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Über das Bestreben, Bargeld abzuschaffen und digitales Zentralbankgeld einzuführen

13.08.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Die Bereitschaft von Investoren nimmt daraufhin ab, Banken Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Für den Staat öffnet sich damit ein Einfallstor: Er kann als Retter kapitalschwacher Banken in Erscheinung treten und sie verstaatlichen. Und damit wäre ein marxistisches Ziel erreicht: nämlich das Geld- und Kreditsystem vollends zu verstaatlichen.

Im Kommunistischen Manifest aus dem Jahre 1848 listen Karl Marx und Friedrich Engels zehn "Maßregeln" auf, die "als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind". Maßregel Nummer fünf lautet: "Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol."

Die Existenz von Zentralbanken ist in der Tat eine Idee im Sinne der Marxisten. Zwar sind sicherlich nicht alle, die eine staatliche Zentralbank befürworten, Marxisten. Aber sie reden einer "Maßregel" das Wort, die nach marxistischer Auffassung (und auch gemäß heutigen ökonomischen Erkenntnissen) geeignet ist, um die Gesellschaftsverhältnisse umzustürzen, den Kommunismus zu errichten.

Sind erst einmal die letzten verbliebenen privatwirtschaftlichen Elemente aus dem Bankensystem gedrängt, werden die Kreditkosten nicht mehr durch das freie Marktgeschehen, sondern nach staatlichen Vorgaben gesetzt. Kapitalfehlallokationen größten Ausmaßes sind die absehbaren Folgen, Wachstum und Beschäftigung werden beeinträchtigt.


VIII.

Wie steht es um die finanzielle Privatsphäre der Geldverwender, wenn digitales Zentralbankgeld verwendet wird? Die Zentralbanken wollen eine "Balance" herstellen zwischen Wahrung der Privatsphäre der Geldverwender und dem Ziel, kriminelle Transaktionen durch Verhinderung vollständiger Anonymität bei der Geldverwendung zu verunmöglichen. Das heißt nichts anderes als: Eine vollständige Wahrung der Privatsphäre der Geldverwender wie beim Bargeld soll und wird es nicht geben.

Hat das digitale Zentralbankgeld erst einmal eine hinreichend große Verbreitung erfahren, kann es für weitere politische Zwecke eingesetzt werden. China mit seinem Sozialkreditsystem zeigt, wie das geht. Das Verhalten der Bürger lässt sich in staatlich vorgegebene Bahnen lenken, indem der Zugang zu digitalem Zentralbankgeld an politisches Wohlverhalten geknüpft wird.

Denkbar ist etwa, dass nur regierungstreue Bürger ein Konto für digitales Zentralbankgeld erhalten; und nur jene Unternehmen erhalten es, die ihre Produktion auf CO2-mindernde Technologien umstellen oder bei ihrer Personalpolitik politisch vorgegebene Kriterien anwenden. Gleichsam lässt sich mit digitalem Zentralbankgeld Unliebsames bestrafen. Das Geld der Dissidenten lässt sich in promptu einfrieren, ohne dass Zentralbank und Regierung sich mit Geschäftsbanken herumschlagen müssen. Politische Gegner können so von der Regierung nicht nur zum Schweigen gebracht, sondern auch finanziell ruiniert werden.

Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass auch Vorschläge vorgebracht wurden, durch die die Privatsphäre der Verwender von digitalem Zentralbankgeld erhalten werden soll.

Jedoch kann und sollte man darauf vertrauen? Gewichtige Gründe für Skepsis bleiben. Vor allem weil die Erfahrung zeigt, dass der Staat sein Geldmonopol, wenn es für ihn vorteilhaft ist, für seine Zwecke einspannt, egal welche Spielregeln vorab vereinbart wurden. Dazu ein erhellendes Zitat von Friedrich August von Hayek: "Mit der einzigen Ausnahme der 200 Jahre der Goldwährung haben praktisch alle Staaten der Geschichte ihr Monopol der Geldausgabe dazu gebraucht, die Menschen zu betrügen und auszuplündern."

Warum, so fragt man sich, sollte das anders sein mit digitalem Zentralbankgeld, wenn mit ihm das Ausplündern sogar noch einfacher wird? Doch es geht mittlerweile um mehr als Inflation, und damit komme ich zum Schluss meines Referates.


IX.

Digitales Zentralbankgeld wird die wenigen noch verbliebenen marktwirtschaftlichen Elemente des Kredit- und Geldsystems noch weiter zurückdrängen, lahmlegen, abschalten. Die Öffentlichkeit sollte sich nicht von den Verheißungen des digitalen Zentralbankgeldes blenden lassen. Es ist - wie konventionelle US-Dollar, Euro & Co auch - Fiat-Geld, dem die bekannten ökonomischen und ethischen Defekte anhaften.

Digitales Zentralbankgeld wird die wenigen noch verbliebenen marktwirtschaftlichen Elemente des Kredit- und Geldsystems noch weiter zurückdrängen, lahmlegen, abschalten. Es spielt Staaten und den Sonderinteressengruppen, die sie für ihre Zwecke einzuspannen suchen, in die Hände - zu Lasten der Freiheiten von Bürgern so wie kleineren und mittleren Unternehmen.

Das digitale Zentralbankgeld ist eine Art Trojanisches Pferd, das weitgespannte Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten erzeugt, die kollektivistisch-sozialistischen Eiferern in die Hände spielen - und damit eine Entwicklung begünstigt, die viele Menschen vermutlich heute noch gar nicht erkennen und sich vermutlich auch nicht wünschen.

Das kollektivistisch-sozialistische Ereifern unserer Zeit kommt vermutlich am prägnantesten in den Begriffen "Great Reset" und "Große Transformation" zum Ausdruck. Im Kern geht es bei diesen Ideen darum, dass die Menschen ihre Geschicke auf dem Planeten nicht in einem System der freien Märkte gestalten, sondern dass sie von zentraler Stelle bestimmt und gesteuert werden sollen.

Das ist eine sehr bedrohliche Idee, wie die Ökonomik zeigt. Denn sie kann erklären, dass kollektivistisch-sozialistische, ja schon interventionistische Vorhaben - und diesen Geist atmen der "Große Reset" und die "Große Transformation" - von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, dass sie den Menschen Armut, Elend, Konflikte und Gewalt bringen.

Die Beschäftigung mit dem Für und Wider des digitalen Zentralbankgeldes sollte letztlich jedoch nicht den Blick auf das eigentliche, das zentrale Problem verstellen: und das ist das Problem des staatlichen Geldmonopols, des Fiat-Geldsystems.

Es gibt keine überzeugenden ökonomischen und ethischen Gründe, warum der Staat das Geld monopolisieren und Fiat-Geld - ob nun in Papierform oder in digitaler Form, ob in Form von Zentralbank-Fiatgeld oder Geschäftsbanken-Fiatgeld - ausgeben sollte.

Vielmehr gibt es überzeugende ökonomische und ethische Gründe für einen freien Markt für Geld, dass also die Menschen die Freiheit haben, das Geld wählen zu dürfen, das ihren Zwecken am besten entspricht; und dass jeder die Freiheit hat, sich darin zu versuchen, seinen Mitmenschen ein Gut anzubieten, das diese freiwillig als Geld zu verwenden wünschen.

Fundierte und detaillierte Überlegungen dazu haben die Ökonomen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vorgetragen; zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Ludwig von Mises (1881-1973), Friedrich August von Hayek (1899-1992) und Murray N. Rothbard (1926-1995).

Wenn ich also in meinem Vortrag zum Ergebnis komme, dass das Abschaffen des Bargeldes und das Einführen von digitalem Zentralbankgeld keine guten Ideen sind, dann verbinde ich das mit dem in ökonomischer Hinsicht überzeugenden Lösungsvorschlag der "Österreicher", das staatliche Geldmonopol zu beenden und einen freien Markt für Geld zu schaffen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Der Beitrag wurde von Thorsten Polleit im Mai 2022 als Vortrag auf der Gottfried Haberler Konferenz in Liechtenstein gehalten.


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