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Die Utopie der Sozialen Marktwirtschaft

03.10.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Nun erkennen die Ordoliberalen durchaus, dass der Staat mit seinen Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen auch zum Problem werden kann: Dass er den Wettbewerb untergräbt, von Partikularinteressen gekapert wird, seine Machtstellung missbraucht. Doch bei allem Für und Wider übertrumpft das Vertrauen in die Beschützerrolle des Staates dann doch die Sorge der Ordoliberalen, der Staat könnte zur eigentlichen Bedrohung für Wettbewerb, Freiheit, Frieden und Wohlstand werden. Woher aber nehmen die Ordoliberalen dieses Vertrauen?

Antwort: Sie meinen, den Staat domestizieren zu können - indem sie ihm Verfassungsregeln auferlegen, ihm klar umschriebene Aufgaben zuteilen und ihn auf diese Weise für gute Zwecke dienstbar machen. Doch was ist von eben dieser Idee zu halten, die eine ganz zentrale Stellung einnimmt in Ludwig Erhards Vision "Wohlstand für alle" und der “Sozialen Marktwirtschaft”? Der Ordoliberalismus will ein Mittelding, einen "dritten Weg" - eine Wirtschaftsordnung, die sich zwischen Sozialismus und Kapitalismus geschickt hindurchlaviert.

Ludwig von Mises hatte allerdings bereits im Jahr 1929 in seiner Schrift "Kritik des Interventionismus" aufgezeigt: Es gibt keinen solchen Mittelweg, keinen "Dritten Weg". Es ist unmöglich, so Mises, eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die die guten und wünschenswerten Eigenschaften des Sozialismus und des Kapitalismus nutzt und ihre schlechten und unerwünschten Eigenschaften aussondert.

Diesen irrtümlichen Mittelweg - der später Ordoliberalismus genannt und dann als Soziale Marktwirtschaft populär wurde - nannte Mises Interventionismus. Der Interventionismus belässt formal den Bürgern und Unternehmern ihr Eigentum. Um bestimmte Ziele zu erreichen, schränkt der Staat jedoch die Verfügungsrechte der Eigentümer über ihr Eigentum ein - durch Besteuerung, Weisungen, Vorschriften, Regulierung, Gebote und Verbote; er greift fallweise in das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben.

Der Interventionismus, so zeigt Mises, erweist sich jedoch als sinn- und zweckwidrig. Er kann das Ziel, den Wohlstand aller zu verbessern, nicht erreichen; und es ist noch nicht einmal gesichert, dass der Interventionismus diejenigen, die er begünstigen will, auch begünstigen kann. Und noch etwas zeigte Mises: Der Interventionismus setzt eine Interventions-Spirale in Gang, die Alexander Rüstow (1885 - 1963) eindrücklich wie folgt beschreibt: "Der Staat macht bestimmte Eingriffe in der Absicht, sich auf sie zu beschränken. Aber diese Eingriffe führen zu unvorhersehbaren Folgen, die ihrerseits neue, ursprünglich nicht beabsichtigte Eingriffe nötig machen.

Mit diesen neuen Eingriffen geht es wieder ebenso, usw. usf. Und wenn die Grenze der Staatseingriffe nicht auf eine einsichtige und haltbare Weise von vornherein mindestens im Prinzip festliegt, wenn die privaten Wirtschafter irgendeines bisher noch freigelassenen Wirtschaftssektors mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass der Staat über kurz oder lang auch in ihre Sphäre in nicht vorausrechenbarer Weise eingreift, so hört die Möglichkeit langfristiger Kalkulation und solider Geschäftsführung auf. Es finde geradezu eine Regression auf jene vorkapitalistische Epoche statt, wo, mangels sicherer Vorausberechenbarkeit, "Krieg, Handel und Piraterie" noch nicht zu trennen waren."

Wird am Interventionismus unbeirrt festgehalten, so führt das in eine Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der der Staat letztlich alles bestimmt: Löhne, Preise, Zinsen; wer was wann wie und wo produziert; und wer wann wo und wie lange arbeitet.

Eine solche Lenkungswirtschaft gab es beispielsweise in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Die Nationalsozialisten beließen den Unternehmern grundsätzlich ihr Sondereigentum an den Produktionsmitteln. Gleichzeitig wurden jedoch die Unternehmer vom Staat angewiesen, die Produktion auf die Wünsche des Regimes auszurichten.

Das funktionierte zunächst, weil die Nationalsozialisten den Unternehmern die Möglichkeit eröffneten, mit ihrer Produktion Gewinne zu erzielen. Die nationalsozialistische Lenkungswirtschaft führte zu Unwirtschaftlichkeit, Fehlallokationen und Übernutzung der Produktionskapazitäten, laugte den Kapitalstock aus, die Versorgungslage der Bevölkerung verschlechterte sich.

Im Folgenden sollen drei Beispiele illustrieren, wie der Interventionismus abläuft, beziehungsweise welche Wendungen er nehmen kann. Das erste Beispiel stammt aus der Kolonialzeit in Indien. Die Briten hatten in ihren Kolonien mit einer Kobraplage zu tun. Um sie einzudämmen, gaben die Briten eine Prämie aus, gezahlt für jeden abgetrennten Kobrakopf, den die Inder ablieferten.

Es dauerte nicht lange und die Inder lieferten immer mehr Schlangenköpfe ab. Sie hatten begonnen, Kobras zu züchten, weil das profitabel war. Als die Briten die Kopfprämien für die Kobras daraufhin abschafften, setzten die Inder ihre gezüchteten Schlangen frei. Die Schlangenpopulation und damit die Kobraplage nahmen dadurch zu. Die staatliche Maßnahme löste also nicht das Problem, das gelöst werden sollte. Im Gegenteil: Sie verschärfte das Problem sogar noch.

Wenn Sie wissen möchten, wie die Analyse weitergeht - den gesamten Beitrag finden Sie hier.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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