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Inflation als Suchtphänomen. Über die Folgen des Inflationismus

01.05.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Inflationismus ist auf dem Vormarsch. Man istdaher gut beraten, seine Ersparnisse nicht dem ungedecktenGeld anzuvertrauen, weil die Wahrscheinlichkeitgroß ist, dass seine Kaufkraft unterdie Räder gerät.

Es gibt drei Typen von Inflationsbefürwortern, von sogenannten "Inflationisten". Der erste Inflationisten-Typus meint in naiver Weise, dass man mit dem Ausweiten der Geldmenge die Volkswirtschaft reicher machen kann. Schließlich stelle Geld Vermögen dar, und mehr Geld schade der Kaufkraft des Geldes nicht. Der zweite Inflationisten-Typus weiß zwar, dass die Vermehrung der Geldmenge die Güterpreise in die Höhe treibt, also die Kaufkraft der Geldeinheit herabsetzt. Aber in seinen Augen ist Inflation lohnend, weil sie Produktion und Beschäftigung beflügelt.

Der dritte Inflationisten-Typus ist sich sehr wohl bewusst, dass die Güterpreisinflation, herbeigeführt durch Geldmengenvermehrung, große volkswirtschaftliche Kosten nach sich zieht. Doch für ihn gibt es "höhere Ziele", die eine Inflation rechtfertigen: Inflation sei zwar ein Übel, jedoch ein zu akzeptierendes Übel, um ein noch größeres Übel abzuwehren.

Der dritte Inflationisten-Typus erobert in Ausnahmesituationen häufig die öffentliche Meinungshoheit - wenn Krieg herrscht, in Finanz- und Wirtschaftskrisenzeiten. Wenn es zum Beispiel gilt, die staatliche Kriegsführung zu finanzieren, dann erscheint es für ihn vertretbar, ja unvermeidbar, dass die Zentralbank die Geldmenge stark, mitunter auch extrem stark, ausweitet, um die Kasse des Staates zu füllen.

In ganz ähnlicher Weise wird in Situationen verfahren, in denen eine große Wirtschaftsrezession verhindert und Banken vor dem Zahlungsausfall bewahrt werden sollen: Auch hier wird die Inflationspolitik in Form der Geldmengenausweitung als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels angesehen. Die leidvolle Währungsgeschichte ist voll von solchen Beispielen.

Eines der dunkelsten stammt aus der Weimarer Republik. Ab 1918 wurde immer maßloser inflationiert, um Staat und marode Staatsbetriebe vor der Zahlungsunfähigkeit zu schützen und die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten. Nach der Besetzung des Ruhrgebietes Ende 1922 und Anfang 1923 eskalierte die Inflationspolitik dann jedoch. Reichskanzler Wilhelm Cuno (1876–1933) verkündete den "passiven Widerstand". Dabei handelte es sich im Grunde um einen "Lockdown":

Die Arbeiter und Beamte sollten zuhause bleiben, ihre Einkommen würden mit neu gedrucktem Papiergeld bezahlt. Letztendlich kam es dadurch zur Hyperinflation: Die Steigerungen der Geldmenge und der Güterpreise wurden astronomisch, die Menschen verloren das Vertrauen in die Papiermark, sie wurde de facto wertlos und letztlich durch die Rentenmark ersetzt.

Zum dritten Inflationisten-Typus sind damals wie heute auch diejenigen zu zählen, die die Inflation zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft einzusetzen gedenken.

Inflation kann nämlich auch revolutionären Zwecken dienen. Gibt eine Regierung chronisch mehr aus, als sie durch offene Besteuerung einnimmt und deckt sie ihr Defizit durch die Ausgabe von neuem Geld, so wandelt sie bereits auf den Pfaden eines "verheimlichten Absolutismus", maßt sich mehr und mehr Macht an, als ihr von den Bürgern durch die zähneknirschend akzeptierte offene Besteuerung zugewiesen wird. Hinzu kommt, dass schon eine moderate Inflation die breite Bevölkerung wirtschaftlich und finanziell schädigt, viele früher oder später zu Bedürftigen staatlicher Almosen degradiert; die Inflation treibt sie dem Staat in die Arme.

Aus dem Zusammenspiel des dritten Inflationisten-Typus - der sich zweifellos im Vormarsch befindet - mit der "grünen Politik" entsteht eine besonders heikle Mischung. Die politisch herbeigeführte Verteuerung und Verknappung der fossilen Energieträger verursacht in den Volkswirtschaften einen "negativen Preisschock": Die Güterproduktion verteuert sich, einigen Industrien droht vielleicht das Aus, die realen Einkommen der Konsumenten sinken durch Arbeitsplatzverluste und steigende Lebenshaltungskosten.

Anders gesagt: Die grüne Politik stellt die Weichen auf weniger Wirtschaftswachstum, wenn nicht gar auf einen Rückbau des materiellen Wohlstands. Die Folgen des Ukraine-Russland-Krieges verschärfen diese Entwicklung aktuell und vermutlich auch dauerhaft.

Wie reagieren die Staaten auf Unterstützungsforderungen seitens privater Haushalte, die über steigende Lebenshaltungskosten, verteuerte Öl- und Gaspreise klagen? Was wird man tun, wenn die Energiepreisverteuerung droht, Firmen in den Konkurs zu treiben und Arbeitsplätze zu zerstören? Was machen die Politiker, wenn die Steuereinnahmen schwinden?

Wenn in der Inflation die Politik des vergleichbar kleinsten Übels erblickt wird, dann ist die Antwort absehbar: Die Geldmenge wird immer weiter ausgedehnt, um die entstandenen Schäden tunlichst zu übertünchen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der problemlose Geld- und Kreditfluss in den Volkswirtschaften in Gang gehalten, dass mit Zustimmung vieler Menschen die Scheinprosperität nicht entzaubert wird. Der Inflationismus sorgt für so etwas wie Inflationssucht.

Die Konsequenz ist eine hohe und weiter steigende Güterpreisinflation. Doch bekanntlich lässt sich eine Inflationspolitik nur durchführen, wenn die Menschen "stillhalten", wenn sie nicht erkennen, dass die Politik zum Ziel hat, die Kaufkraft des Geldes herabzusetzen.

Wenn sie aber einsieht, was tatsächlich gespielt wird, dann kann die Inflation nicht mehr das bewirken, was ihre Verursacher sich von ihr erhoffen: dass immer mehr Ressourcen der Privatwirtschaft quasi still und heimlich an die Regierung und die von ihr begünstigten Sondergruppen übertragen werden, dass das Vertrauen in das ungedeckte Papiergeldsystem erhalten bleibt und dass die vollumfänglichen Kosten des politisch initiierten Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Dass die Güterpreisinflation dies- und jenseits des Atlantiks schon jetzt sehr hoch ist, und dass die Zentralbanken dennoch nur verhaltene oder so gut wie keine Anstalten machen, die Zinsen zu erhöhen und das Geldmengenwachstum abzubremsen, lässt befürchten, dass das Inflationsproblem erst noch größer und länger andauern wird, als es vielen Menschen lieb sein kann.

Vermutlich muss die breite Bevölkerung erst die Erfahrung machen, wie teuer eine erhöhte Inflation die Volkswirtschaften zu stehen kommt, ehe man überhaupt mit einer Entschärfung des Inflationsproblems rechnen kann. Allerdings ist Besserung auch dann nicht garantiert. Denn es besteht die Gefahr, dass die Inflation, wenn sie nicht rasch gestoppt wird, die wenigen verbliebenen Reste des freien Markt- und Gesellschaftssystems auch noch unterpflügt.

Demagogen haben es in Inflationszeiten leicht, das freie Marktsystem als Ursache der Missstände zu diskreditieren und Zustimmung zu kollektivistisch-sozialistischen Heilsversprechungen zu erwirken. Sie sagen, Preiskontrollen seien erforderlich, um gierige Verkäufer und Firmen in die Schranken zu weisen; höhere Steuern müssten her, um für soziale Gerechtigkeit zu sorgen; Spekulanten und Schieber müsste durch Strafandrohung das Handwerk gelegt werden und so weiter.

Welche konkrete wirtschaftliche-gesellschaftliche Wendung der Inflationismus letztlich herbeiführen mag und ob sich dagegen vielleicht doch noch eine wirksame Gegenentwicklung aufbaut oder nicht: Man ist gut beraten, seine Ersparnisse nicht dem ungedeckten Geld anzuvertrauen, weil die Wahrscheinlichkeit doch ziemlich groß ist, dass die Kaufkraft des Geldes unter die Räder gerät.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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