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Der perfekte Sturm

13.05.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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So jedenfalls ist die Erwartung auf den Finanzmärkten. Doch ist das realistisch oder eher Wunschdenken? Nun, nur weil die Weltwirtschaft ein ernstes Inflationsproblem hat, heißt das leider noch nicht zwangsläufig, dass die Zentralbanken, die das Inflationsproblem (mit-)verursacht haben, es auch bald wieder aus der Welt schaffen werden. Dazu einige Erläuterungen.

Die politisch diktierte Lockdown-Krise hat die Knappheit in den internationalen Gütermärkten verstärkt. Hinzu kommt die "grüne Politik", die die Preise für Energie drastisch verteuert. Zudem heben natürlich auch die Folgen des Ukraine-Krieges ebenfalls die Güterpreise an. Insgesamt stellt sich ein "negativer Preisschock" ein. Dass daraus jedoch Inflation erwächst - also ein dauerhaftes Ansteigen aller Güterpreise auf breiter Front -, liegt an der enormen Geldmengenvermehrung durch die Zentralbanken.

So hat die Fed die Dollar-Geldmenge M2 seit Ende 2019 bis heute um 43 Prozent erhöht, die EZB die Geldmenge M3 um 21 Prozent. Ein gewaltiger "Geldmengenüberhang" trifft nun auf den negativen Preisschock und setzt einen Inflationsprozess in Gang.

Der Inflationsdruck, der "noch in der Pipeline steckt", ist zinspolitisch kaum mehr zu entschärfen. Die Aussichten, dass die Inflation in den kommenden Jahren auf die bisher gewohnte 2-Prozentmarke zukehren wird, ist daher denkbar gering. Bestenfalls ist zu hoffen, dass die Zentralbanken die Zinsen stark anheben, dass das Kredit- und Geldmengenwachstum abnimmt, und dass auf diese Weise die Inflation in der ferneren Zukunft verringert wird. Doch werden die Zentralbankräte sich von ihrer Inflationspolitik abkehren?


Anmerkungen zur Inflation

(1) Ursprünglich bezeichneten die Ökonomen das Ansteigen der Geldmenge als Inflation ("Geldmengeninflation"), und die Folge der Geldmengenausweitung war die "Güterpreisinflation". Geldmengeninflation wurde also Ursache der Güterpreisinflation gesehen, und Güterpreisinflation war deren Folge. Heute ist das anders. Man hat Inflation (um-)definiert als das Ansteigen eines statistischen Preisindexes, der sich in der Regel auf Konsumgüterpreise bezieht.

Dieses Vorgehen lässt sich aus einer Reihe von Gründen kritisieren. Ganz wichtig an dieser Stelle: Konsumgüterpreise bilden nur einen Teil der Güterpreise in der Volkswirtschaft ab. Das Ausweiten der Geldmenge beeinflusst aber nicht nur die Preise der Konsumgüter, sondern auch die der Vermögensgüter, die aber nicht oder nur unzureichend im Konsumgüterpreisindex abgebildet werden.


(2) Deshalb sind auch alle Untersuchungen zwischen Geldmengen- und Konsumgüterpreiseveränderung mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Beispiel: Es ist zu beobachten, dass die Geldmenge steigt, die Konsumgüterpreise aber unverändert bleiben. Ist das ein Resultat, das besagt, dass die Geldmengenausweitung nicht "inflationär" wirkt? Nein. Es kann nämlich sein, dass die Geldmengenausweitung die Vermögenspreise inflationiert hat, nicht aber die Konsumgüterpreise.

Für die Geldhalter hat es hier jedoch "echte Inflation" gegeben: Sie können sich jetzt weniger (Vermögensgüter) für ihr Geld kaufen. Noch ein Beispiel: Die Geldmenge steigt, die Konsumgüterpreise fallen. Auch hier Vorsicht vor zu vorschnellen Schlüssen wie "Die Geldmenge hat keinen Einfluss auf die Inflation". Es kann nämlich sein, dass das Güterangebot stark zugenommen hat, und die Güterpreise deshalb gefallen sind. Die Geldmengenausweitung hat dabei jedoch verhindert, dass die Güterpreise noch stärker gefallen sind (was sie ohne Geldmengenvermehrung getan hätten).


(3) Inflation ist bekanntlich eine Steuer, mit der still und (un-)heimlich der Staat den Bürgern und Firmen in die Tasche greift und sie plündert. Regierung und Zentralbank haben daher in der Regel ein Interesse daran, den Zusammenhang zwischen Geldmengenausweitung und Inflation(Preissteigerungen) vor den Augen der Öffentlichkeit so gut es eben geht zu verschleiern. Bei Inflation werden daher alle möglichen Sündenböcke angeführt: Skrupellose Firmen, die die Preise erhöhen, gierige Scheichs, die den Ölhahn zudrehen, Lockdowns, die das Güterangebot verknappen etc.

Was meist nie (von Regierungen und ihren staatstreuen Ökonomen) genannt wird, ist die Geldmengenausweitung. Man muss hier zu Recht Lug und Trug wittern. Regierung, ihre Ökonomen und Zentralbanken erzählen der Öffentlichkeit sogar, ein Ansteigen der Konsumgüterpreise von 2% pro Jahr sei "Preisstabilität"! Wenn also die Kaufkraft des Geldes um 2% pro Jahr abnimmt, bliebe das Geld stabil. Absurd! Geldentwertungspolitik wird als Geldwertbewahrungspolitik umetikettiert.

Hauptstrom-Ökonomen sind dabei behilflich - etwa indem sie die Idee verbreiten, Inflation sei per Konsumgüterpreisindex zu messen, oder die Geldmenge wäre irrelevant für Inflation; und indem verneint wird, es gäbe keine Verbindung zwischen Geldmenge und Preisen.


(4) Für die Anleger ist die Entwicklung der Geldmenge von entscheidender Bedeutung. Wenn die Geldmenge in der Volkswirtschaft um, sagen wir, 40% steigt, und das Kontoguthaben von Frau Müller unverändert bleibt, dann ist sie ärmer geworden - denn das Geld haben dann ja andere bekommen. Diese Vermögensverschiebung kann, muss aber nicht mit einer Erhöhung der Güterpreise verbunden sein. Also: Auf die Geldmenge kommt es an!

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Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Gepunktete Linien: Schätzung des unterliegenden Trends in den Zeitreichen.


Wie bereits angeklungen ist: Inflation ist keine Naturkatastrophe, sie ist vielmehr menschengemacht. Ohne das Ausweiten der Geldmenge durch die Zentralbank ist sie gar nicht denkbar. Inflation ist dabei entweder das unbeabsichtigte Ergebnis von geldpolitischen Fehlern oder das beabsichtige Resultat von regierungspolitischen Machenschaften. Letzteren kommt aktuell eine besonders überzeugende Erklärungskraft zu.


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