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Spiel mit dem Anleihenfeuer

24.11.2019  |  Manfred Gburek
Am Kapitalmarkt brodelt es gewaltig. Zum Beispiel wurden in diesem Jahr schon Euro-Unternehmensanleihen im Wert von gut 410 Milliarden Euro emittiert, so viele, wie in diesem Zeitraum noch nie. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Großanleger während des jetzigen Stadiums niedriger Zinsen händeringend nach rentierlichen Alternativen suchen. Schließlich will man den Kunden aus dem Lager der Fonds und Versicherer für 2019 keine negativen Jahres-“Renditen“ präsentieren - ein fataler Fehler, wie sich bereits im nächsten Jahr zeigen dürfte.

Worum geht es? Um nicht weniger als dies: Die Bonität der Unternehmen, die sich mit Anleihen an den Kapitalmarkt wagen und dabei von den Emittenten kräftig unterstützt werden, lässt immer mehr zu wünschen übrig. Das hat die EZB auf den Plan gerufen. Sie kommt in puncto Bonität zu nicht gerade schmeichelhaften Ergebnissen: Inzwischen besäßen Fonds der Eurozone 15 Prozent Unternehmens- und Staatsanleihen mit den problematischen Bonitätsnoten BB und B. Außerdem habe fast ein Drittel des Anleihenbestands die Note BBB, die gerade noch als Investmentgrad gilt.

Diese Daten belegen, dass alle Mitspieler - Unternehmen, Staaten, Emittenten, Fonds und Versicherer - mit dem Feuer Spielen, indem sie Risiken eingehen, die nicht mehr zu verantworten sind. Doch solange sie gemeinsam dasselbe tun, können sich ihre Manager sicher fühlen, zumindest bis zur Vorlage der Ergebnisse am Jahresende. Danach wird das ganze Spiel wieder von vorn beginnen, Ende offen.

Aus unerfindlichen Gründen gelten Anleihen unter privaten Anlegern als sicher. Wahrscheinlich, weil sie einen bestimmten festen Zins versprechen, ohne Rücksicht darauf, dass mit ihnen schon viel Schindluder getrieben wurde, wie zuletzt mehrfach mit Argentinien-Anleihen. Das trügerische Sicherheitsgefühl geht so weit, dass Anleger immer wieder auf zweifelhafte Angebote hereinfallen - leider auch in größerem Stil, indem sie ihre finanzielle Altersvorsorge etwa auf entsprechende Fonds, Versicherungen und Riester-Renten ausrichten.

Insofern lässt ein Fünf-Punkte-Plan tief blicken, den der Fondsverband BVI, der Versicherungsverband GDV sowie die Verbände der privaten und der Landes-Bausparkassen rechtzeitig vor dem CDU-Parteitag öffentlich gemacht haben. Aber was haben Finanzkonzerne mit diesem Parteitag zu tun? Ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass die CDU - wie andere Parteien auch - gerade daran herumfeilt, mit welcher Art von staatlicher Deutschland- oder Extrarente in Konkurrenz zu den bereits bestehenden privaten Angeboten die kommenden Rentner am besten zu beglücken sind, um bei der nächsten Bundestagswahl ihre Stimme entsprechend abzugeben.

Die fünf Punkte sind schnell aufgezählt: Ausgestaltung von Standardprodukten, Förderung transparenter gestalten, Erweiterung des förderberechtigten Personenkreises, Beitragsgarantie lockern und Zulageverfahren automatisieren. Doch was steckt dahinter? Nicht weniger als der Versuch, die vorhandenen privaten Altersvorsorge-Produkte, die den Finanzkonzernen viel Geld einbringen und ihren Kunden hohe Kosten aufladen, bis zum Sankt-Nimmerleinstag auszudehnen. Das liest sich dann so:

"Die Verbände sehen in einer durchgreifenden Weiterentwicklung des aktuellen Systems einen deutlich überzeugenderen Reformansatz als bei einem risikobehafteten Systemwechsel. Vorschläge etwa für eine quasi-obligatorische 'Deutschland-Rente' aus Hessen oder die 'Extrarente' des vzbv belasten die Arbeitgeber. Sie ignorieren zudem, dass 70 Prozent der Arbeitnehmer bereits mit Riester-Verträgen (Versicherungen, Investmentfonds, Wohn-Riester, Banksparpläne) oder betrieblicher Altersversorgung vorsorgen und auf die Nachhaltigkeit dieser Altersvorsorgesysteme vertrauen."

Also alles so lassen, wie es ist, eine Kosten-Kaskade zulasten der vorsorgenden potenziellen Rentner inbegriffen? Aus Sicht der Anbieter ja. Aber was kommt auf all diejenigen zu, die sich von unhaltbaren Versprechen zur Riester-Rente und zu den um sie herum gelagerten Finanzprodukten verführen lassen? Um sie herum gelagert, weil die Riester-Rente als Lockvogel dient: Lassen Kunden sich erstmal auf sie ein, folgen vonseiten der Anbieter Vorschläge zum Abschluss eines Fondssparplans, einer Versicherung, einer Baufinanzierung oder sonst was. Alles auch im Zeichen von Null- und Negativzinsen, die zusätzlich als Abschluss-Argument dienen.

Nun könnte man meinen, dass halbwegs intelligente Bundesbürger dahinter kommen, was ihnen angetan wird. Doch davon sind wir weit entfernt. Denn hilfesuchende Vorsorgesparer wenden sich im Zweifel immer noch erst an die ihnen vertrauten Angestellten oder Freiberufler von Banken, Sparkassen, Versicherern und Finanzvertrieben. Honorarberater und Vermögensverwalter, die in erster Linie Kundeninteressen verfolgen, sind eher die Ausnahme.

Wie ist dem Dilemma beizukommen? Eine gern verbreitete Antwort lautet: durch Finanzbildung. Ansätze dazu sind bereits vorhanden. Schaut man jedoch genau hin, entpuppen sich die meisten von ihnen entweder als erweiterte Werbung in eigener Sache, als Ansammlung von Allgemeinplätzen oder als Verführung zum Day Trading. Ein Lob ist indes der Bundesbank zu zollen. Vor allem sei ihre 95 DIN A 4-Seiten umfassende, reich bebilderte Studie "Geld verstehen/Schülerbuch für die Sekundarstufe I" allen empfohlen, die sich in Sachen Finanzen weiterbilden wollen.

Zu guter Letzt: Wer trotz der drohenden Probleme mit Anleihen immer noch nicht die Finger von ihnen und den auf ihnen basierenden zweifelhaften Finanzprodukten lassen kann, sei auf das Buch "Der größte Crash aller Zeiten" von Marc Friedrich und Matthias Weik verwiesen. Doch Vorsicht: hard core, nichts für schwache Nerven!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Die neue Teilung Berlins


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