Interview mit Axel Merk: Portfolio-Stresstest im Kontext der Volatilität
20.02.2018 | Mike Gleason
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Sehen Sie, einer der Gründe, warum der eben genannte Short-Trade so profitabel war, ist die Tatsache, dass jeder, der den vorherrschenden Marktdynamiken skeptisch gegenüberstand, sein letztes Hemd verlor, wenn er auf irgendetwas anderes setzte. Wieder mal technisch gesprochen: Wenn man irgendwo investiert sein möchte und dort sein Geld sammelt - also “long carry“ ist, dann muss man an anderer Stelle auch eine Art Risikoanlage haben - so zum Beispiel durch den Verkauf von Volatilität. Wer Gold kauft, muss tatsächlich jedes Jahr Geld hinlegen, um das Gold halten zu können, also hat man hier einen negativen Carry. Man wird nicht belohnt, außer vielleicht mit einer potentiellen Kurssteigerung.
All diese konservativen Ideen kosten einem also Geld. Und da gibt es viele Sachen; der Goldkauf ist nur ein einfacher Weg, nicht immer der beste, aber einer der einfacheren. Aber alles darüber hinaus würde dann schon Long- und Short-Geschäfte nötig machen. Zur Absicherung von Aktienpositionen … wir zum Beispiel sind auch bei Währungen long und short.
Das sind aber komplexe Dinge, die die meisten Menschen nicht verstehen und auf die sie sich, ganz offen gesagt, auch gar nicht erst einlassen wollen. Als Alternative bliebe dann noch Cash, doch gerade als professioneller Investor werden ihnen einige Kunden davonrennen; als Privatinvestor könnte es die richtige Wahl sein, allerdings ist das Halten von Cash-Beständen hart. Und in diesem Prozess könnten viele Menschen - im einen kommenden Zeitraum, vielleicht über Jahre hinweg - große Mengen Geld an den Märkten verlieren.
Mike Gleason: Reden wir an dieser Stelle doch etwas mehr über die Edelmetalle. In den letzten Wochen haben sich Gold und Silber entgegengesetzt zum US-Dollar bewegt. Die jüngsten Unruhen an den Aktienmärkten haben sich nicht in “Fluchthafen-Käufen" niedergeschlagen, zumindest nicht an den Terminmärkten. An den physischen Märkten gab es etwas Bewegung. Was könnte Ihrer Meinung nach in nächster Zeit die Triebfeder für die Metallkurse sein? Denken Sie, dass wir bei den Aktien noch mehr Volatilität sehen werden? Falls ja, werden die Metalle dann letztendlich doch einen Schub durch ein Sicherheitsdenken bekommen?
Axel Merk: Gut, hier sind wir wieder bei der Waschmaschine. Die Dinge sind nicht so gelaufen, wie sie laufen hätten sollen oder können, oder was auch immer. Gut, trotz alledem hat sich Gold seit Jahresbeginn nicht schlecht entwickelt. Es war tatsächlich eine Zeit lang so, dass der Dollar deutlich fiel und Gold recht gut lief. Aber dann, natürlich am Freitag, dem 2., fiel auch Gold. Am 5. hatten wir dann diesen schweren Einbruch, und Gold stieg ein paar Dollars.
Ok, ich würde jederzeit ein paar Dollar Plus beim Gold nehmen, als einen Tausend-Punkte-Verlust im DOW. Im Kontext der Volatilität, über die jetzt jeder zu reden scheint, denke ich Folgendes: Steigt die Volatilität, werden die zukünftigen Cashflows deutlicher diskontiert. Also: Wenn man Aktien kauft, die einen Cashflow haben, dann werden diese weniger wert. Nicht wertlos, nur weniger wert. Heißt also, unter ansonsten unveränderten Bedingungen, führt ein Anstieg der Volatilität zu sinkenden Bewertungen.
Gold hat nun keinen Cashflow und wird somit bei steigender Volatilität eher glänzen können als andere Risikoanlagen und vergleichbare Aktien. Aus diesem Grund ist Gold auch im Plus, auch wenn es nur fünf Dollar sind, im Vergleich zu den deutlich abgeschlagenen Aktien. Gold hat also getan, was es tun sollte. Einige Leute fragen dann: “Oh Gott, warum explodiert Gold denn jetzt nicht?“ In einer derartigen Umgebung hat sich Gold seit Jahresbeginn doch vernünftig entwickelt und den Aktienmarkt seit Jahresbeginn hinter sich gelassen. Das passiert doch schließlich nicht von einem Tag auf den anderen. Ganz offensichtlich steigen auch noch die Zinssätze, die ein großer Konkurrent für Gold sind.
Die Tatsache, dass Gold in dieser Umgebung so gut lief, deutet darauf hin, dass die Leute mit Nachdruck nach Diversifizierungsmöglichkeiten suchen, wobei Gold wieder einmal die einfachste ist. Ich nenne Gold die einfachste Möglichkeit, aber nicht zwangsläufig die beste, weil es ganz offensichtlich nicht immer steigt, wenn die Märkte fallen. Aber man kann damit sehr gut klar kommen. Die Leute sind nicht in Gold investiert, und solche Anleger sollten meiner Meinung nach aber darüber nachdenken. Sie sollten vor allem auch darüber nachdenken, wie viel sie, angesichts der Gesamtentwicklung, davon in ihrem Portfolio haben wollen.
Mike Gleason: Und der US-Dollar? In den letzten Tagen erholte er sich, was wiederum negativ für die Metallkurse war. Kann man diese Rally eher als einen Rohrkrepierer bezeichnen oder ist das Dollar-Tief, zumindest vorerst, ausgelotet?
Axel Merk: Ok, das kommt darauf an, mit wem man spricht. Keiner von uns besitzt eine Kristallkugel. Aber eine Sache kann ich Ihnen sagen: Jedes Investmentportfolio, ganz gleich welcher Philosophie man damit folgt, wird in den kommenden Monaten Probleme bekommen. Und hier sind wir wieder beim Bild der Waschmaschine.
Diese Märkte entwickeln sich nicht mehr in den gleichen Mustern. Manchmal steigt der Dollar zusammen mit Gold, manchmal sinkt es zusammen Gold, wie kürzlich. Diese Dinge bewegen sich nicht mehr wie gehabt. Wer Aktienfan ist, wird also Tage erleben, wo man sich denkt: “Oh Gott, wie kann ich nur Aktien lieben?“ Für Goldfans wird es Tage geben, an denen das Metall deutlich runter geht.
Gleichzeitig steigen die Zinssätze, und normalerweise ist das gut für den Dollar. Nichtsdestotrotz hatten wir vier Jahre lang die Situation, dass der Dollar stieg und stieg und stieg, und ungefähr im letzten Jahr löste sich die Dollarstärke wieder auf, trotz steigender Zinsen, und das passt auch zum Bild der Vergangenheit. Historisch gesehen, steigt der Dollar in Erwartung von Zinssatzerhöhungen, doch wenn die Erhöhungen dann tatsächlich kommen, bewegt er sich nicht mehr.
Schaut man jetzt auf Europa, dann wird dort über geldpolitische Straffung und die Aussetzung von QE durch die EZB geredet. Das wird noch eine Weile dauern, aber eben die Thematisierung hält den Euro oben und hat ihn sogar richtig nach oben getrieben, falls Sie sich erinnern. Der Euro war eine Zeit lang 1,10-plus-Bereich und stieg dann hoch auf 1,25/1,26 im Verhältnis zum Dollar. Ja, da gab es einen riesigen Anstieg. Jetzt sagt jeder: “Als der Einbruch kam, ging es beim Dollar steil nach oben.“