Grüne Träume
12.07.2020 | Manfred Gburek
Die Grünen bereiten sich auf die im kommenden Jahr stattfindende Bundestagswahl schon jetzt strategisch vor. Deshalb haben sie Ende Juni einen "Grundsatzprogrammentwurf" veröffentlicht, der es in sich hat. Hier sind einige von seinen besonders markanten Punkten, im zweiten Abschnitt folgt ihre Analyse und Bewertung:
"Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen. - Spekulationen müssen eingedämmt werden. - Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund reißen kann. - Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. - Das Aufkommen der Steuern aus Kapital- und Gewinneinkommen und aus großen Vermögen muss wieder erhöht werden. - Die kapitalgedeckten Säulen der Altersvorsorge sollen künftig öffentlich organisiert und verwaltet werden. - Das Privateigentum von Boden und Immobilien unterliegt einer besonderen Sozialpflichtigkeit. Deshalb sollten Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden, insbesondere in den Großstädten, wieder verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden."
Zwar handelt es sich erst um einen Programmentwurf, aber die hier zitierten Passagen dürften auf die eine oder andere Weise die Grundlage für das spätere Programm bilden und damit richtungweisend sein. Lassen wir sie also mit allen erdenklichen Alternativen Revue passieren:
Was könnte der Staat unternehmen, um mehr als nur einen Rahmen zu setzen? Er wird viel neu regulieren und so das freie Spiel der Marktkräfte weiter unterbinden. Dabei wird ihn die von der Jugend dominierte "Fridays for future"-Bewegung mit ökologisch geprägten, internationalen ESG-Vorgaben (Environment, Social, Government) kräftig unterstützen.
Um Spekulationen einzudämmen, bedarf es zunächst einer klaren Definition. Die bislang vernünftigste und am wenigsten umstrittene stammt aus dem 19. Jahrhundert ; sie definiert die Spekulation als "diejenige geistige Tätigkeit, welche aus der Erfahrung der Vergangenheit und der Beobachtung der Gegenwart einen Schluss auf die Zukunft zieht." Wenn aber sogar die deutsche Finanzaufsicht BaFin den Wirecard-Skandal verschläft, müsste eher sie und nicht die Spekulation abgeschafft werden.
Was sind gute, was sind gefährliche Banken, und wann bringen sie eine Volkswirtschaft in Gefahr? Die Aufarbeitung der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 hält nun schon zwölf Jahre an, ohne dass diese Fragen auch nur annähernd beantwortet werden konnten. Stattdessen: Deutsche Bank auf Sparkurs, Commerzbank trotz Staatsbeteiligung immer noch ein Sanierungsfall, Sparkassen und Genossenschaftsbanken in einen zähen Kampf um vielfach veraltete Geschäftsmodelle und sterbende Filialen verwickelt.
Staatsanleihen als "eine absolut sichere Geldanlage", diesen Passus sollten die Grünen, wenn sie nicht gerade ideologisch verbohrt sind, im eigenen Interesse so schnell wie möglich aus ihrem Programmentwurf streichen. Der wichtigste Grund für diesen Rat: Spätestens die Abermilliarden an neuen Staatsschulden in Kombination mit den Aussagen unseres "Wumms"-Finanzministers Olaf Scholz werden in absehbarer Zeit offenbaren, dass auf Schulden basierendes Geld über kurz oder lang wertlos wird.
Wenn es nach den Grünen geht, sollen Steuern aus Kapital- und Gewinneinkommen sowie aus großen Vermögen erhöht werden. Diese pauschale Forderung sagt allerdings nichts aus, folglich lässt sie sich nicht bewerten. Falls sie allgemein auf eine Finanztransaktionssteuer und dazu speziell auf Aktien abzielt, untergräbt sie die individuelle Altersvorsorge, ist sie also kontraproduktiv. Und was die großen Vermögen angeht: Sie sind längst über alle Berge.
Die durch Kapital gedeckte Altersvorsorge soll den Grünen zufolge "öffentlich organisiert und verwaltet werden". Das ist Staatskapitalismus. Wer ihn will, muss unangenehme Folgen in Kauf nehmen: kollektive statt individuelle Geldanlage, hohe Kosten, noch mehr Bürokratie als ohnehin schon und Umverteilung von Vermögen. Obendrein dürfte besonders die Lobby der Versicherer und der Fonds dazwischenfunken, denn beide haben ganze Pfründen zu verlieren.
Der letzte hier aufs Korn genommene Punkt im grünen Programmentwurf betrifft Renditen aus Immobilien und - gewissermaßen als Leitmotiv - die Überführung von Grund und Boden, vor allem in den Großstädten, "in öffentliches Eigentum". Das ist Populismus ohne Berücksichtigung der Folgen und weckt Erinnerungen an die DDR: Nachdem dort die meisten Gebäude marode geworden waren, kam die Vereinigung gerade noch rechtzeitig als kapitalistischer Retter vor der Abrissbirne, finanziert durch hohe Sonderabschreibungen.
Zugegeben, ein Entwurf ist noch kein Programm. Aber er ist eine Leitlinie. Die Grünen haben viele Sympathisanten, und ihr Einsatz fürs Klima ist - bei aller Kritik an der einen oder anderen übertriebenen Aktion - im internationalen Vergleich zumindest als fortschrittlich einzustufen. Doch sie haben wie beschrieben auch ihre Schwächen. Besonders von Finanzen verstehen sie offenbar kaum etwas, sonst würden sie weder Staatsanleihen zum Nonplusultra der Geldanlage erheben noch die Verstaatlichung von Grund und Boden fordern.
Die Historikerin Bettina Röhl hat die Grünen vor Kurzem in der Neuen Zürcher Zeitung so beschrieben: "Die Grünen sind heute alternativ verbürgerlicht, haben mit Robert Habeck keinen Gewalttäter, sondern einen Politromantiker an der Spitze und sind also keineswegs die Buhmänner." Mit der Anspielung auf Gewalttäter erinnert Röhl an die 70er Jahre, als der spätere Außenminister Joschka Fischer zusammen mit Komplizen seine ganze Wut an Polizisten ausließ. Das besorgen heute andere, die täglichen Krawalle zeigen es überdeutlich. Höchste Zeit, dass die Grünen sich von ihren Träumen verabschieden und auch zum Thema Gewalt endlich eine klare Meinung äußern.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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"Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen. - Spekulationen müssen eingedämmt werden. - Gute Banken sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß, werden sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank so groß sein, dass sie eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund reißen kann. - Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. - Das Aufkommen der Steuern aus Kapital- und Gewinneinkommen und aus großen Vermögen muss wieder erhöht werden. - Die kapitalgedeckten Säulen der Altersvorsorge sollen künftig öffentlich organisiert und verwaltet werden. - Das Privateigentum von Boden und Immobilien unterliegt einer besonderen Sozialpflichtigkeit. Deshalb sollten Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden, insbesondere in den Großstädten, wieder verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden."
Zwar handelt es sich erst um einen Programmentwurf, aber die hier zitierten Passagen dürften auf die eine oder andere Weise die Grundlage für das spätere Programm bilden und damit richtungweisend sein. Lassen wir sie also mit allen erdenklichen Alternativen Revue passieren:
Was könnte der Staat unternehmen, um mehr als nur einen Rahmen zu setzen? Er wird viel neu regulieren und so das freie Spiel der Marktkräfte weiter unterbinden. Dabei wird ihn die von der Jugend dominierte "Fridays for future"-Bewegung mit ökologisch geprägten, internationalen ESG-Vorgaben (Environment, Social, Government) kräftig unterstützen.
Um Spekulationen einzudämmen, bedarf es zunächst einer klaren Definition. Die bislang vernünftigste und am wenigsten umstrittene stammt aus dem 19. Jahrhundert ; sie definiert die Spekulation als "diejenige geistige Tätigkeit, welche aus der Erfahrung der Vergangenheit und der Beobachtung der Gegenwart einen Schluss auf die Zukunft zieht." Wenn aber sogar die deutsche Finanzaufsicht BaFin den Wirecard-Skandal verschläft, müsste eher sie und nicht die Spekulation abgeschafft werden.
Was sind gute, was sind gefährliche Banken, und wann bringen sie eine Volkswirtschaft in Gefahr? Die Aufarbeitung der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 hält nun schon zwölf Jahre an, ohne dass diese Fragen auch nur annähernd beantwortet werden konnten. Stattdessen: Deutsche Bank auf Sparkurs, Commerzbank trotz Staatsbeteiligung immer noch ein Sanierungsfall, Sparkassen und Genossenschaftsbanken in einen zähen Kampf um vielfach veraltete Geschäftsmodelle und sterbende Filialen verwickelt.
Staatsanleihen als "eine absolut sichere Geldanlage", diesen Passus sollten die Grünen, wenn sie nicht gerade ideologisch verbohrt sind, im eigenen Interesse so schnell wie möglich aus ihrem Programmentwurf streichen. Der wichtigste Grund für diesen Rat: Spätestens die Abermilliarden an neuen Staatsschulden in Kombination mit den Aussagen unseres "Wumms"-Finanzministers Olaf Scholz werden in absehbarer Zeit offenbaren, dass auf Schulden basierendes Geld über kurz oder lang wertlos wird.
Wenn es nach den Grünen geht, sollen Steuern aus Kapital- und Gewinneinkommen sowie aus großen Vermögen erhöht werden. Diese pauschale Forderung sagt allerdings nichts aus, folglich lässt sie sich nicht bewerten. Falls sie allgemein auf eine Finanztransaktionssteuer und dazu speziell auf Aktien abzielt, untergräbt sie die individuelle Altersvorsorge, ist sie also kontraproduktiv. Und was die großen Vermögen angeht: Sie sind längst über alle Berge.
Die durch Kapital gedeckte Altersvorsorge soll den Grünen zufolge "öffentlich organisiert und verwaltet werden". Das ist Staatskapitalismus. Wer ihn will, muss unangenehme Folgen in Kauf nehmen: kollektive statt individuelle Geldanlage, hohe Kosten, noch mehr Bürokratie als ohnehin schon und Umverteilung von Vermögen. Obendrein dürfte besonders die Lobby der Versicherer und der Fonds dazwischenfunken, denn beide haben ganze Pfründen zu verlieren.
Der letzte hier aufs Korn genommene Punkt im grünen Programmentwurf betrifft Renditen aus Immobilien und - gewissermaßen als Leitmotiv - die Überführung von Grund und Boden, vor allem in den Großstädten, "in öffentliches Eigentum". Das ist Populismus ohne Berücksichtigung der Folgen und weckt Erinnerungen an die DDR: Nachdem dort die meisten Gebäude marode geworden waren, kam die Vereinigung gerade noch rechtzeitig als kapitalistischer Retter vor der Abrissbirne, finanziert durch hohe Sonderabschreibungen.
Zugegeben, ein Entwurf ist noch kein Programm. Aber er ist eine Leitlinie. Die Grünen haben viele Sympathisanten, und ihr Einsatz fürs Klima ist - bei aller Kritik an der einen oder anderen übertriebenen Aktion - im internationalen Vergleich zumindest als fortschrittlich einzustufen. Doch sie haben wie beschrieben auch ihre Schwächen. Besonders von Finanzen verstehen sie offenbar kaum etwas, sonst würden sie weder Staatsanleihen zum Nonplusultra der Geldanlage erheben noch die Verstaatlichung von Grund und Boden fordern.
Die Historikerin Bettina Röhl hat die Grünen vor Kurzem in der Neuen Zürcher Zeitung so beschrieben: "Die Grünen sind heute alternativ verbürgerlicht, haben mit Robert Habeck keinen Gewalttäter, sondern einen Politromantiker an der Spitze und sind also keineswegs die Buhmänner." Mit der Anspielung auf Gewalttäter erinnert Röhl an die 70er Jahre, als der spätere Außenminister Joschka Fischer zusammen mit Komplizen seine ganze Wut an Polizisten ausließ. Das besorgen heute andere, die täglichen Krawalle zeigen es überdeutlich. Höchste Zeit, dass die Grünen sich von ihren Träumen verabschieden und auch zum Thema Gewalt endlich eine klare Meinung äußern.
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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