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Kritik unerwünscht

11.10.2020  |  Manfred Gburek
In Deutschland tobt gerade eine muntere Debatte um die Sprache einschließlich Sprachpolizei, um Begriffe und ihre seltsame Deutung, um Meinungsfreiheit und Gendergehabe, ja um die Wahrheit als solche. Gut so, denn endlich merken die Bundesbürger, dass es außer dem Meinungsmonopol der Alt-Achtundsechziger und der "Rock-gegen Rechts"-Veranstalter noch andere Ansichten von dieser Welt und ihren Bürgern gibt.

Nicht von ungefähr erscheinen jetzt Bücher wie "Der Staat an seinen Grenzen" von Thilo Sarrazin oder "Unerwünschte Wahrheiten" von Fritz Vahrenholt; beide Autoren haben sich um die SPD verdient gemacht, ohne dass ihre Partei ihnen dafür gebührend gedankt hätte - eher im Gegenteil. Und Ehre, wem Ehre gebührt: Bereits vor gut sechs Jahren schrieb sich der Journalist Peter Hahne mit seinem Buch "Rettet das Zigeunerschnitzel" den Frust von der eher konservativen Seele. Zwei Jahre später legte er mit "Finger weg von unserem Bargeld!" kräftig nach. Einer seiner Kernsätze dort: "Nur unter vier Augen gibt’s meist Klartext, weil der Schutz(!)polizei durch die politische Sprachpolizei Fesseln angelegt werden."

Ein Hauch davon bewegte am 5. Oktober auch die Diskutanten der ARD-Sendung "Hart aber fair": Als es darin zur Abstimmung kam, ob "Pippi Langstrumpf" wegen vermeintlichen Rassismus umgeschrieben werden sollte, gab es unter anderem Stimmen dafür. Im Vergleich zu einer solchen Art von Zensuridee wirkt die ganze Genderdiskussion (Sternchenbegriffe wie bei Angeber*in, Regisseur*in, Arbeitgeber*in und so weiter) eher lächerlich - als wenn wir über nichts Wichtigeres zu diskutieren hätten. Im Übrigen: Müssen wir demnächst auch Herr*in sagen? Oder sogar Mensch*in? Die Sprachpuristen werden es schon irgendwie richten.

Das alles ist offenbar auch ein Generationenproblem. Es basiert auf der Vorstellung, dass der Mensch "die Welt um sich nach seinen Wünschen formen kann", schrieb einst der Ökonom Friedrich August von Hayek. Er nannte diese Wunschvorstellung "verhängnisvolle Anmaßung". 1974 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Die Anmaßung ist einer Generation nach ihm zur Gewohnheit geworden. Doch wie beschrieben, regt sich gegen sie ein zunehmender Widerstand.

In den Mittelpunkt der Diskussion rückt immer wieder das Klima. Machten sich vor Ausbruch der Corona-Krise Vielfahrer noch über die "Diesellüge" und Vielflieger über die "Flugscham" lustig, so schlägt der Spaß jetzt immer mehr ins Gegenteil um. Internationale Kampagnen wie "Fridays for Future" und "Extinction Rebellion" kennen keinen Spaß, wenn es um den Umweltschutz geht. Das bekam nicht zuletzt der Kabarettist Dieter Nuhr zu spüren: Nachdem er es gewagt hatte, einige spöttische Bemerkungen über Greta Thunberg zu machen, die Ikone der "Fridays"-Bewegung, ergoss sich über ihn ein veritabler Shitstorm.

Erscheint diese Geschichte schon ernst genug, so stimmt die folgende geradezu bedenklich: Der frühere ifo-Chef Hans-Werner und Annalena Baerbock, Spitzenfrau der Grünen, diskutierten in einer Sendung unter der Regie von Markus Lanz vorwiegend sachlich über den CO2-Ausstoß, über Stromzertifikate, die Energiewende, Elektroautos und weitere Klimathemen - bis Sinn ein heißes Eisen anpackte: Angriff auf die deutsche Autoindustrie. Unter anderem gab er zu bedenken, dass die französischen Konkurrenten viel eher auf die Elektromobilität umgestiegen waren und dank ihrer Atomkraftwerke jetzt über genug preiswerten Strom verfügen, um ihre Autoindustrie nach vorn zu bringen.

Sinn ließ durchblicken, dass die deutschen Autobosse an ihrem Desaster zwar mitschuldig sind, aber dass ein Großteil der Schuld auf das Konto der Bundesregierung einschließlich ihrer Brüsseler Repräsentanten geht. Und die Energiewende? Wer sie kritisiert, gilt mindestens als Vorgestriger, wenn nicht sogar als Volksverräter. Noch weniger beliebt sind die Klimawandel-Leugner.

Doch Greta Thunberg mitsamt Gefolge wird ihnen noch so lange die Leviten lesen, bis sie gleichgeschaltet sind. Und das alles, während Wissenschaftler nach wie vor darüber streiten, ob mit Batterien angetriebene Autos unter Zuhilfenahme aller relevanten Daten, vom Rohstoffabbau bis zur Batterie-Entsorgung, wirklich ökologisch sauberer sind als Diesel oder Benziner.

Bleiben wir noch ein wenig beim Klima und zitieren wir anhand eines realen Beispiels die „Welt“ vom 22. Dezember 2019: "Die Wildtier Stiftung hat ihren Chef, den SPD-Politiker Fritz Vahrenholt, wegen klimapolitischer Aussagen geschasst. Die Organisation wollte unbedingt vermeiden, als klimaskeptisch eingestuft zu werden. Nun wenden sich Kuratoren und Spender ab."

In einer derart aufgeheizten Atmosphäre haben es die Nachfolger der Alt-Achtundsechziger verhältnismäßig leicht, mit ihren zum Teil skurrilen Ideen und allzu flotten Sprüchen für Schlagzeilen zu sorgen. Wohin das führen kann, belegt das folgende Zitat aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. Oktober:

"Rechtsradikale Einzelfälle bringen die deutsche Polizei in Misskredit. Der politischen Linken kommt das entgegen. Lange bevor Chatrooms mit rechtsextremen Inhalten entdeckt wurden, hat keine Geringere als Saskia Esken einen folgenschweren Generalverdacht ausgesprochen. Die Co-Vorsitzende der Regierungspartei SPD unterstellte den Beamten einen 'latenten Rassismus' und bekundet zugleich offen ihre Sympathie für die Antifa."

Damit schaffte es die SPD-Frau locker in die Medien, auch zur besten Sendezeit in die öffentlich-rechtlichen unter Führung von ARD und ZDF. Wie gut, dass wir - noch - in einer Demokratie leben und Rückendeckung sogar von einer Schweizer Tageszeitung erhalten.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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