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Diesmal hatte Keynes Recht

25.09.2019  |  John Mauldin
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Wenn wir von Natur aus selbstmaximierend wären, dann gäbe es so etwas wie Liebe nicht; und das ist die freiwillige Entscheidung, das Wohlergehen einer anderen Person vor das eigene zu stellen. Wenn Sie versteckte, selbstsüchtige Motive haben, dann ist das keine echte Liebe, oder? Zumindest nicht, wie sie von den Religionen beschrieben wird, die ich kenne.

Trotzdem halten viele Volkswirtschaftler an dem Glauben fest, dass wir alle zu jedem Zeitpunkt kompetitiv sind und dies irgendwie zu Gleichgewicht und Wohlstand führt. Das ist falsch und, wenn das Ihre Grundannahme sein sollte, dann sind alle Ihre anderen Antworten falsch. Das ist nicht das Ausleben der menschlichen Natur, sondern dessen Verleugnung.

Währenddessen äußerste sich ein weiterer Milliardär aus Seattle dazu. Bill Gates sagte nicht genau "Volkswirtschaftler wissen nichts", doch es ist klar, was er in seinem Interview meinte.

"Zu blöd nur, dass Volkswirtschaftler die Makroökonomie nicht wirklich verstehen", meinte der Mitgründer von Microsoft. Auf die Frage hin, was er denn damit meinte, entgegnete Gates:

"Es ist nicht wie die Physik, in der man bestimmte Daten verwenden kann, um bestimmte Ergebnisse vorherzubestimmen. Werden sich die Zinsen jemals wieder normalisieren? Warum normalisieren sie sich nicht? Sie werden niemals denselben Konsens unter Volkswirtschaftlern erhalten, als würden Sie einen Ball aus Ihrem Fenster werfen und Physiker fragen `Was ist passiert?´ Es gibt so viele Faktoren in der wirtschaftlichen Gleichung, einschließlich dessen, was Keynes als `Lebensgeister´ bezeichnete, dass wir keine Vorhersagbarkeit besitzen.

Selbst heute streiten die Leute darüber, was 2008 passiert ist. Also ist es noch schwerer, nach vorne zu sehen. Werfen Sie einen Blick auf die Rolle der Anleiheratingagenturen im Jahr 2008, die komplett unreguliert ist. Warum? Nun, es muss wohl einen fehlenden Konsens geben."


Sowohl Hanauer als auch Gates haben nicht Unrecht. Volkswirtschaftler begannen Anfang des 20. Jahrhunderts anzunehmen, dass ein Gleichgewicht existieren muss. Das allgemeine Gleichgewicht war wundervoll, da es ihnen die Möglichkeit gab, die Wirtschaft auf Papier zu modellieren (und später auf PCs). Volkswirtschaftler beneiden die Physik. Allgemein denken sie alles weg, was nicht ins Modell passt. Es ist nicht überraschend, dass die Modelle nicht funktionieren, wenn man sie ausprobiert, da die Annahmen nicht der Realität entsprechen.

Die gesamte Prämisse der Gleichgewichtsvolkswirtschaft ist falsch. Die Welt ist ein komplexes System. Sie zu modellieren setzt komplexe Mathematik und Theorie voraus. Leider - jedoch nicht überraschend - befinden wir uns noch Jahrzehnte davon entfernt (wenn überhaupt), in der Lage zu sein, die Wirtschaft zu modellieren, solange man weiterhin davon ausgeht, dass es ein Gleichgewicht gibt.

Natürlich können wir Beobachtungen anstellen, Theorien aufstellen und politische Maßnahmen vorschlagen. Doch das sollten wir nicht in dem Glauben tun, dass uns irgendein mathematisches Modell erlaubt, zu wissen, was wir tun. "Lügen, verdammte Lügen und Modelle" hätte das Zitat lauten sollen. Wenn also Gates und Hanauer sowie andere, einschließlich mir selbst, sagen, dass Volkswirtschaftler die Volkswirtschaftslehre nicht verstehen, dann ist unser echtes Argument, dass sie sich auf inkorrekte Modelle und Annahmen verlassen.

Es wird noch schlimmer, wenn Politiker Volkswirtschaftler engagieren, um Modelle für sie zu erschaffen. Diese Volkswirtschaftler sind genauso trainiert worden wie Zirkustiere, auch wenn sie keine Peitsche brauchen. Die Annahmen der Volkswirtschaftler führen unausweichlich zu den Schlussfolgerungen, die die Politiker haben möchten. Natürlich haben sie alle "neutrale Daten und Fakten". Was wäre ein Modell ohne Fakten und Daten?


Notwendige Debatte

Der zweite Artikel kam von einer Person, die ihn für lächerlich hielt. Er schickte ihn mir mit einem langen Absatz, in dem er vor dessen (seiner Ansicht nach falschen) Behauptungen warnte. Ich schätze den Gedanken, versuche jedoch auch andere Perspektiven einzunehmen. Ich sage heutzutage oftmals, dass ich weder Republikaner noch Demokrat bin, sondern einfach Amerikaner. Ich lehne Ideen nicht automatisch aufgrund ihres Ursprungs ab. Wenn ich sie ablehne, dann weil ich sie studiert habe und feststellte, dass sie falsch sind.

Der Artikel hatte einige Probleme, ist jedoch trotzdem lesenswert. Der Autor ist Jared Bernstein, ein Volkswirtschaftler, der den Vizepräsidenten Joe Biden beriet. In diesem Artikel beschreibt er, was er als "neue Volkswirtschaftslehre" bezeichnet, die ein "gerechteres" Amerika erschaffen wird.

Wie Dalio und Hanauer identifiziert Bernstein viele unserer Probleme. Es ist nicht der Fall, dass alles wunderbar wäre, wenn die Regierungen zur Seite treten würden; wir haben tiefgründigere Probleme. Ich befürworte Bernsteins ersten Satz voll und ganz: "Die amerikanische Wirtschaft hat einige ernsthafte, strukturelle Probleme - und die Volkswirtschaftler sind teilweise schuld daran." Dann heißt es weiter:

"Es ist kein Zufall, dass sich die neue Volkswirtschaftslehre aktuell im Aufstieg befindet. Doch gemäß einiger Maßstäbe ist die Ungleichheit in den letzten Jahren nicht stärker geworden, sondern bleibt auf Niveaus der späten 1920er Jahre, die kein gutes Ende nahmen. In einer der beunruhigendsten Entwicklungen, die aus aktuellen Recherchen entstammte, wird Einkommens- und Reichtumsungleichheit zunehmend mit der Ungleichheit der Lebenserwartung assoziiert.

Die Annahme, dass sich eigennützige Unternehmen selbst regulieren, führte zu wiederholten Deregulierungen, die uns etwas verschafften, was ich als "Shampoo-Wirtschaft" bezeichne: Blase, Bust, Wiederholung. Die alte Volkswirtschaftslehre behauptete fälschlicherweise, dass es keine anhaltend niedrigen Beschäftigtenzahlen ohne rasch ansteigende Inflation geben könnte. Und dennoch ist es genau das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben.

In anderen Worten: Die neue Volkswirtschaftslehre tritt nicht nur auf den Plan, weil wir "bessere" Ergebnisse von unseren Märkten haben möchten. Sie ist ebenfalls im Aufstieg, weil sich herausgestellt hat, dass eine Menge der alten Informationen einfach falsch ist."



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