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“We have gold because we cannot trust governments” - oder: Zurück zur ökonomischen Vernunft

19.07.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Dass bislang eine Flucht aus dem ungedeckten Geld ausgeblieben ist, dürfte zwei Gründe haben. Erstens: Die Verluste, die die Menschen mit ihren Bankguthaben erleiden, sind nicht sichtbar: In Zeiten des Nullzinses steigen die Kontoguthaben zwar nicht mehr an, sie nehmen aber auch nicht ab; und dass die Bankguthaben ihre Kaufkraft verlieren, weil die Preise steigen, übersehen viele Anleger. Zweitens: Das Wissen ist bei vielen Menschen gering, dass es praktikable Alternativen zu Bankkguthaben gibt. (Welche Bank rät schon ihren Kunden, Termin- und Spareinlagen in, sagen wir, physisches Gold und Silber zu tauschen?)

Ein weiterer Gedanke an dieser Stelle: Man sollten nicht meinen, das ungedeckte Geld werde notwendigerweise verschwinden, werde von einer der nächsten Krisen dahingerafft und so den Weg zu gutem Geld, vielleicht sogar zum Goldgeld, freimachen. Nein! Es wird einer bewussten Entscheidung der Gesellschaft bedürfen, um dem ungedeckten Geld ein Ende zu setzen. Allerdings wird diese Entscheidung um so schneller und wirkungsvoller erfolgen, je früher die Menschen erfahren, dass es besseres Geld gibt.

Dazu braucht es einen wirklich freien Markt für Geld: Einen Markt, auf dem die Geldnachfrager ein Geld nachfragen können, das sie verwenden wollen. Es braucht so gesehen ein Zurück zur ökonomischen Vernunft: Es braucht eine breite Bewegung, die sich für einen freien Markt für Geld stark macht (in Anlehnung an “Fridays for Future” so etwas wie “Free People Need A Free Market In Money” oder so etwas wie Immanuel Kants Wahlspruch der Aufklärung). Notwendig ist die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Probleme des ungedeckten Geldes; und dass ein freier Markt für Geld den Menschen besseres Geld bereitstellt, das ihnen und ihrer Gesellschaft zum Vorteil gereicht!


Was das für den Anleger bedeutet

Derzeit muss der Anleger jedoch Vorlieb nehmen mit der Welt, wie sie derzeit ist. Er sollte sich daher bewusst machen, dass die ungedeckten Gelder, die die Staaten ausgeben - ob US-Dollar, Euro, japanischer Yen etc. -, ihm keine verlässliche Wertaufbewahrung bieten; und dass die Schäden, die diese Geldarten verursachen, Politiken in die Hände spielen, die das Geldvermögen gefährden. Vor diesem Hintergrund lassen sich vier handfeste Handlungsempfehlungen, von denen man sich “bis auf Weiteres” leiten lassen kann, vorlegen:

(1) Weil die Zentralbanken die Geldpolitik der Null- beziehungsweise Negativzinsen vermutlich noch weiter treiben werden, sind Anleger gut beraten, ihre Bankguthaben zu minimieren. Das heißt, die Beträge auf liquiden Bankkonten sollten auf die für laufende Zahlungen erforderlichen Beträge zuzüglich einer “Vorsichtskasse” begrenzt werden.

(2) Der Anleger sollte Vorsicht walten lassen bei Anleihen. Zum aktuellen Zinsniveau wird er vielfach Verluste machen, wenn er Anleihen bis zur Endfälligkeit hält (ob als Direktanlage oder über Fonds). Bestenfalls kann er in der kurzen Frist noch darauf hoffen, Kursgewinne zu erzielen, wenn die Zinsen noch weiter in den Negativbereich fallen. Auf diese Weise dauerhaft positive und attraktive Renditen verdienen zu können, verlangt aber schon besonderes Fingerspitzengefühl und Können.

(3) Der Teil des Geldvermögens, der für mittel- bis langfristige Zwecke gehalten wird (also mit einem Zeithorizont von fünf oder mehr Jahren), kann mit gutem Gewissen in physisches Gold (und auch zu einem Teil in Silber) getauscht werden. Das ist keine riskante Empfehlung: Gold und Silber sind die natürlichen Geldarten. Ihr Marktwert kann nicht auf null fallen, denn diese Edelmetalle werden auch aufgrund nicht-monetärer Zwecke nachgefragt und haben daher stets einen positiven Marktpreis. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Gold und Silber ihre Kaufkraft behalten, sehr wahrscheinlich sogar mehren werden, wenn das ungedeckte Geld seine Kaufkraft durch die Zentralbankpolitiken einbüßt.

(4) Anleger, die mit einem langen Zeithorizont (von fünf und mehr Jahren) operieren, sollten in Erwägung ziehen, in Unternehmensaktien zu investieren beziehungsweise zunächst weiter in ihnen investiert zu bleiben. Das ungedeckte Geldsystem, in dem die Zentralbanken die Kreditmarktzinsen de facto abschaffen, macht weitere Kursgewinne recht wahrscheinlich. Anleger, die über keine besonderen Fähigkeiten besitzen, um die “richtigen Aktien” auswählen zu können, haben dabei zwei Möglichkeiten: Entweder sie investieren in einen breit diversifizierten und kostengünstigen Weltaktienmarktindex (oder -ETF), oder sie arbeiten mit Investoren zusammen, die nachweislich in der Lage sind, den Gesamtmarkt dauerhaft zu schlagen.

Wir kommen zum Schluss. In “Faust” lässt Johann Wolfgang von Goethe den Mephisto das Folgende sprechen: “Es war die Art zu allen Zeiten, ... Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.” Diese Worte erfassen die heutigen Verhältnisse in der Volkswirtschaftslehre - und auch natürlich in der Politik - treffend. Viele wirtschaftliche und soziale Missstände haben ihre (Mit-)Ursache in den Irrtümern volkswirtschaftlicher Aussagen und Empfehlungen. Die große Aufgabe ist es daher, den Weg zurück zur ökonomischen Vernunft zu finden. Das ist kein leichtes Unterfangen, und es wird in jedem Fall Zeit brauchen.

Für den Anleger bedeutet das zunächst einmal, dass die Aussagen der modernen Volkswirtschaftslehre mit Vorsicht zu genießen sind. Sie werden ihm weder die Zukunft verlässlich prognostizieren, noch werden sie ihm alle relevanten Investitionsrisiken benennen können und wollen. Wer die Problematik, die in den voranstehenden Seiten skizziert wurde, erfasst hat, der hat einen Erkenntnisgewinn verbucht - und zwar einen, der für den Investitionserfolg hilfreicher sein dürfte als so manche Erklärung und so manche Prognose, die die moderne Volkswirtschaftslehre ihm ins Ohr flüstert.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(1) Wer sagt “Es gibt keine absolute Wahrheit”, der begeht einen logischen Widerspruch. Denn die Aussage “Es gibt keine absolute Wahrheit” beansprucht, absolut wahr zu sein. Eine Aussage, die ein logischer Widerspruch ist, ist aber zweifelsohne eine falsche Aussage. Die gleiche Problematik verbirgt sich hinter dem Satz “Jede Aussage ist nur relativ, niemals aber allgemein gültig”.

(2) 2 Eine Einführung zu dieser Fragestellung gibt Polleit, T. (2019), Kritik der ökonomischen Erkenntnis”.



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