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Über die Wirkungskraft ökonomischer Theorien

24.02.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Vor vielen Jahren, noch als junger Student, wurde mir folgender Scherz erzählt: Es ist zur Zeit des Eisernen Vorhangs in Moskau. Eine Militärparade wird abgehalten. Infanterie, Panzerwaffen, Raketengeschütze und vieles mehr werden dem versammelten Publikum vorgeführt. Plötzlich erscheint inmitten der Aufmarschierenden eine Gruppe von Männern, unbewaffnet, in graue Herrenanzüge gekleidet. Der Gast aus dem Westen, der neben dem obersten russischen General auf der Zuschauerbühne steht, fragt: "Und welche Funktion haben diese Herren?" Da entgegnet ihm der General stolz: "Das ist unsere gefährlichste Waffe: das sind unsere Volkswirte!"

Ich muss gestehen, erst nach vielen Jahren habe ich den tieferen Sinn dieses Scherzes voll erfasst. Er lautet: Die Wirkungskraft ökonomischer Theorien ist gewaltig, ist viel größer als man vielleicht denken mag - und das wusste der General des sozialistischen Systems sehr genau.

Es sind zweifelsohne Theorien, die unser Handeln leiten. Theorien - also Vorstellungen darüber, wie Dinge miteinander zusammenhängen - bestimmen, welche Mittel wir einsetzen, um unseren Zielen näher zu kommen. Richtige Theorien erlauben es, dass wir unsere Ziele erreichen. Falsche Theorien hingegen erschweren es oder machen es gar unmöglich, das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

In der Menschheitsgeschichte sind falsche Theorien schon häufig Ursache für viel Leid gewesen. Man denke nur einmal an das 20. Jahrhundert, in dem die Lehren des Sozialismus, Kommunismus, Interventionismus, Nationalsozialismus und Faschismus für Zerstörung und große Not gesorgt haben. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg galt der Sozialismus als heilsbringende Lehre, von der man sich Wohlstand, Gerechtigkeit und Frieden versprach.

Auch viele Ökonomen befürworteten die sozialistische Lehre und die gesellschaftlichen Experimente, zu denen sie aufrief. Im Grunde hätte man aber schon 1919 wissen können, dass der Sozialismus nicht funktionieren kann.

Im Jahr 1919 hatte der österreichische Ökonom Ludwig von Mises (1881 - 1973) einen der wohl bedeutendsten Texte der Wirtschaftswissenschaft veröffentlicht: "Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen". Eine abschließende wissenschaftliche Widerlegung des Sozialismus. Mises zeigte darin auf, dass der Sozialismus undurchführbar ist, dass mit ihm ein Wirtschaften in der Gemeinschaft unmöglich ist. Er sollte Recht behalten - wie die Erfahrungen in den Ländern, die dem Sozialismus gefolgt sind, eindrücklich dokumentieren.

Gerade weil ökonomische Theorien so weitreichende Wirkungen entfalten können, nicht selten das Leben von vielen Millionen Menschen betreffen, ist es eine wichtige Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft, richtige von falschen ökonomischen Theorien zu scheiden. Auch heute sind nach wie vor falsche ökonomische Theorien im Umlauf, werden an Universitäten gelehrt und gelernt und beeinflussen die politischen Weichenstellungen in Wirtschaft und Gesellschaft.


Dazu drei Beispiele:

(1) Keynesianismus. - Der Keynesianismus sagt, der Staat müsse, wenn die Wirtschaft lahmt, die Nachfrage erhöhen, und schon kehrt die Volkswirtschaft zur Vollbeschäftigung zurück. Dies kann der Staat erreichen, indem er selbst (am besten kreditfinanzierte) Ausgaben tätig, oder indem seine Zentralbank die Zinsen senkt, die Geldmenge erhöht, oder indem am besten alles zusammen geschieht. Doch das ist ein Trugschluss. Mit staatlichen Ausgabeprogrammen, Zinsmanipulationen oder Geldmengenvermehrung "aus dem Nichts" lässt sich keine Prosperität schaffen.

(2) Mindestlohn. - Der Mindestlohn soll mehr Gerechtigkeit und höhere Einkommen bringen. Doch ein Mindestlohn, wenn er über dem markträumenden Lohn liegt, verringert die Beschäftigung. Und gerade die Geringqualifizierten stößt er aus dem Arbeitsmarkt.

(3) Zwischenstaatliche Kooperation. - Eine immer engere Kooperation zwischen Staaten, die Schaffung eines europäischen Zentralstaates, sei gut und richtig, um Wohlstand und Frieden in Europa zu sichern und zu fördern, so ist allerorten zu hören und zu lesen. Dieses Dogma verkennt jedoch, dass es lediglich eines freien Marktes bedarf, in dem die Eigentumsrechte aller gesichert sind, um ein friedvolles und prosperierendes Zusammenwirken zwischen Menschen zu ermöglichen. Supra-nationalstaatliche Gebilde, die Aushöhlung des Wettbewerbs der Regionen hemmen die Wachstumskräfte und beschwören zudem Interessenkonflikte innerhalb der Staaten und auch zwischen ihnen herauf.

Nachdem Sie diese drei Beispiele gehört haben, werden Sie sich vermutlich fragen: Wie kann es sein, dass einige Ökonomen die aufgeführten Theorien für richtig befinden, während andere (zu denen ich mich zähle) sie in Frage stellen beziehungsweise als falsch zurückweisen? Die Antwort finden wir bei einem Aspekt, dem heutzutage meist nur noch wenig oder gar keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt wird: der Wahl der wissenschaftlichen Methode.


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