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Der "Mega-Bail-Out": Wie die Weltwirtschaftskrise bekämpft wird

27.03.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die Rettung naht

Die US-Administration etwa hat ein Rettungspaket von 2 Billionen US-Dollar (etwa 10 Prozent der US-Wirtschaftsleistung) auf den Weg gebracht. Es soll Unternehmen und Haushalte finanziell unterstützen. Die deutsche Bundesregierung will neue Kredite in Höhe von 156 Milliarden Euro aufnehmen und einen Rettungsschirm von 600 Milliarden Euro aufspannen (Bürgschaften in Höhe von 400 Mrd. Euro, 100 Mrd. Euro für staatliche Beteiligungen an Unternehmen und weitere 100 Mrd. Euro, die Unternehmen über die KfW zugehen sollen).

Vor allem die Zentralbanken greifen ein. Die US-Zentralbank (Fed) hat im Grunde erklärt, Unternehmen, Konsumenten, öffentlichen Stellen und vor allem der Finanzindustrie unlimitiert Kredit zu gewähren. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) will zusätzlich Wertpapiere kaufen in Höhe von nahezu 1 Billion Euro und Kredite an Banken mit Minuszinsen subventionieren.

Mit derartigen Rettungspaketen sollen vor allem zwei Dinge erreicht werden: (1) Die bloße Ankündigung, dass Regierung und Zentralbank die Wirtschaft vor dem Absturz bewahren wollen, soll beruhigend wirken - wie eine Versicherung. Vor allem soll ein weiterer Ausverkauf an den Finanzmärkten verhindert und damit Turbulenzen in der produzierenden Wirtschaft abgewendet werden. Greift der "Beruhigungspillen-Effekt", muss nachfolgend auch weniger Geld ausgegeben werden, um offene Rechnungen zu bezahlen.

(2) Für die nicht mehr abwendbaren finanzielle Schäden, die der "Lockdown" verursacht, wollen Regierung beziehungsweise Zentralbank aufkommen: Lohnausfälle, Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld sollen bezahlt, Unternehmen mit Kreditgarantien und Zugang zu neuen Darlehen versorgt werden. Auf diese Weise soll es möglich werden, die Wirtschaft quasi "schockzugefrieren" und sie nachfolgend wieder "aufzutauen", zu neuem Leben zu erwecken.

Es ist eine zentralplanerische Idee, man könne die Wirtschaft für eine gewisse Zeit "abschalten" und die dadurch entstehenden Schäden vorab übersehen und sie durch staatliche Eingriffe "heilen". Eine moderne arbeitsteilige Volkswirtschaft ist ein extrem fein gesponnenes, hyperkomplexes Netzwerk, das sich durch unzählige, miteinander kooperierende Produktionsstufen auszeichnet. Was der "Lockdown" letztlich anrichtet, lässt sich nicht verlässlich prognostizieren. Eine Tendenzaussage ist vielleicht: Je länger der Lockdown andauert, desto größer werden die Schäden sein.

Dass der Staat beziehungsweise seine Zentralbank die Zeche zahlen wird, ist eine Milchmädchenrechnung. Denn der Staat besorgt sich das Geld entweder per Kredit bei den Sparern (also von denen, die vom Staat dann das Geld (wieder-)bekommen sollen), oder von der Zentralbank, die für ihn neues Geld druckt. In dem Falle, in dem die Zentralbank neue Euro an die Regierung gibt, und diese es ausgibt für Lohnzahlungen und Sozialtransfers, steigt die Geldmenge. Und wenn die Produktion zurückgeht, also alles knapper wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Preisinflation anzieht - vor allem die für die Güter des täglichen Bedarfs.

Und sinkt die Kaufkraft des Euro, haben alle, die Euro halten oder in Euro sparen, die Zeche zu zahlen - und das sind die Unternehmer und Arbeitnehmer. Sie sind es, die die Kosten der "Rettung" letztlich zu bezahlen haben. Das zeigt einmal mehr, dass der Staat nur "Peter nehmen und Paul geben kann". Eine Rettungspolitik ist eine Umverteilungspolitik, die Gewinner und Verlierer schafft. Der Gedanke, mit dem Ausweiten der Geldmenge ließe sich Wachstum und Beschäftigung schaffen, ist ein großer Irrtum. Eine Ausweitung der Geldmenge bewirkt nur, dass einige gewinnen und viele verlieren.


Die große Inflation. Kommt sie?

Die Ankündigungen der Regierungen, neue Schulden in gewaltigem Ausmaß machen und die Versicherungen der Zentralbanken, Schulden "ohne Limit" aufkaufen zu wollen, muss die Frage wecken: Was bedeutet das für die Inflation? Dazu ist es sinnvoll, zunächst drei Gedanken voranzustellen. Erstens: Jede Geldmengenausweitung ist inflationär - in dem Sinne, dass sie die Güterpreise (ob nun die Preise für Konsumgüter oder Vermögensgüter) auf ein Niveau bringt, das höher ist als das, das sich ohne Geldmengenausweitung einstellt.

Zweitens: Preisinflation zeigt sich nicht nur in Konsumgüterpreissteigerungen, sondern auch in der Verteuerung von Vermögensgütern - wie Aktien, Anleihen, Häusern, Grundstücken, Kunstwerken etc. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Geldmengenvermehrung der Zentralbanken nicht so sehr die Konsumgüterpreisinflation angeheizt, sondern vor allem die Inflation der Vermögenspreise. Und drittens: Preisinflation - also der Befund, dass alle Güterpreise im Zeitablauf ansteigen - ist letztlich immer und überall ein monetäres Phänomen. Man kann auch verkürzt sagen: Ohne Geld keine Preisinflation.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Entwicklung der Geldmenge (und ihre Verwendung durch die Geldhalter) entscheidend sein wird, wohin die Rettungspolitiken der Zentralbanken führen: ob zu Preisdeflation oder zu Preisinflation. Versuchen wir, eine Zukunftseinschätzung zu entwickeln. (1) Die Ankündigung der Zentralbanken, dass Finanzsystem liquide und strauchelnde Schuldner mit neuem Geld über Wasser zu halten, wird vermutlich ihre Wirkung nicht verfehlen.

Denn die Zentralbanken können den Bankenapparat jederzeit zahlungsfähig halten. Sie können ihn auch Rekapitalisieren. Und beides führt nicht notwendigerweise zu einer Geldflut in den Händen der Unternehmen und Konsumenten, die die Inflation der Lebenshaltungsgüter in die Höhe treibt (hierzu sehe man sich Fall 1 und 2 in der nachstehenden Box an).

(2) Die Preisinflation wird hingegen unweigerlich angetrieben, wenn die Zentralbanken neue Schulden der Staaten aufkaufen und die Käufe mit neuem Geld bezahlen (siehe hierzu Fall 3 in der nachstehenden Box). Denn die Staaten werden das Geld ausgeben - für Lohnzahlungen, Sozialtransfers, Nachfrageprogramme -, und es landet auf den Konten der Unternehmer und Konsumenten, die es zur Nachfrage nach Gütern einsetzen können (und sehr wahrscheinlich auch werden). Wenn die Wirtschaft sich im "Lockdown" befindet, trifft eine steigende monetäre Nachfrage auf ein schrumpfendes Güterangebot. Steigende Güterpreise sind dann quasi unausweichlich.

(3) Könnte es nicht sein, dass die Banken ihr Kreditangebot einschränken? Dass sie fällige Kredite ihrer Kunden nicht erneuern? Das ist eine berechtigte Befürchtung. Allerdings haben die Zentralbanken dagegen schon vorgesorgt. Zum einen treiben sie durch ihre Ankündigung, de facto alle Schulden aufzukaufen und strauchelnde Schuldner mit neuem Geld zu versorgen, die Preise von allen Arten von Krediten (Firmen-, Konsumenten- oder Hypothekarkrediten) in die Höhe. Der Abschreibungsbedarf bei den Banken und damit der Eigenkapitalverlust der Banken werden auf diese Weise tendenziell abgemildert.


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