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Übertriebene Gerüchte über ein vorzeitiges Ende

14.04.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Allen Unkenrufen zum Trotz: Das ungedeckte Geldsystem erweist sich als beharrlicher, als viele meinen. Das ist eine wichtige Einsicht für alle, die Geld anlegen.

"Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben", sagte Mark Twain, nachdem eine Zeitung ihn fehlerhaft für tot erklärt hatte. Ähnliches ließe sich über das ungedeckte Papiergeld sagen. Ob US-Dollar, Euro, japanischer Yen oder chinesischer Renminbi: Im Zuge der Finanzund Wirtschaftskrise 2008/2009 malten ihnen viele (darunter übrigens auch der Autor dieser Zeilen) eine düstere Zukunft: hohe Inflation, gar Hyperinflation, man prognostizierte sogar ihr Ende. Das ist nicht eingetreten.

Vielmehr erfreut sich das ungedeckte Papiergeld nach wie vor großer Beliebtheit. In den Vereinigten Staaten von Amerika befindet sich die Geldhaltung relativ zum Volkseinkommen auf einem Rekordhoch. Ähnlich verhält es sich im Euroraum und in Japan.

Wie erklärt sich das? Den Zentralbanken ist es gelungen, durch Zinssenkungen und gezielte Geldspritzen, die den Banken und den Staaten verabreicht wurden, Zahlungsausfälle auf breiter Front und damit den Systemzusammenbruch abzuwehren. Rückblickend ist einsichtig, warum die Operation gelingen konnte. 2008/2009 war eine “Kreditkrise”: Anleger fürchteten nicht um den Geldwert, sie hatten Angst, dass Staaten, Banken, Konsumenten und Unternehmen ihren Schuldendienst nicht mehr leisten könnten. Einem solchen Szenario konnten die Zentralbanken den Schrecken nehmen - denn Kredit und Geld können sie, wenn es nachgefragt wird, unbegrenzt anbieten.

Doch damit nicht genug: Das erfolgreiche Abwenden des Kollaps der weltweiten Kreditgeldpyramide wurde sogar noch mit einem neuerlichen Aufschwung “belohnt”: Die Zentralbanken haben wieder eine wirtschaftliche Scheinblüte auf den Weg gebracht. Nach dem Motto “Kicking the can down the road”, wie die Engländer sagen: Von Ende 2007 bis zum dritten Quartal 2017 ist die weltweite Verschuldung um 35 Prozentpunkte auf nunmehr 245 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes gestiegen. Besonders heikel: Der Verschuldungszuwachs hat sich in einem Umfeld extrem niedriger Kreditkosten vollzogen.

Nicht nur die Neuverschuldung, auch die fällige Altschuld wurden mit (Neu-)Krediten finanziert, die mit Tiefstzinsen ausgestattet sind. Stärker denn je hängen nun die Konjunkturen, Unternehmensgewinne, Arbeitsplätze, Aktien- und Häuserpreise von der Fortdauer der Niedrigzinspolitik ab. Bleiben die Zinsen künstlich niedrig, kann die weltweite Scheinblüte durchaus noch weitergehen. Steigen die Zinsen jedoch an, klettern sie zu stark in die Höhe, kollabiert die Traumwelt. Vor diesem Hintergrund ist der geldpolitische Kurs, auf den Regierungen, Banken, Groß- und Kleinunternehmen, Gewerkschaften, Arbeitnehmer, Aktionäre und Sparer drängen, gut erkennbar. Er lautet: “Keep it Going”.

Sobald das Konjunkturgebäude zu wanken beginnt - ob durch Zinserhöhungen der Notenbanken oder störende politische Eingriffe (Stichwort: Handelskrieg) -, ist absehbar, dass die Zentralbanken rasch zurückschalten werden auf “Expansion”: also auf noch niedrigere Zinsen, noch mehr Kredit- und Geldmengenvermehrung.

Im Grunde ist damit auch klar, wohin die große Reise geht: Die Wirkung des Zinses, die Sparen, Konsum und Investieren aufeinander abstimmt, bleibt verzerrt, wird sogar teilweise ganz außer Kraft gesetzt. Um den Folgen der dabei auflaufenden Ungleichgewichte - die eine "Bereinigungskrise" heraufbeschwören - zu entkommen, werden immer drastischere (Kapital-)Markteingriffe notwendig. Etwa in Form einer Geldmengenausweitung, die keine produktive Entsprechung mehr hat.

Dadurch steht früher oder später eine “Währungskrise” vor der Tür: Anleger geraten in Sorge, dass der Geldwert schwindet; dass sie zwar das Geld, das sie verliehen haben, von den Schuldnern wiederkommen, dass es aber Geld sein wird, dass seine Kaufkraft eingebüßt hat. Eine Währungskrise wäre für das ungedeckte Papiergeld eine sehr ernste Bedrohung, die die Dramatik einer Kreditkrise vermutlich noch übertrifft. Denn um eine Währungskrise in den Griff zu bekommen, müssen die Zinszügel angezogen, der Geldmengenzufluss verringert werden. Dass das dem Schuldgeldsystem zum Verhängnis werden kann, liegt auf der Hand.

Es lässt sich nun aber nicht mit Gewissheit sagen, ob schon die nächste Systemerschütterung eine Währungskrise sein wird, oder ob es erst noch zu einer weiteren Kreditkrise kommt. Solange die Nachfrage nach dem ungedeckten Papiergeld mit dem Anwachsen der Geldmenge Schritt hält, das Vertrauen der Geldnachfrager also nicht verpufft - und das ist selbst nach 2008/2009 nicht geschehen -, haben die Zentralbanken leichtes Spiel: Sie haben dann ausreichend Spielraum, um das Schuldgeldsystem in Gang zu halten und können eine neuerliche Krise ungestraft "bekämpfen".

Und solange die Möglichkeiten der Inflationierung noch nicht ausgeschöpft sind, werden die Zentralbanken ungeniert weitermachen - und vermutlich vor allem Aktienkurse und Grundstücks- und Häuserpreise weiter in die Höhe treiben. Solch eine öffentlich "akzeptierte Inflationspolitik" ist zwar kein Selbstläufer. Aber noch liegen die Bedingungen für ein unmittelbar bevorstehendes Inflationsende nicht vor.

Gerade regimekritische Anleger sind daher gut beraten, die Beharrungskräfte des ungedeckten Papiergeldsystems nicht zu unterschätzen: Sie sollten den Wunsch nicht vorschnell zum Vater des Gedankens werden lassen. Denn wie sagte schon Wilhelm Busch: "Wo man am meisten drauf erpicht, gerade das bekommt man nicht."

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© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH

Dieser Beitrag wurde in eigentümlich frei, Heft April 2018, veröffentlicht.


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