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Draghis Dilemma, spannende Cyberaktien und Klartext zum Gold

29.10.2017  |  Manfred Gburek
Die fadenscheinigste Begründung für den Goldpreisrückgang am vergangenen Donnerstag liest sich so: EZB-Chef Mario Draghi wolle sein Anleihen-Kaufprogramm im Zweifel auch über das nächste Jahr hinaus aufrechterhalten. Das schwäche den Euro im Verhältnis zum Dollar und spreche gegen das zinslose Gold. An sich ist so ein Unsinn kaum erwähnenswert, stünde dahinter nicht das Interesse der Bankenwelt, das Edelmetall als Gegenpol zur weltweiten Verschuldung schlecht aussehen zu lassen.

Insofern kann nicht oft genug betont werden, dass die massiv auf Schulden beruhende Weltwirtschaft einschließlich ihrer Begleitung durch nicht mehr kontrollierbare Staatsschulden diesen Gegenpol am liebsten abschaffen möchte. Doch weil das nicht möglich ist, werden einfach unhaltbare Thesen in die Welt gesetzt, die ein Teil der Medien sogar weiter verbreitet. Konsequenterweise drehte der Goldpreis am Freitag im amerikanischen Nachmittagshandel wieder nach oben.

Was in den offiziellen Verlautbarungen und auch in den Kommentaren der meisten Medien fehlt: Draghi spürt vonseiten anderer EZB-Ratsmitglieder zunehmend Gegenwind. Dass Jens Weidmann fast schon traditionell dazugehört, ist ein offenes Geheimnis. Neu ist indes, dass auch andere aus diesem Führungsgremium allmählich - oft nur hinter vorgehaltener Hand - auf die Weidmann-Linie umschwenken.

Ihre Befürchtung: Falls es zu einem negativen Schock wie 2008 komme, habe die EZB weder bei den Zinsen noch bei den Anleihekäufen etwas hinzuzusetzen. Denn die Zinsen seien im Euroraum nahe Null oder je nach Land sogar negativ, und es gebe nicht mehr genug Anleihen, die den Ansprüchen der EZB an die Bonität gerecht würden.

Je länger die sehr expansive Geldpolitik anhält, desto mehr macht sich - besonders in Ländern wie Italien, zunehmend aber auch in Frankreich - der Schlendrian breit. Das heißt, die Haushalte der beiden und auch der meisten anderen Euroländer werden nicht von Schulden entlastet, sondern sie werden mit weiteren Schulden belastet. Und Unternehmen wie auch Verbraucher nutzen die niedrigen Zinsen, um sich immer weiter zu verschulden. Das alles führt zu Gewöhnungseffekten, die sich eines Tages rächen werden, und zwar dann, wenn ein unerwartetes Ereignis eintritt, sei es auf der politischen Bühne, sei es im Finanzsektor, zum Beispiel bei den mittlerweile zu hoch bewerteten Aktien.

Von den meisten Anlegern bereits vergessen: Im September fiel der Kurs der Equifax-Aktie (das Unternehmen ist die führende Auskunftei der USA) in Sekundenschnelle um 30 Prozent, nachdem die Software von Cyberkriminellen gehackt worden war (Cyberspace bedeutet: virtueller Raum). Dieses Ereignis reichte zwar nicht aus, um die ganze amerikanische Börse ins Chaos zu stürzen. Aber sie war eine Mahnung an alle, die behaupten, dank ihrer Software könne nichts Vergleichbares geschehen.

Wenn sie sich da nicht irren. Am vergangenen Freitag war ich Gast bei einer illustren Runde von Spezialisten, die sich hauptberuflich mit der Cyberkriminalität beschäftigen. Ihre Aussagen waren zum Teil besorgniserregend. So haben sich die Cyberangriffe in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

Das Problem ist offenbar noch nicht in alle Chefetagen der Unternehmen und der Politik vorgedrungen. Cyberspezialisten werden händeringend gesucht, aber nur selten gefunden. Das Wissen um die richtige Abwehr der Angriffe konzentriert sich auf die folgenden Länder: USA, Russland, China, Israel und Großbritannien. Deutschland, heißt es, werde bis auf Weiteres nicht dazugehören, wahrscheinlich noch über viele Jahre hinaus.

Am 25. Mai 2018 wird die EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten. Sie enthält viele Sanktionen, die den meisten Managern offenbar noch gar nicht bewusst sind, und sieht im Fall der Nichteinhaltung von Regeln harte Strafen vor. Betroffen sind alle Unternehmen, die Daten von EU-Bürgern nutzen, und zwar unabhängig vom Sitz eines Unternehmens.

Wer sich über Details zum Thema Cybersicherheit und -kriminalität weiter informieren will, sei auf dieses gerade in deutscher Sprache erschienene lesenswerte Buch hingewiesen: "Wegweiser in die digitale Zukunft - praxisrelevantes Wissen zur Cybersicherheit für Führungskräfte". (Verlag planet c GmbH, Kasernenstr. 69, 40213 Düsseldorf, www.planetc.co, info@planetc.co)

In letzter Zeit beschäftigen sich auch immer mehr Fondsmanager mit der Cybersicherheit. Dabei suchen sie verzweifelt nach entsprechenden Aktien. Ihre Ausbeute ist recht mager. Außer auf Aktien der großen Softwarekonzerne sind sie überwiegend auf die folgenden gestoßen: Infineon, Secunet, Palo Alto Networks, Sophos Group, Symantec, F-Secure, Barracuda Networks und Verisign.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass diese Aktien ausnahmslos hoch bewertet sind; das liegt nicht zuletzt an den bisherigen Cyberangriffen, in deren Gefolge die Kurse gestiegen sind. Dennoch dürfte es sich eines Tages auszahlen, wenn man schon jetzt damit beginnt, wenigstens die Kurse dieser Aktien zu verfolgen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wann der richtige Zeitpunkt zum Einstieg gekommen ist. Erleichtert wird dies dadurch, dass die führenden Direktbanken Charts und andere Angaben im Internet allen Anlegern kostenlos zur Verfügung stellen.

Das ständige Verfolgen von Aktienkursen, so zeitaufwendig es auch sein mag, dient unter anderem dem Schutz vor bösen Überraschungen. Denn es fördert die Sensibilität im Hinblick auf entscheidende Kursbewegungen. Nehmen wir nur die aktuelle Entwicklung. Sie ist in Europa wie in den USA geprägt von einem Aufwärtstrend, der scheinbar immer weiter zu gehen verspricht. Dabei ist er in Europa von viel guter Konjunktur und etwas Kursübertreibung geprägt, in den USA umgekehrt von etwas Konjunktur und viel Kursübertreibung.

Gold hat in diesem Szenario scheinbar nichts zu suchen, so die gängige Meinung vieler Fondsmanager, die es einfach ignorieren - unter anderem, weil sie den Edelmetall-Hype von 2001 bis 2011 noch nicht mitgemacht haben. Spannende Frage: Wann wird diese Ignoranz in mehr Bewusstsein für Gold (und Silber) umschlagen und zu einem nachhaltigen Preisauftrieb beider Edelmetalle führen? Eine präzise Antwort ist natürlich nicht möglich. Doch zumindest beim Gold kann man sich darauf verlassen, dass es immer wieder nach oben dreht, sobald eine gewisse Preisschwelle nach unten erreicht ist. Wie zuletzt im ersten Halbjahr 2016, Wiederholung jederzeit möglich.

Wenn nicht alles täuscht, wird der nächste Aufschwung der Edelmetallpreise dieses Mal wie damals wieder mit einer Unterbrechung oder sogar mit einem größeren Einbruch der Aktienkurse einher gehen. Insofern lohnt sich auch das ständige Verfolgen der beiden Trends, weil es ein gutes Gefühl dafür vermittelt, wann die gegenläufigen Trends umkehren.

Dazu noch ein Tipp: Ignorieren Sie grundsätzlich alle täglich veröffentlichten Medienkommentare zum Dax und zu sonstigen Aktienindizes, denn die Inhalte der meisten Kommentare sind fast immer haarsträubend: Man sucht nach Begründungen, glaubt, sie gefunden zu haben, und veröffentlicht am nächsten Tag das Gegenteil. Versuchen Sie lieber selbst, die wahren Ursachen aufzuspüren.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Die McDonaldisierung der Finanzprodukte



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