Interview mit Axel Merk: Portfolio-Stresstest im Kontext der Volatilität
20.02.2018 | Mike Gleason
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Axel Merk: Ein paar Anmerkungen dazu. Erstens gibt es verschiedene Arten zu beschreiben. Ich habe gerade eine markttechnische Erklärung gegeben mit Blick auf diejenigen, die gegen Volatilität gewettet hatten. Es stimmt aber, dass die Volatilität in der Vergangenheit eingedämmt wurde. Der Grund dafür, die Haupttriebkraft war aus meiner Sicht, sind QE und niedrige Leitzinsen. Jetzt nimmt die Fed Abstand von diesen steigenden Risikoprämien. Zudem ist seit dem Erscheinen des Non-Farm-Payroll-Berichts am 2. Feburar die Inflation zu einer ganz realen Sache geworden. Der Lohndruck steigt damit. Ein weiterer Grund, warum die Volatilität steigen müsste. Diese Extremspekulanten, die gegen Volatilität gewettet hatten, sind jetzt aus dem Weg geräumt wurden. Übrigens denke ich aber nicht, dass wir schon das letzte Kapitel dieser Auflösungsdynamik gesehen haben. Das bedeutet aber auch, dass Volatilitätsstände im VIX von dauerhaft unter 10 jetzt wohl der Vergangenheit angehören. Ja, unter diesen Gesichtspunkten sind die unruhigen Zeiten angebrochen.
Zu Ihrer anderen Frage, ob die Fed bei den Zinssätzen pausieren wird. Die Fed wird offiziell sagen, man werde nicht auf sinkende Aktienmärkte reagieren, sondern auf eine Verschlechterung der finanziellen Bedingungen. Ich hatte gerade den Bloomberg Financial Conditions Index auf Twitter geteilt - und der zeigte eben am Montag einen deutlichen Einbruch. Gut, der Bloomberg Financial Conditions Index unterscheidet sich etwas von den anderen, weil hier die Volatilität an sich sehr schwer gewichtet wird - und das schlägt sich dann natürlich auch nieder.
Ich denke nicht, dass die Fed zu diesem Zeitpunkt aussetzen wird, wofür es verschiedene Gründe gibt. Ein Grund zeigt sich durch einfache Marktbetrachtung. Schaut man sich an, was schon eingepreist wurde - dahingehend, wie die Teilnehmer das weitere Vorgehen der Fed einschätzen - so hat sich da nicht viel bewegt. Wichtig ist auch, dass die Inflationserwartungen nicht eingebrochen sind. Die Inflationserwartungen sind also real und das veranlasst die Fed sozusagen zu einem langsameren Vorgehen.
Am allerwichtigsten ist schließlich der Umstand, dass wir in der Fed einen neuen Chef haben. Dort sitzt jetzt Mr. Powell, und ich glaube, wir haben schon ein bisschen über Powell gesprochen. Powell ist ein Banken-Regulierer.
Als man ihm eine Frage zur Geldpolitik stellen, kam er ins Stottern und musste eigentlich nachschauen, was er sagen sollte. Dort liegt wirklich nicht sein Interesse. Ich stelle seinen Intellekt nicht in Frage, auch nicht seine Integrität - dennoch denke ich, dass er in solchen Dingen sein Ausschuss fragen wird.
Seine Entscheidungen werden eine Weile brauchen. Er wird nicht jemand sein, der sofort mit dem Feuerwehrschlauch zur Stelle ist, wenn der Markt entgleist. Er wird sich seine Zeit nehmen und dann sagen: “Oh, wir haben etwas Inflation; ich werde also für die weiteren Schritte im Bernanke-Handbuch auf Seite 576 nachschlagen. Aha, genau hier, ja, wir werden wohl diesen und jenen Indikator im Auge behalten müssen.“ Heißt also, dass er sehr langsam sein wird. Ich sage es schon eine ganze Zeit und glaube auch nach wie vor, dass den Märkten erst viel Schaden entstehen muss, bevor die Fed eine Kehrtwende hinlegen wird.
Mike Gleason: Stimmt, wir hatten im letzten Interview über potentielle Kandidaten für eine Nominierung durch Trump gesprochen, um Janet Yellen als Fed-Chefin zu ersetzen. Warsh kam nicht und Taylor auch nicht. Dafür kam Jerome Powell, der aber eine ganz ähnliche Wahl zu sein scheint.
Da wir jetzt die Zusammensetzung der zukünftigen Fed kennen, wollen Sie diese vielleicht kommentieren? Vielleicht können Sie auch ausführen, wie Sie Ihre Anlage-Strategie unter diesen neuen Bedingungen umsetzen - unter Trump mit Powell als Schlüsselfigur für die mittelfristige Geldpolitik, die wir von den Überbossen in der Zentralplanung verordnet bekommen werden.
Axel Merk: Natürlich mit der Einschränkung, dass ich keine spezifischen Anlageempfehlungen für die Allgemeinheit geben darf, kann ich kurz abstecken, wo wir insgesamt stehen.
Wir hatten eine jahrelange Hausse, alles lief super, wenn man am Aktienmarkt investierte. Ich behaupte mal, dass viele Investoren ihre Portfolios nicht angepasst haben, sprich ein paar Chips vom Tisch genommen haben, als es gut lief und diese in etwas “Sicheres" gesteckt haben. Und gesetzt den Fall, dass sie in irgendetwas Sicheres umgeschichtet haben, so ergeben sich dennoch zwei Probleme daraus.
Erstens: Wurde nur auf Rendite geachtet, was wiederum heißt, dass sie nicht wirklich in etwas Sicheres investiert haben. Die Korrelation mit Aktien bleibt dabei bestehen. Und zweitens, wie ich schon erwähnt hatte, gibt es diesen Waschmaschineneffekt.
Die Korrelationen sind am Zusammenbrechen, und das heißt, dass man nicht mehr diese Art von Diversifizierung hinbekommt, die man glaubte zu haben. Da die Volatilität für längere Zeit höher bleiben wird - und ich habe verschiedene Argumente genannt, warum das der Fall sein wird - werden die Menschen Folgendes begreifen: "Oh Gott, ich bin zu stark in Risikoanlagen investiert. Zu viel in Aktien; mein Alternativmarkt läuft nicht so gut, wie er sollte."
Somit werden die Leute mehr Geld abziehen, um ihre Portfolios neu zu gewichten, und das mit Nachdruck. Nicht nur Privatinvestoren. Institutionen, die ihre rigorosen Anlageprogramme haben, werden feststellen, dass diese nicht mehr funktionieren - also die traditionelle 60/40-Allokation, 60% Aktien und 40% Anleihen; es könnte auch etwas komplexer sein. Doch ganz gleich wie, diese Modelle brechen jetzt zusammen. Also wird viel Unsicherheit und Handlungsdruck entstehen.
Meiner Ansicht nach sollten Anleger ihre Portfolios einem Stresstest unterziehen. Sie sollten sich ansehen, was am 5. Februar im eigenen Portfolio passierte. Klar, sowas wird nicht jeden Tag passieren. Dennoch sollte man sich die Frage stellen, ob es irgendetwas gab, das an diesem Tag im eigenen Portfolio stieg. Auf sowas sollte man vielleicht achten, darauf, ob man vielleicht öfter fragen müsste “Was kann ich denn sonst noch machen?”. Klar, in diesem Umfeld fällt Diversifizierung nicht leicht.