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Märkte konstatieren, dass Kontinentaleuropa (besonders D) der Verlierer ist!

06.07.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0263 (05:42 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0236 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 135,27. In der Folge notiert EUR-JPY bei 138,86. EUR-CHF oszilliert bei 0,9932.


Finanzmärkte: Kontinentaleuropa Verlierer in Real- und Finanzwirtschaft

Die Stabilitätsphase an den Finanzmärkten war bezüglich der Anlagegüter der Eurozone die Ruhe vor dem Sturm. Kontinentaleuropa ist selbstverschuldet der größte Verlierer der Ukraine-Krise im Bund der großen Wirtschaftsregionen. Genau das ist das Urteil der Finanzmärkte, das gestern getroffen wurde. Der Euro sank auf den tiefsten Stand gegenüber dem USD seit 20 Jahren. Europäische Aktienmärkte waren die Verlierer am internationalen Aktienmarkt.

Unsere europäischen Regierungen haben einen Eid geleistet, Schaden von uns abzuwenden. Haben sie auf die warnenden Stimmen gehört, die seit 2014 faktenbasiert argumentierten?

Russland mag temporär mehr quantitativen wirtschaftlichen Schaden erleiden (Konjunktur), aber Russland hat in elementaren Gütern für den eigenen Wirtschaftsraum Versorgungssicherheit und damit Zukunftsfähigkeit (Struktur). Mehr noch zeigt sich, dass die Entscheidung des Westens, Russland zu sanktionieren, eben nur vom Westen (Europa, Nordamerika, Japan, Australien, Neuseeland, Taiwan, Südkorea) vollzogen wird.

Es zeichnet sich ab, dass der Teil der Welt, der nicht dem Westen zugerechnet wird, uns die kalte Schulter zeigt und aus der Sanktionspolitik des Westens nun verbesserte Wirtschaftsgrundlagen hat (Versorgungssicherheit und günstigeren Zugriff auf Rohstoffe). Der Westen hat sich ob der eigenen globalen Machtfülle völlig verkalkuliert.

Dieser Teil der Weltwirtschaft findet als Folge der westlichen Politik stärker zusammen und emanzipiert sich von dem Westen (BRICS-Gipfel, Erweiterung). Russland ist somit viel besser in der Weltwirtschaft verankert (Struktur), als von den westlichen Protagonisten unterstellt. Das ist ein strukturelles Thema, das zu Lasten des gesamten Westens ausfällt, denn wir reden bei den nicht westlichen Ländern über ein Potential von circa 65% der Weltwirtschaft auf Basis der Kaufkraftparität und 88% der Weltbevölkerung.

Fazit: Wenn Politikansätze (Sanktionen) nicht den erwarteten Erfolg sondern das genaue Gegenteil mit sich bringen, reagieren intelligente Menschen, indem sie die Maßnahmen einstellen. Ansonsten müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht im Interesse der Menschen zu handeln, deren Interessen sie zu vertreten haben.


Anekdotische Evidenz

Ich habe gestern eine längere Telefonkonferenz mit einem mittelständischen Immobilienunternehmen gehabt, das hinsichtlich der Energiekosten bedingt durch unsere Sanktionspolitik mit einem Preisdrama konfrontiert ist. Die/der Versorger haben/hat das Unternehmen mit einem Preisanstieg für das kommende Jahr um 780% konfrontiert. Diese Form der Kostenexplosion ist das, was deutsche Verbraucher, privat oder industriell, erwartet, sofern außenpolitisch nicht gegengesteuert wird.

Kurzfristig kann die Regierung im Rahmen konsumtiver Subventionen gegensteuern, dauerhaft lassen das unsere öffentlichen Haushalte nicht zu, wenn wir die Zukunft der kommenden Generationen nicht verbrennen wollen.

Sofern diese aktuelle Außenpolitik jedoch dauerhaft verankert würde, würde es massivste Wohlstandsverluste, Wirtschaftsstrukturverluste und gesellschaftspolitische als auch politische Instabilitäten verursachen. Es wäre der größte Schaden, den eine deutsche Bundesregierung dem eigenen Land seit 1949 zugefügt hätte.

Um es augenfällig zu machen, wie sehr Deutschland und das westliche Kontinentaleuropa betroffen sind, ist nachfolgender Chart hilfreich. Es zeigt das Preisgefälle für Gaspreise. Asien ist auch von den Preisen betroffen, hat aber Versorgungssicherheit (ex-Japan). Die USA haben günstige Preise und Versorgungssicherheit. Europa ist der Verlierer in unserem energetischen Zeitalter.

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Verband der Reeder zweifelt an Umsetzbarkeit von Flüssiggasstrategie

Energieexperten halten die Pläne von Wirtschaftsminister Habeck für den Import von Flüssiggas als Ersatz für russisches Erdgas für kaum realisierbar. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandsdeutscher Reeder beklagt vor allem einen Mangel an Transportschiffen. In der deutschen Handelsflotte gäbe es keine Gastanker. Weltweit stünden circa 500 LNG-Tanker zur Verfügung, allerdings sei die Nachfrage hoch.

Der Energieökonom Fischer vom IW sagte, die Flüssiggasmengen müssten auf dem Weltmarkt verfügbar sein (ist nicht der Fall) und es bräuchte entsprechende Tanker, die größtenteils bereits über Langfristverträge gebunden seien. Zudem sei nur eines der drei geplanten LNG-Terminals genehmigt.

Kommentar: Das sind vernichtende Urteile, die auf Fakten basieren. Wir leben in einem energetischen Zeitalter. Ohne Energie geht nichts, gar nichts. Deutschland ist der energieintensivste Industriestandort der Welt (Hintergrund Fertigungstiefe). Dieser Sektor ist das Rückgrat Deutschlands. Das Risiko, dass Deutschland sich durch unsere eigene Politik verstümmelt, ist als hoch zu bewerten. Ein Tipp: Nord-Stream2 ist betriebsbereit, eine schnelle Zertifizierung sollte doch wohl möglich sein.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: marginale positive Akzente bei PMIs - Frankreichs Industrie schwächer

S&P Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen: 53,0 (Prognose und vorläufiger Wert 52,8)

S&P Composite Einkaufsmanagerindex: 52,0 (Prognose und vorläufiger Wert 51,9)

Frankreichs Industrieproduktion war per Mai im Monatsvergleich unverändert (Prognose +0,2%) nach zuvor -0,3% (revidiert von -0,1%).


UK: Positive PMI Akzente - Devisenreserven weiter rückläufig

S&P Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen: 54,3 (Prognose und vorläufiger Wert 53,4)

S&P Composite Einkaufsmanagerindex: 53,7 (Prognose und vorläufiger Wert 53,1)

Die Devisenreserven sanken per Berichtsmonat Juni von zuvor 187,99 auf 185,23 Mrd. USD und markierten den tiefsten Stand seit Juli 2021.


USA: Starker Auftragseingang

Der Auftragseingang der US-Industrie nahm per Berichtsmonat Mai im Monatsvergleich um 1,6% (Prognose 0,5%) zu. Zudem wurde der Vormonatswert von 0,3% auf 0,7% revidiert.


Russland: Markante Dynamikzunahme im Dienstleistungssektor

Der S&P Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors stieg per Juni von zuvor 48,5 auf 51,7 Punkte und markierte den höchsten Stand seit Ausbruch der Ukraine-Krise im Februar (52,10).

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0870 - 1.0900 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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