe von, sagen wir, 500 zurückzahlen, und hält die Fed seine Anleihe, so schrumpfen Basisgeldmenge und die Geschäftsbankengeldmenge in Höhe von 100.

Derzeit beträgt die Geldmenge M1 3,6 Billionen US-Dollar, die Geldmenge M2 13,7 Billionen US-Dollar. Bei einem geplanten Abbau der Fed-Bilanz in Höhe von 1,7 Billionen US-Dollar von Oktober 2017 bis Ende 2020 ist der Liquiditätsabzug beträchtlich (siehe hierzu Abb. 4). Doch durch den "Beistand", den die Fed dem Banken- und Finanzsystem gibt, wird der Fed-Plan vermutlich letztlich ohne große Probleme oder Verwerfungen abgewickelt werden können.



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