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Warum noch arbeiten?

20.02.2022  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Marx lehrte noch, allein die Arbeit sei produktiv. Deshalb müsse der Ertrag dieses Produzierens allein den Arbeitern zugutekommen.

Die Theorie war dreifach falsch:

1. Nicht nur Arbeit, sondern auch Kapital und Boden können produktiv sein, haben Produktivitätsertrag und sind anteilig am Mehrwert der Produktion beteiligt.

2. Die Machtverhältnisse im Arbeitsmarkt haben sich durch Gewerkschaften und Arbeitsgesetzgebung vom Anbieter- zum Nachfragermarkt verändert (und damit der von Marx vorausgesagten Verelendung entgegengewirkt).

3. Nicht jede Arbeit ist produktiv. Manche Arbeit ist nur gering oder unproduktiv (z.B. große Teile der Sozialindustrie, der Umwelt- und Ordnungsverwaltung). Der Trend moderner Volkswirtschaften zu geringerer Produktion und überproportional gesteigerter Dienstleistung hat somit die Arbeit zwar angenehmer gemacht, aber unproduktiver.

Der von Marx und seinen Nachfolgern behauptete Klassenkampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war eigentlich ein Randproblem, betraf nämlich zumeist die Kapitalgesellschaften, also nicht einmal 4% unserer Unternehmen. Und bei ihnen auch nur die großen Kapitalgesellschaften, also nicht einmal 3.000 vom Großkapital beherrschte Unternehmen.

96% unserer Unternehmen sind vom Inhaber selbst geführte mittelständische Betriebe, in denen kein Gegensatz zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern besteht, sondern bestes Einvernehmen, weil sie jeden Tag miteinander arbeiten, aufeinander angewiesen sind und jeder die Leistung des anderen - auch des Unternehmers - kennt. Die Mitarbeiter in mittelständischen Unternehmen fühlen sich auch Umfragen entsprechend in ihrer Arbeit mehr geschätzt und in ihrer Person mehr gewertet als Mitarbeiter in Kapitalgesellschaften oder in öffentlichen Institutionen ¹.

Diese Harmonie in mittelständischen Unternehmen hat allerdings oft dazu geführt, dass die Mitarbeiter dort geringer bezahlt werden als in den großen Kapitalgesellschaften oder öffentlichen Institutionen. Das hängt wiederum vor allem damit zusammen, dass nur in der mittelständischen Wirtschaft wirkliche Konkurrenz herrscht und deshalb nur in diesen Sektoren Preisdruck Kosten- und damit Lohnerhöhungen verhindert.

Das lässt sich am besten an den Reparaturpreisen und Löhnen darstellen:
  • Die großen Firmen berechnen bei der Reparatur von Autos oder häuslichen technischen Geräten o.a. Stundenlöhne von 120,- bis 150,- Euro. Ein Tischlermeister, ein Elektriker oder ein Installateur dagegen kann im Markt nur Reparaturpreise von 35,- (Ost) bis 60,- Euro durchsetzen, weil zu viele Konkurrenten billiger sind und den Kunden die Fenster-, Elektroleitungs- oder Waschgarniturreparatur nicht mehr wert ist.

    Viele Preise von Handwerksreparaturen werden inzwischen auch durch Neupreise der Produkte limitiert. So sind inzwischen für den Verbraucher die Konzernpreise für Reparaturen zu teuer, dagegen die Handwerkspreise für Reparaturen so billig geworden, dass sie für die Betriebe wegen der noch hinzukommenden Betriebs- und Bürokratiekosten meistens nicht mehr lohnen, der Betrieb Kleinreparaturen nicht mehr kostendeckend anbieten kann.

    Wenn der Handwerksmeister einen Bruttostundenlohn von 60,- Euro in Rechnung stellen würde, entfallen darauf mehr als 10,- Euro betriebliche Bürokratiekosten (Rechnung, Abrechnung, Sozialkassen, öffentliche Verwaltung).

    Von den verbleibenden 50,- Euro gehen 24.- Euro als Abzüge an die Sozialkassen, von denen weder der Betrieb noch der Mitarbeiter selbst direkt etwas hat.

    Die verbleibenden 26,- Euro werden mit mindestens 23 % versteuert, bleiben also nur 20,- Euro.

    Von diesen 20,- Euro gehen aber noch die Kosten für Fehlzeiten wie Urlaub, Krankheit o.a. des Mitarbeiters ab. Wenn der Betrieb auch nur den Mindestlohn von 12,- Euro an den Mitarbeiter zahlen will, blieben für den Betriebserhalt und den Unternehmergewinn nur noch 3,- Euro übrig.

    Kein Wunder, wenn für die deutschen Kunden deutsche Reparaturhandwerker nur noch schwer zu bekommen sind, die Konzerne sich durch Ausländerkolonnen ihren Reparaturdienst abdecken und viele Konsumenten für Kleinreparaturen „Bekannte“ ohne Rechnung suchen.

  • Der durchschnittliche Bruttolohn liegt bei ca. 3.500,- Euro ². Da aber der Betrieb nicht nur Lohn, sondern auch das Anlagekapital und darüber hinaus Zusatzsozialkosten für seine Mitarbeiter zahlen muss - etwa den Arbeitgeberanteil für die Sozialkosten, die vollen Beiträge an Berufsgenossenschaften sowie betriebsinterne Arbeitszusatzkosten des Arbeitsschutzes, des Urlaubs, der Fehlzeiten, der Sozialbürokratie u.a., der Ausstattung des Arbeitsplatzes und der betrieblichen Overheadkosten -, liegen die betrieblichen Gesamtkosten eines Mitarbeiters, der selbst nur 3.500,- Euro brutto verdient, bei monatlich etwa 6.000,- Euro für den Betrieb.

    "Der Arbeitnehmer selbst bekommt von seinem Bruttolohn zu wenig, er kostet aber den Betrieb zu viel. Beim Arbeitnehmer kommt nämlich nur ein Rinnsal von nicht einmal einem Drittel der Kosten an, die der Betrieb durch diesen Mitarbeiter insgesamt stemmen muss. Die Steuern- und Sozialabgaben und Lohnzusatzkosten sind in Deutschland höher als anderswo in der Welt und haben deshalb den deutschen Arbeitsplatz zu teuer gemacht, so dass die Konzerne mit ihren Arbeitsplätzen flüchten und mehr als 10 Mio. Menschen sich durch Schwarzarbeit um diese Zusatzkosten jährlich zu drücken versuchen" ³.

  • Dass beim Mitarbeiter selbst so wenig Netto ankommt, hat das Mittelstandsinstitut immer wieder mit konkreten Beispielen nachgewiesen. Im Schnitt bleiben dem Unverheirateten nur 53 bis 55% seines Bruttolohns netto ⁴.
    So erklärt sich auch, weshalb mehr als eine Million Langzeitarbeitslose "Hartz-IV plus Schwarzarbeit" statt eines abgabepflichtigen Arbeitsplatzes bevorzugen und die meisten Immigranten nicht aus der Hartz-IV-Rundumversorgung in gering bezahlte Arbeit drängen.


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