Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Achtung: Digitales Zentralbankgeld

08.03.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Digitales Zentralbankgeld, an dem viele Zentralbanken derzeit arbeiten, wird geradezu umstürzlerische Kräfte freisetzen - denn das Geld-, Kredit- und Finanzsystem wird stärker denn je den Entscheidungen der Zentralbankräte unterworfen.

Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 greifen die Zentralbanken stärker denn je in die Geld- und Kreditmärkte ein. Viele von ihnen wollen nun sogar ein "neues Geld", ein digitales Zentralbankgeld ("Central Bank Digital Currency" oder kurz "CBDC") ausgeben. Eine "Innovationsoffensive", die es in sich hat. Denn bei CBDC geht es nicht etwa darum, das Geld aus den staatlichen Monopolfängen zu befreien, oder dem ungedeckten Geld abzuschwören, oder das Geldschaffen "aus dem Nichts" zu beenden oder anonymisierte Transaktionen zu ermöglichen.

Weit gefehlt! CBDC sollen vielmehr den Kunden der Geschäftsbanken die Möglichkeit geben, ihr Geld fortan auf Konten bei der Zentralbank halten zu können: Wer es wünscht, der soll künftig sein Guthaben, das er derzeit bei der Geschäftsbank unterhält, auf ein Konto bei der Zentralbank überweisen dürfen; elektronisches Geschäftsbankengeld wird eingetauscht gegen elektronisches Zentralbankgeld, CBDC eben.

Open in new window
Quelle: FT.


Damit aber treten die Zentralbanken in Konkurrenz zu den Kredithäusern im Einlagen- und Zahlungsverkehrsgeschäft. Denn es ist durchaus möglich, dass die Privaten es vorziehen werden, ihre Guthaben bei der Zentralbank und nicht bei einer Geschäftsbank zu halten. Schließlich kann erstere nicht Pleite gehen, zweitere dagegen sehr wohl. Die Ausgabe von CBDC kann folglich die Rolle der Geschäftsbanken in der Geldproduktion drastisch verringern, die der Zentralbanken entsprechend vergrößern.

Der Extremfall, in dem CBDC zum allseits gewünschten Zahlungsmittel aufgestiegen sind - weil die Geldverwender den Zentralbanken, nicht aber mehr den Geschäftsbanken vertrauen -, werden die Banken zu reinen Kreditvermittlern zurückgestutzt.

CBDC sind natürlich für den Überwachungsstaat ein höchst willkommenes Geschenk: Die Umsätze seiner Untertanen werden ihm konzentriert und transparent quasi auf dem goldenen Tablett präsentiert. Der Staat und seine Zentralbank können besser denn je in Erfahrung bringen, wer wann und wieviel für was an wen überweist. Die finanzielle Privatsphäre der Bürger ist vor allem auch dann geschleift, wenn die Menschen CBDC als Ersatz für Bargeld ansehen und einsetzen: Statt mit Münzen und Banknoten wird der Zahlungsverkehr mit CBDC abgewickelt.

CBDC kann also auch dazu führen, dass der Bargeldverkehr weiter zurückgedrängt wird. CBDC sind jedoch vermutlich in erster Linie ein Ersatz für Geschäftsbankengeld. Wenn das Umtauschverhältnis zwischen CBCD und Geschäftsbankengeld auf 1:1 festgelegt wird, dann hängt die maximale CBDC-Menge von der Geschäftsbankengeldmenge ab, die die Banken durch ihre Kreditvergabe "aus dem Nichts" produzieren.

Damit wird auch klar: CBDC sind nicht etwa besseres Geld. Sie tragen vielmehr alle ökonomischen ethischen Defekte, die das ungedeckte Geld ("Fiat-Geld") auch hat. Und haben CBDC erst einmal hinreichend weite Verbreitung bei den Geldverwendern gefunden, kann die Zentralbank auch neue CBDC durch Kreditvergabe in Umlauf bringen: Konsumenten, Unternehmen und öffentliche Stellen bekommen zum Beispiel großzügig Überziehungskredite eingeräumt, oder sie erhalten auf Wunsch auch langfristige Kreditlinien.

Das bedeutet letztlich nichts anderes als dass die Zentralbank den Geld- und Kreditmarkt vollends monopolisiert beziehungsweise verstaatlicht. Die Zentralbanken und diejenigen Gruppen, die sie für ihre Zwecke einzusetzen vermögen, erlangen folglich eine gewaltige Machstellung. Sie werden in die Lage versetzt, ganz wesentlich darüber mitzuentscheiden, wer wann welche Geldmenge bekommt, und wer was wann und wo produziert und konsumiert. Digitales Zentralbankgeld ebnet so gesehen den Weg in eine staatliche Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der die Freiheitsgrade von Bürgern und Unternehmern wie Schnee in der Sonne dahinschmelzen werden.

Open in new window

Friedmans Helikoptergeld

Mit CBDC wird zudem eine Brücke zum berühmt-berüchtigten "Helikoptergeld" geschlagen. Den Begriff Helikoptergeld prägte der US-amerikanische Ökonom Milton Friedman (1912–2006) im Jahr 1969. Friedman wollte seinen Studenten verdeutlichen, dass die (Preis-)Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist: Wenn die Geldmenge (stark) wächst, dann steigen früher oder später auch die Güterpreise, so Friedman. Und weil der Staat beziehungsweise die staatliche Zentralbank das Monopol der Geldproduktion innehat, kann die Geldmenge jederzeit und in jedem politisch gewünschten Betrag erhöht werden.

Beispielsweise kann die Zentralbank neu gedruckte Banknoten in einen Helikopter laden und sie über der Volkswirtschaft abwerfen. Die Menschen, die die Geldscheine herabregnen sehen, werden sie einsammeln und gegen Güter und Dienste eintauschen. Das erhöht die Nachfrage nach Gütern und Diensten treibt deren Preise in die Höhe - sorgt also letztlich für Preisinflation. In einem staatlichen Geldproduktionsmonopol, so Friedman, kann daher Preisinflation immer und jederzeit erzeugt, eine Preisdeflation kann stets verhindert werden.

Friedmans Hubschraubergeld bezeichnet keine neue, keine besondere Form des Geldes, sondern vielmehr einen "neue" Art und Weise, wie Geld in die Taschen der Menschen gespült werden kann. Eine Variante dazu wäre, wie bereits erwähnt, das Abwerfen von Banknoten aus dem Helikopter. Eine weitere Ausprägung des Hubschraubergeldes ist die Ausgabe von Konsumgutscheinen, die sich die Empfänger bei den Geschäftsbanken in Bargeld auszahlen lassen können. Oder aber die Zentralbank überweist neu geschaffenes Geld direkt auf die Konten von Konsumenten, Unternehmen und öffentlichen Stellen.

Das geht natürlich ganz besonders einfach und problemlos, wenn alle Privaten CBDC-Konten bei den Zentralbanken unterhalten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass vor allem die Befürworter des "Vollgeldes" die Einführung von CBDC begrüßen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Digitales Zentralbankgeld ist alles andere als eine "Innovation", die man bejubeln müsste. Mit der Einführung und Verbreitung des digitalen Zentralbankgeldes sind vielmehr weitreichende wirtschaftliche und auch gesellschaftspolitische Veränderungen verbunden. Digitales Zentralbankgeld stärkt vor allem die Monopolmacht der Zentralbanken - und damit steigt auch das Missbrauchspotential mit der elektronischen - der digitalen - Notenpresse. Und wenn die Währungsgeschichte eines lehrt, so ist es das: Je größer der Einfluss des Staates und seiner Zentralbank auf das Geldwesen, desto schlechter ist es um den Erhalt der Kaufkraft des Geldes bestellt.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"