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Klimapolitik und Rohstoffe - ein paar Bemerkungen

08.01.2021  |  Markus Mezger
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Stattdessen wurde ein Emissionsziel pro BIP-Einheit ausgegeben, dass einer Verbesserung der Energieeffizienz bei der Erzeugung des BIP’s entspricht. Die USA hatten sich in Paris zwar ein absolutes Emissionsziel abringen lassen, haben das Abkommen aber mittlerweile gekündigt. In den letzten Jahren wurden die Rohöl- und Erdgasförderung im eigenen Land stark ausgeweitet. Insbesondere der Zugang zu günstigem Erdgas verschafft der amerikanischen Industrie einen relativen Wettbewerbsvorteil. Beide Beispiele zeigen die vielfältigen internationalen Interessenkonflikte in der Klimapolitik auf.


Internationale Interessenkonflikte in der Klimapolitik

Ein grundsätzlicher Konflikt ist zwischen reichen Industriestaaten und wachsenden Schwellenländern, die ersteren auf dem Pfad zu hohem Wohlstand nachfolgen wollen, angelegt. Viele Menschen in den Schwellenländern wünschen sich eine höhere Mobilität durch die Anschaffung eines eigenen PKW und den Zugang zu beheizten oder bei Hitze wohltemperierten Wohnraum. Beides sind sehr energieintensive Anwendungen. Dass der Weg zu materiellem Wohlstand für den Westen mit erheblichen negativen Nebenwirkungen für Umwelt und Klima verbunden war, dafür sehen sich die Schwellenländer nicht in der Verantwortung.

Zugespitzt könnte der Vorwurf an den Westen lauten: Ihr seid durch das Verpesten der Luft reich geworden und wollt jetzt auf einem hohen Niveau weiterleben, aber uns wollt ihr verwehren, auch nur einen Bruchteil eures Wohlstandsniveau zu erreichen. Das stärkste Wohlstands- und Wirtschaftswachstum verzeichnen derzeit die Schwellenländer in Asien. In China weiß die kommunistische Führung, dass soziale Unruhen oft dann ausbrechen, wenn die politische Oppression nicht mehr durch materiellen Erfolg zugekleistert werden kann. Und auch Indien hat in Paris lediglich einem relativen Emissionsziel zugestimmt.

Ein weiteres Konfliktfeld liegt in der internationalen Arbeitsteilung, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Die reichen Volkswirtschaften haben sich zunehmend in Dienstleistungsgesellschaften verwandelt, indem ein guter Teil der industriellen Produktion aus Kostengründen in Billiglohnländer verlagert wurde. Dort fallen auch die dazu gehörenden Treibhausgasemissionen an, während ein guter Teil des Gewinns den Unternehmen zukommt, deren Heimatländer dann nach außen hin mit weißer Weste dastehen.

Ein Beispiel sind Elektrofahrzeuge, die aufgrund der energieintensiven Herstellung der Batterie in der Fahrzeugproduktion höhere CO2-Emissionen aufweisen, als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Da die Batterien überwiegend in China gefertigt werden, hat China eine schlechtere und die EU eine bessere Klimabilanz als bei Autos mit Verbrennungsmotor, die vollständig in der EU gefertigt werden. Dem Klima helfen derartige Rechnereien nicht.

Eine starke Interessensdivergenz besteht auch zwischen Exporteuren und Importeuren von fossilen Brennstoffen. In Westeuropa werden, sieht man einmal von Kohle ab, praktisch kaum fossile Brennstoffe abgebaut. Da lassen sich leicht Klimastrategien entwickeln, die den Verzicht auf fossile Brennstoffe vorsehen. Bei den großen Rohölexporteuren sieht das schon anders aus. Staatseinnahmen und Wohlstand hängen bei Ländern wie Saudi-Arabien zu einem guten Teil an den Preisen für Rohöl und Erdgas. Sollte ein Teil der Nachfrage in der EU aufgrund von Klimaüberlegungen wegfallen, so werden die Preise für Rohöl und Erdgas kurzfristig fallen.

So lange bis andere Nettoimporteure, die sich wie z. B. China weniger restriktiven Regelungen unterworfen haben, zugreifen. Langfristig wäre es durchaus denkbar, dass es zu gewaltsamen politischen Umwälzungen kommt, wenn der Wohlstand bei den Rohölexporteuren dauerhaft zurückgeht. Das wären dann die ersten Kriege, die nicht wegen dem Zugang zu-, sondern wegen des Absatzes von Rohöl geführt werden.

Alle drei genannten Konfliktlinien lassen sich gut an dem Verlauf der C02-Emissionen pro Kopf zwischen 1990 und 2018 darstellen. Auf der einen Seite stehen die reichen Industrieregionen USA, EU oder Japan. Sie haben bereits ein hohes Wohlstandsniveau erreicht. Ihre Wirtschaftsleistung pro Kopf wächst noch, aber längst nicht in demselben Maße wie in den asiatischen Schwellenländern. Im Jahr 2018 lag das (nominale) BIP pro Kopf in diesen Ländern um den Faktor 2 bis 3 höher als im Jahr 1990. In China war das BIP pro Kopf im Jahr 2018 18 mal so hoch wie im Jahr 1990, in Indien immerhin noch mehr als 6 mal so hoch.

Aufgrund dieses starken Wirtschaftswachstums ist auch der CO2-Ausstoß pro Kopf in beiden Ländern deutlich angestiegen, wohingegen er in den USA und der EU im Jahr 2018 unter dem Wert des Jahres 1990 lag. Hier spiegelt sich eine verbesserte Energieeffizienz im Zuge des Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft wider. Eine Sonderrolle nehmen die Rohölexporteure Rußland, Saudi-Arabien und Kuwait ein.

Das BIP pro Kopf wächst dort weniger dynamisch als das in den USA oder der EU. Im Gegensatz zu diesen sind ihre CO2-Emissionen pro Kopf aber gewachsen. Ihre Anreize, die Energieintensität des BIP’s zu reduzierend sind gering, da sie an der Quelle sitzen. Kuwait und Saudi-Arabien zählen aufgrund des Ölreichtums zu den Ländern mit dem höchsten BIP pro Kopf.

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Quelle: EDGAR (Emission Database for Global Atmospheric Research), booklet 2019, eig. Darstellung


Eine letzte Interessensdivergenz sei noch angesprochen, deren explizite Nennung bei manchen Leuten einen (wohlkalkulierten) Aufschrei der Empörung provozieren wird. Dabei handelt es sich um die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen, die im Wettbewerb zueinander stehen. Konkret gemeint ist die Diskreditierung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in der EU. Diese müssen immer strengere Vorgaben bezüglich ihres CO2-Ausstoßes erfüllen, während Elektroautos in der EU grundsätzlich mit Null-Emission eingestuft werden.

Die höheren Schadstoffemissionen bei der Erzeugung der Batterie bleiben ebenso unberücksichtigt wie der CO2-Ausstoß durch den Stromverbrauch im Laufbetrieb. Dieser hängt natürlich von dem Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung ab, er ist aber im Regelfall nicht Null. Wenn Politiker öffentlich ein Verbot von PKW mit Verbrennungsmotor fordern, so ist das ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in den privaten Wettbewerb.

Stellt man gleichzeitig fest, dass die Autobauer in einem Land einen Wettbewerbsvorteil bei Verbrennungsmotoren genießen und die Weiterentwicklung der Motoren mit synthetischen Kraftstoffen durchaus eine der möglichen Lösungen der Emissionsproblematik wäre, dann bekommen diese Forderungen sogar etwas extrem Anrüchiges.

Es liegt im Interesse eines amerikanischen Autobauers, der sich auf die Erzeugung von Elektrofahrzeugen spezialisiert hat, oder im Interesse eines europäischen Automobilunternehmens, das viele Kleinwagen u. a. mit Elektroantrieb im Portfolio führt, unter dem Vorwand der Klimapolitik das Verbot von Verbrennern zu fordern. Natürlich nicht explizit. Man müßte lediglich sicherstellen, dass diejenigen, die das tun, immer mit genügend Geld und Ideen versorgt werden, um den „gerechten“ Kampf gegen die Klimaerwärmung und „rückständige“ Automobilkonzerne zu führen.


Gegenwärtige Trends in der Energienachfrage

Wie lassen in diesem Umfeld divergenter Interessen überhaupt Fortschritte in der Klimapolitik erzielen? Welche Stellschrauben gibt es? Dazu muß man sich zunächst einmal die Zahlen zu Energieangebot und Energieverbrauch ansehen. Es gibt im Wesentlichen drei Institutionen, die seit vielen Jahren die Entwicklungstrends im Energiesektor analysieren und eine Prognose für die jeweils nächsten 30 Jahre wagen: Das US-Energieministerium (US Energy Information & Administration = EIA), die Internationale Energieagentur (IEA) und der in Privatbesitz befindliche Ölkonzern British Petroleum (BP). Die künftige Energienachfrage hängt natürlich von vielen Parametern ab.

Da ist zum ersten das Wirtschaftswachstum, das maßgeblich durch die Demographie bestimmt ist. Aber auch andere Variablen wie Nachholeffekte aufgrund eines niedrigen Einkommensniveaus oder exogene Schocks wie die COVID-19 Pandemie spielen hier eine Rolle. Zweitens ist der technologische Fortschritt im Energie- und Industriesektor anzuführen. Typische Beispiele sind eine reduzierte Heiznachfrage durch Wärmebedingungen oder ein geringerer Kraftstoffverbrauch bei PKW.

Die dritte Variable der Energienachfrage sind die Energiepreise selbst. Höhere Preise führen zu Verbrauchseinschränkungen und verstärkten Anstrengungen zu einem technologischen Wandel im Energiesektor. Und als letzte Unbekannte ist schließlich die Politik selbst zu nennen, die auf regulativem Wege Verbrauchseinschränkungen herbeiführen kann.

Es macht daher Sinn zunächst einmal von einem mittleren Szenario als Referenzgröße auszugehen. Im Falle von BP ist dies das "Business as Usual" Szenario. Aus untenstehender Grafik ist klar zu erkennen, dass die Energienachfrage in den Regionen Nord- und Südamerika, Europa sowie GUS und Mittlerer Osten in den nächsten drei Jahrzehnten kaum wachsen dürfte.


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