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Korruption der Währung und Entzivilisierung: Lektionen aus dem Niedergang des Römischen Reichs

12.11.2021  |  Claudio Grass
Der Aufstieg und Niedergang des Römischen Reichs ist wohl eines der am meisten behandelten, studierten und theoretisierten Themen der akademischen Welt. Hitzige Debatten unter Historikern, Soziologen und Politikwissenschaftlern dazu dauern seit hunderten von Jahren an. Die für die Ursachen und Umstände, die zum Ende dieser Ära der Menschheitsgeschichte führten, vorgebrachten Erklärungen fokussieren sich zumeist auf geopolitische Faktoren, gesellschaftliche Veränderungen innerhalb des Reichs und folgenreiche politische Veränderungen, die die Art seines Regierungssystems veränderten.

Während all diese Entwicklungen zwar sicherlich wichtig waren und zum Niedergang Roms beitrugen, gab es einen weiteren bedeutsamen Wandel, der wohl all dies auslöste, begünstigte und förderte. Ein Faktor, der wenig diskutiert wird und dessen Einfluss von modernen Akademikern weitreichend unterschätzt wird.

Wenn man tatsächlich das große Ganze betrachtet und die Geschichte des Imperiums objektiv betrachtet, dann wird klar, dass der erste fallende Dominostein das Geld war. Die Manipulation und Abwertung der Währung war die Wurzel allen Übels, ermöglichte den fiskalpolitischen Suizid, beschleunigte den wirtschaftlichen Zusammenbruch und ebnete den Weg für die soziopolitische Unterdrückung. Und wenn wir die Ereignisabfolge aus diesem Blickwinkel betrachten, dann vermittelt der Niedergang des Römischen Reichs heutzutage noch deutlich mehr Lektionen und ernste Warnungen als viele vielleicht angenommen haben.


Unzuverlässiges Geld und brüchige Gesellschaft

Der Ursprung dieser historischen Veränderung kann bis Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. und weit ins 3. Jahrhundert n. Chr. hinein zurückverfolgt werden, eine Zeit, die von römischen Historikern als die "Krise des 3. Jahrhunderts" bezeichnet wird. Während dieser Zeit erschütterten gesellschaftliche und politische Unruhen das Reich bis in die Grundfeste und hatten den Bedarf an höheren Ausgaben für Militär und Öffentlichkeit zur Folge, was die grundlegenden Strukturen, Werte und Institutionen für immer verändern sollte.

Wie Professor Joseph Peden in seinem Vortrag "Inflation und der Niedergang des Römischen Reichs" hervorhob: "Das grundlegende Münzgeld des Römischen Reichs zu dieser Zeit - wir sprechen jetzt von etwa 211 n. Chr. - war der Silberdenar, der Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. von Augustus mit etwa 95% Silbergehalt eingeführt wurde. Der Denar blieb über den Großteil zweier Jahrhunderte das Hauptzahlungsmittel innerhalb des Reichs. 117 n. Chr., als Trajans Kaiserzeit endete, bestand der Silberdenar nur noch zu etwa 85% aus Silber, ein Rückgang von Augustus' 95%. Zum Ende der Herrschaft von Marcus Aurelius, 180 n. Chr., bestand er nur noch zu etwa 75% aus Silber.

Zu Septimius' Zeit war der Silbergehalt auf 60% gefallen und Caracalla setzte ihn auf 50% fest... Gleiches tat Caracalla bei den Goldmünzen. Unter Augustus zirkulierten diese zu 45 Münzen für ein Pfund Gold. Caracalla erhöhte dies auf 50 Münzen für ein Pfund Gold. Innerhalb von 20 Jahren nach seiner Herrschaft zirkulierten sie mit 72 Münzen für ein Pfund Gold und wurden dann Ende des Jahrhunderts von Diokletian auf 60 reduziert, um dann von Konstantin erneut auf 72 erhöht zu werden. Also wurden selbst die Goldmünzen inflationiert - abgewertet.

Doch die echte Krise fand nach Caracalla statt, zwischen 285 und 275, in einer Zeit heftigen Bürgerkriegs und feindlicher Invasionen. Die Kaiser gaben das Silbermünzgeld für den praktischen Gebrauch einfach auf. Im Jahr 268 bestand der Denar nur noch zu 0,5% aus Silber."

Es braucht keinen Volkswirtschaftler um zu prognostizieren, was als nächstes geschah: Eine inflationäre Welle erfasste die Wirtschaft des Reichs und die Preise schossen auf fast 1.000%. Handel und landwirtschaftliche Produktion wurden von den galoppierenden Preisen stark getroffen und diese Krise führte bald darauf zu umfassenden Spannungen innerhalb der Bevölkerung.

Die Zentralbanker dieser Zeit, ähnlich wie ihre heutigen Kollegen, glaubten, man könnte die grundlegenden Wirtschaftsgesetze durch Erlasse und rohe Gewalt kontrollieren und verbiegen. Man führte Preiskontrollen ein, die vorhersehbarerweise nur zu einem riesigen Schwarzmarkt, oder schlimmer noch, zu drastischen und desaströsen Streueffekten innerhalb der grundlegenden Marktdynamiken führten. Anstatt die Sektoren zu retten, die sie bereits mithilfe ihrer politischen Maßnahmen ausgebeutet hatten, verschlimmerten die Zentralbanker, genau wie heute auch, die Krise weiter durch "mehr desselben."

Preisfestlegung führte zu perversen Anreizen und Praktiken wie dem Horten, und je länger der Staat auf die Verwendung von Nötigung und Gewalt bestand, um die natürlichen Marktdynamiken zu "zähmen", desto größer wurde die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage, was zu größeren Knappheiten, noch höheren Preisen und letztlich einer noch ernsteren Bedrohung durch soziale Unruhen führte.

Die Verzweiflung des Staats manifestierte sich außerdem in Steuererhöhungen, die irgendwann so massiv wurden, dass sie an Enteignung grenzten. Landbesitzer wurden praktisch dazu gezwungen, ihr Land aufzugeben und das Management ihrer Besitztümer in die Hand der politische Spießgesellen zu legen. Leichtsinnige Ausgaben, vor allem für das Militär, und noch aggressivere Marktinterventionen folgten rasch; das stellte eine scharfe, historische Wende für ein Reich dar, das in Bezug auf freiwillige Transaktionen bis dahin relativ laissez-faire gewesen war.

Mehr und mehr begann die Natur des Staats unseren modernen, politischen Institutionen zu gleichen, während sich die Macht und direkte Kontrolle über die Leben der Bürger immer mehr an der Spitze der Pyramide konzentrierte und die Zahl der von Steuerzahlern finanzierten Arbeitsplätze in die Höhe schoss. Bürokratie, Verschwendung und Korruption standen an der Tagesordnung, die wir heute noch immer im Herzen der westlichen Politik erkennen.

Und dennoch kann angenommen werden, dass die meisten Bürger zu dieser Zeit, ähnlich wie heute auch, nicht in der Lage waren, die Verbindung zwischen dem, was ihre Gesellschaft und Wirtschaft heimsuchte, und der Korruption ihrer Währung zu erkennen. So wie die Mehrheit der in Industrieländern lebenden Menschen heute konzentrierten sie sich auf das Falsche: Auf politische Feinde, aus- und inländisch, real oder ausgedacht, sowie auf kurzfristige, politische Veränderungen oder kurzsichtige Meinungsverschiedenheiten, anstatt zu versuchen, das wirkliche Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung zu identifizieren, das Wurzel ihres sozioökonomischen Niedergangs war.

Im zweiten Teil werfen wir einen Blick auf die Phasen und Ursachen des Rückgangs einer gesunden und lebendigen Gesellschaft hin zum Welfarismus und der Stagnation. Außerdem werden wir die Parallelen und Lektionen betrachten, die uns der Niedergang Roms heute aufzeigen kann.



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