Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Exkurs: Die Coronavirus-Verbreitung folgt keinem "exponentiellen Wachstum"

05.12.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das Bundesverfassungsgericht hat am 30. November 2021 entschieden, dass der politisch diktierte Lockdown, die sogenannte »Bundesnotbremse«, verfassungskonform gewesen sei. Die obersten Richter schrieben u. a. in ihrer Urteilsverkündung:

"Oberstes Ziel war es, die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen sowie deren exponentielles Wachstum zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems insgesamt zu vermeiden und die medizinische Versorgung bundesweit sicherzustellen."

Die Richter sprechen von einem "exponentiellem Wachstum" bei der Ausbreitung des Coronavirus, und das macht den Leser doch sehr stutzig: Diese Worte offenbart eine grobe Fehleinschätzung. Um das zu erkennen, ist ein kurzer Blick in die mathematische Funktionslehre an dieser Stelle hilfreich.

Da gibt es zunächst die Potenzfunktion wie zum Beispiel in der Form: y = x². Hier steht die Veränderliche (die Variable) x in der Basis; y ist die Abhängige. Bei der Exponentialfunktion steht die Variable im Exponenten, also beispielsweise in der Form: y = 2x. Die nachstehende Graphik zeigt beispielhaft die Verläufe der Potential- und Exponentialfunktion.

Open in new window
Quelle: Eigene Berechnungen.


Doch ist es sinnvoll beziehungsweise angemessen, das Infektionsgeschehen des Coronavirus als "exponentielles Wachstum" zu bezeichnen? In der Biologie und Medizin werden häufig zur Beschreibung von Prozessen sogenannte logistische Funktionen verwendet. Ein Anwendungsfall ist die Verbreitung von Infektionskrankheiten, bei der anschließend die Menschen eine permanente Immunität entwickeln, also im Zeitablauf eine abnehmende Anzahl von Personen übrig ist, die für die Infektionskrankheit anfällig bleibt. Diese Funktionen weisen (idealtypisch) einen S-förmigen Verlauf auf. Ein dafür Beispiel ist die Sigmoid-Funktion. Sie ist nachstehend abgebildet.

Open in new window
Quelle: Eigene Berechnungen. Gestrichelte Linie: Erste Ableitung der Sigmoid-Funktion.


Nehmen wir das Beispiel einer Infektionskrankheit. Anfänglich ist der Zuwachs der Infizierten/Erkrankten noch klein, nimmt dann zu und findet im Wendepunkt der Funktion seinen Höchststand, danach nimmt die Zuwachsrate wieder ab und steigt irgendwann gar nicht mehr. Sieht ein solcher Funktionsverlauf nicht viel weniger "bedrohlich" aus als der Verlauf einer "exponentiellen Funktion", die ja kein Ende zu nehmen scheint? Die Karlsruher Richter hätten ihre Worte umsichtiger wählen sollen; die Ausbreitung des Coronavirus folgt keinem exponentiellen Wachstumspfad.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"