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Gold in Krisenzeiten

23.12.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.


Am äußeren Rand in Abb. 3 hat sich nun aber eine deutliche "Lücke" zwischen Geldmengenausweitung und Goldpreis aufgetan: Die Geldmengenausweitung legt einen Goldpreis von ungefähr 2.200 USD/oz nahe, der aktuelle Preis ist derzeit jedoch nur bei etwa 1.815 USD/oz. Ist das etwa ein Indiz, dass sich der langfristige Verbund zwischen Geldmengenausweitung und Goldpreis aufgelöst hat? Oder handelt es sich hier nur um eine vorübergehende Divergenz, die bald wieder geschlossen wird, und zwar durch ein Ansteigen des Goldpreises?

Zunächst ist hier festzustellen, dass der Goldpreis natürlich nicht allein von der Geldmenge bestimmt, sondern dass er auch durch andere Faktoren beeinflusst wird. Eine Langfristschätzung zwischen dem Goldpreis, der Geldmenge, dem Realzins sowie den Kreditmarktkonditionen deutet darauf hin, dass das Auseinanderlaufen von Goldpreis und Geldmenge am "aktuellen Rand" nicht "außergewöhnlich" ist, dass kein "Strukturbruch" vorliegt. So gesehen gibt es vielmehr Anlass für die Erwartung, dass die "Lücke" früher oder später geschlossen wird, und zwar durch einen steigenden Goldpreis.

Von März bis Oktober 2022 ist die US-Geldmenge M2 zwar um 1,4 Prozent gesunken. So gesehen hat der Goldpreis durchaus "richtungsmäßig" in der zu erwarteten Weise reagiert: Er hat seither um etwa 9 Prozent nachgegeben. Dass es allerdings zu einem Fortgesetzen Schrumpfen der Geldmenge kommt, ist im ungedeckten Geldsystem, in dem der US-Dollar die Weltreservewährung darstellt, sehr unwahrscheinlich. Denn ein fortgesetzter Rückgang der Geldmenge würde eine Preisdeflation auslösen, durch die die Schuldner sehr wahrscheinlich reihenweise zahlungsunfähig würden, vor allem auch die Staaten.

Allzu weit gehen daher die Zinsanhebungen der Zentralbanken vermutlich nicht mehr / denn es wird sich wohl bald deutlich zeigen, dass Konsumenten, Produzenten und Staaten nicht mehr mit merklich erhöhten Kreditkosten zurechtkommen. Das lässt erwarten, dass die realen Zinsen (das heißt Nominalzins abzüglich der laufenden Güterpreisinflation) vermutlich (tief) im negativen Territorium verharren werden. In diesem Umfeld ist das Halten von physischem Gold und Silber eine Möglichkeit, dem chronischen Verfall der Kaufkraft des Geldes die Stirn zu bieten. Aus unserer Sicht ist es daher bei den aktuellen Preisen attraktiv, Goldund Silberpositionen auf- beziehungsweise auszubauen.


Ein paar Worte zum "Gaspreisdeckel"

Im Euroraum wurde ein "Gaspreisdeckel" beschlossen. Ökonomisch gesehen ist das ein Höchstpreis für Gas, der unter dem markträumenden Preis für Gas liegt. Die Folgen dieser Maßnahme lassen sich recht einfach verstehen. Dazu ein Blick auf die untenstehende Graphik. Sie zeigt das Angebot und die Nachfrage nach Gas.

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Der markträumende Preis ist P*, zu der die Gasmenge M* angeboten beziehungsweise nachgefragt wird (Punkt A). Nun verknappt sich sanktionsbedingt das Gasangebot, die Angebotskurve verschiebt sich nach links. Das neue Marktgleichgewicht ist in Punkt B: Der Preis ist auf P** gestiegen, die nachgefragte Menge auf M** gefallen. Daraufhin wird von staatlicher Seite ein Höchstpreis für Gas eingeführt, Pᴰᵉᶜᵏᵉᶩ, der (so nehmen wir an) dem ursprünglichen Preis P* entspricht. Dadurch steigt die nachgefragte Gasmenge wieder auf M*, während das Gasangebot auf Mᴰᵉᶜᵏᵉᶩ fällt.

Die Versorgung mit Gas verschlechtert sich also! Wie geht man mit dem entstandenen Nachfrageüberhang nach Gas um (er beträgt M* minus Mᴰᵉᶜᵏᵉᶩ)? Nun, eine Möglichkeit ist die Rationierung: Jeder Gasnachfrager bekommt nur einen Teil seiner nachgefragten Menge. Die Rationierung hat nun aber meist unerwünschte Nebeneffekte: Wer soll wann wie viel bekommen, und wer soll das entscheiden? Erfahrungsgemäß entstehen bei Rationierung Korruption, Vetternwirtschaft, Schwarzmärkte. Um den Höchstpreis durchzusetzen, bedarf es vor allem auch der Kontrolle und Überwachung - und bei Zuwiderhandeln muss Bestrafung folgen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Staat die bei Pᴰᵉᶜᵏᵉᶩ nachgefragte Menge M* subventioniert. Der Staat muss dann die erforderliche Gasmenge am Markt kaufen, und dafür muss er den Gaspreis P*** bezahlen (beziehungsweise er bezahlt diesen Preis an Gasfirmen). Eine "dicke Rechnung"! Sie wird durch das eingefärbte Rechteck C-A-D-E symbolisiert. Wer wird zur Kasse gebeten?

Die dafür anfallenden Kosten haben natürlich letztlich die Netto-Steuerzahler beziehungsweise Geldhalter zu tragen - denn der Staat wird die Gaskäufe mit Steuergeldern, Schulden und/oder Geldmengenausweitung/Inflation finanzieren. In jedem Falle stellt sich durch den Höchstpreis für Gas ein suboptimales Ergebnis ein im Vergleich mit der ursprünglich markträumenden Situation (selbst wenn der Gaspreis bereits stark angestiegen ist): Die Gasnachfrager sind die Verlierer des staatlich erlassenen Höchstpreises, die Gasanbieter reiben sich die Hände (wenn ihre zusätzlichen Gewinne nicht wegbesteuert werden).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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