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Schulden kosten scheinbar nichts

21.04.2019  |  Manfred Gburek
Das reiche Deutschland, wegen seiner wirtschaftlichen Erfolge (Export-Weltmeister, neuerdings sogar mit einer Schuldenquote unterhalb der Maastricht-Kriterien) bewundert, beneidet und beschimpft, muss sich jetzt den anhaltenden internationalen Repressionen beugen.

Das ist keine neue Verschwörungstheorie, sondern das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung: Permanente Kritik vonseiten des Internationalen Währungsfonds (IWF) am deutschen Sparverhalten, an der Schuldenbremse und sogar an der Vorliebe der Deutschen für Bargeldzahlungen. Autoindustrie angeschlagen, zu geringe Investitionen in die Infrastruktur, zu wenig Konsum. Unzureichender Verteidigungsetat und nicht zuletzt politische Führungsschwäche.

Die Folge war bislang: Wir bleiben bei den deutschen Tugenden (Fleiß, Sparsamkeit, geringe Schulden), und die Bundesregierung verteidigt die "schwarze Null", obwohl ihr Erfinder Wolfgang Schäuble von der CDU das Finanzministerium inzwischen an Olaf Scholz von der SPD weitergereicht hat. Doch nun geht es so nicht mehr weiter. Das hat zum einen damit zu tun, dass Deutschland es in der Eurozone mit mehreren Ländern (vor allem Frankreich und Italien) zu tun hat, deren Politikern und Bewohnern die deutschen Tugenden auf die Nerven gehen - in der Eurozone gilt schließlich anderes Recht als in Deutschland.

Und zum anderen hat es damit zu tun, dass Schulden wegen der Null- bis Negativzinsen nichts zu kosten scheinen.

Die neuesten Wirtschaftsdaten kommen von Europas Einkaufsmanager-Index: Mit ihm ging es im April nach vorläufigen Zahlen zum zweiten Mal abwärts. Also Wachstum ade? Nein, das ist nur eine Delle. Zwar geht das Vertrauen in die Entwicklung der deutschen Industrie laut aktuellen Umfragen seit Ende 2018 abwärts, aber bereits seit Ende 2016 steigt das Vertrauen in den Konsum; dessen Trend zeigt trotz temporärer Unterbrechungen nach oben. Das Besondere daran: Es handelt sich um einen Trend, der an Schubkraft gewinnt, weil ein Turbo in ihn eingebaut ist: wie erwähnt in Gestalt von Schulden, die scheinbar nichts kosten.

Diese Schulden sind wegen ihrer Dimensionen etwas Neues. Das ist unter anderem damit zu erklären, dass sie gleichzeitig auf das Konto der Unternehmen, der öffentlichen Hand und zunehmend auch der Verbraucher gehen. Außerdem damit, dass ihre Triebkräfte, abgesehen von Null- bis Negativzinsen, sehr viel mit zwei aktuellen Phänomenen zu tun haben: einerseits mit China und den USA als Wachstumstreibern sowie andererseits mit der Disruption, am besten definiert als Umbruch, aktuell zum Beispiel wegen der Digitalisierung.

Haben Sie sich nicht auch schon gefragt, was denn wohl hinter der Kampagne "Fridays For Future" mitsamt dem Besuch ihrer schwedischen Vorkämpferin Greta Thunberg beim Papst stecken könnte? Zunächst zweifellos der - von noch nicht bekannter Hand angefachte - Idealismus der jungen Generation. Oder was sich hinter dem Siegeszug der Grünen verbirgt?

In aktuellen Umfragen einschließlich zahlreicher Auftritte ihres fast immer souverän wirkenden Vormanns Robert Habeck in den Medien sind die Grünen ja auffallend dominant. Neben dem Idealismus der jungen Generation verbirgt sich dahinter auch das Ausblenden all der Probleme, die uns die Energiewende beschert hat - demnächst unbezahlbare Strompreise inbegriffen.

Eine abschließende Antwort auf die Frage nach den zu erwartenden Auswirkungen der Null- bis Negativzinsen, nach den Folgen der Disruption und nach den Antreibern von "Fridays For Future" ist zurzeit zwar noch nicht möglich, aber drei Trends sind bereits deutlich erkennbar: Der Anreiz, sich zu verschulden, nimmt zinsbedingt stark zu. Von der Disruption profitieren in erster Linie China und die USA. Die Freitagskampagne ist weniger eine spontane Bewegung als ein geschickter, politisch ausgerichteter Schachzug - nach dem Motto: Wenn die junge Generation für ein gesundes Klima streikt, nimmt sie in Kauf, dass es viel Geld kostet.

Während in Deutschland und im übrigen Europa die grüne Revolution ausgerufen wird, beschäftigt die Chinesen eher die Frage, ob ihre Kohle- und Atomkraftwerke ausreichen, um genug Strom für Elektroautos zu produzieren. Derweil tüfteln die Amerikaner, ökologisch ebenfalls nicht gerade Musterknaben, schon an den Antrieben von morgen. Gleichzeitig schleudern sie mit ihren Sprit fressenden Autos Dreck in die Luft, als wollten sie die Schummelsoftware von VW oder Daimler in Sachen Abgase haushoch übertreffen. Woraus wir lernen, dass saubere Luft ein globales Ziel sein muss und mit Freitagskampagnen nicht herbeigezaubert werden kann.

Das folgende Zitat ist einer aktuellen Studie von BlackRock entnommen, dem größten Vermögensverwalter der Welt: "Technologisch werden ganz andere Kompetenzen für elektrisches und autonomes Fahren benötigt, als sie Autobauer heute mitbringen. Diese kommen zusätzlich unter Druck, weil mit dem zurückgehenden Individualbesitz die stückzahlorientierten Geschäftsmodelle untergraben werden."

In derselben Studie findet sich eine Top 10-Statistik, die den aktuellen Elektroauto-Anteil nach Ländern zeigt. Demnach liegt Norwegen bei gut 49 Prozent mit großem Abstand an der Spitze. Es folgen Island mit gut 19, Schweden mit 8 und dann schon die Niederlande mit 6,7 Prozent. Deutschland sucht man unter den Top 10 vergebens.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Das reiche Deutschland basiert ökonomisch auf einer Art von zinslosem Schein-Reichtum. Die schwarze Null des Finanzministers ist eine Farce. Schulden kosten angeblich nichts, sodass Staaten, Unternehmen und Verbraucher zunehmend auf sie zurückgreifen werden. Die grüne Bewegung liefert dafür eine von mehreren Vorlagen. Die Disruption wird die Weltwirtschaft stark verändern. Und gesunde Luft gibt es nur, wenn umfassend, also global statt regional für sie gesorgt wird. In diesem Sinn schöne Ostern!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Der Traum vom Aktien-Marshallplan


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