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(Hoch-)Inflation ebnet den Weg von der Marktwirtschaft in die Planwirtschaft

02.04.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das weltweite Fiatgeldsystem ist in wirklich turbulentes Fahrwasser geraten. Denn mittlerweile herrscht Hochinflation, und die wird dem Fiatgeldsystem und den Verhältnissen, die es geschaffen hat, gefährlich. In den USA stiegen die Verbraucherpreise jüngst um 6,5% gegenüber dem Vorjahr, im Euroraum um 8,5%, in Deutschland um 8,7%.

Solche Preissteigerungsraten sind viel zu hoch, die Menschen werden sie nicht dauerhaft akzeptieren. Sie erzeugen Not und Verbitterung in der Bevölkerung, drohen, sich in Proteste zu übersetzen. Das wissen die Regierenden. Deshalb haben ihre Zentralbankräte begonnen, die Leitzinsen in die Höhe zu befördern. In vielen Währungsräumen haben sie die Kreditkosten in kurzer Zeit sogar ziemlich drastisch heraufgesetzt.

Die Kreditfinanzierung hat sich entsprechend rasant verteuert, und das drückt die Kreditnachfrage. Und weil die Banken gleichzeitig auf die Bremse bei der Kreditvergabe treten – indem sie beispielsweise erhöhte Sicherheiten fordern –, schwächt sich die Geldmengenvermehrung ab.

Das reduziert nicht nur den künftigen Inflationsdruck – was gut und richtig ist –, auch die Konjunktur wird gewaltig abgebremst – und das wird geradezu explosive Folgen haben. Denn das Fiatgeldsystem ist bekanntlich auf Schulden aufgebaut, begleitet von der Hoffnung, dass die Volkswirtschaften wachsen, und dass das eine Überschuldungssituation verhindert; beziehungsweise dass ein solches Debakel immer weiter in die Zukunft verschoben werden kann.

Geht aber die Konjunktur in die Knie, geraten Kreditnehmer in Probleme, ihren Schuldendienst zu leisten. Angesichts steigender Kreditausfälle werden die Banken vorsichtig. Die Kredit- und Geldmengenvermehrung gerät ins Stocken, eine Abwärtsspirale beginnt. Wird sie sich selbst überlassen, ist eine Deflation-Depression wahrscheinlich: Firmen gehen Pleite, die Arbeitslosigkeit steigt, die Vermögensgüterpreise fallen.

Sich selbst überlassen, würde das Fiatgeldsystem implodieren. In der Vergangenheit – beim Platzen des New-Economy-Booms 2000/2001, der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und der politisch diktierten Lockdown-Krise 2020/2021 – haben es die Zentralbankräte aber nie so weit kommen lassen.

Sie haben vielmehr mit allen Mitteln "gegengesteuert", mit Zinssenkungen und Geldmengeninjektionen den Systemkollaps abgewendet. Wird das in der nächsten Krise auch so sein? Man könnte Zweifel daran haben. Denn zeigen die raschen und vielen Zinserhöhungen in den letzten Monaten nicht, dass die Zentralbankräte es ernst meinen, die Senkung der Inflation vor alle anderen Ziele stellen?

Doch man sollte hier nicht vorschnell urteilen. Denn es ist zu beachten, dass das Anziehen der Zinsschraube bislang in einem Umfeld von positivem Wachstum und hoher Beschäftigung erfolgt ist; und dass die volle Wirkung der getroffenen Zinsmaßnahmen noch nicht vollumfänglich sichtbar geworden ist – denn sie treten erst mit einer Zeitverzögerung ein.

Allerdings zeigen sich bereits einige Folgen der Zinserhöhungen. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Geldmenge M2 im Januar 2023 um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft – der erste Rückgang seit dem Beginn der Geldmengenstatistik im Jahr 1959. Nach Abzug der Inflation ging das "reale" Geldmengenwachstum – also die Kaufkraft von Konsumenten und Produzenten – sogar um fast 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Auch das reale US-Bankkreditwachstum ist unter die Nulllinie gerutscht – was in der Vergangenheit stets mit Rezession einherging. Ganz ähnlich ist die Datenlage im Euroraum. Auch hier fallen die realen Geldmengen mit bisher nicht gekannten Raten.

Das Abflauen des Geldmengenwachstums beziehungsweise das Schrumpfen der realen Geldmengen signalisiert nicht nur Abwärtsdruck auf die künftige Inflation, es deutet auch auf ein Nachlassen des Wirtschaftswachstums beziehungsweise auf Rezession und wohlmöglich Güterpreisdeflation. Doch diese Signale scheinen die Zentralbankräten nicht im Blick zu haben. Sie lassen sich bei ihren Zinsentscheidungen vielmehr von der laufenden Hochinflation leiten.

Einerseits verständlich: In der Öffentlichkeit wird so der Eindruck erzeugt, man tue etwas gegen die Hochinflation. Dadurch erhoffen sich die Zentralbankräte, das Vertrauen in das Fiatgeld zu erhalten beziehungsweise wiederzugewinnen. Andererseits ist ein solches Vorgehen höchst problematisch: Denn die aktuelle Inflation hat keinen verlässlichen Bezug zur künftigen Inflation.

Die künftige Inflation wird vielmehr vom vergangenen beziehungsweise aktuellen Geldmengenwachstum bestimmt – dafür gibt es nicht nur theoretische, sondern auch empirische Erklärungen. Wie bereits gesagt: Das reale Geldmengenwachstum ist nicht nur in den USA und im Euroraum negativ geworden, sondern auch in der gesamten OECD, und zwar in einem bisher nicht beobachtbaren Ausmaß. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Befürchtung auf, dass die bislang erfolgten Leitzinserhöhungen bereits jetzt schon die Volkswirtschaften überfordern könnten; und dass weitere Zinserhöhungen der Zentralbanken das Potential bergen, eine neue Konjunktur-, Finanz- und Staatsschuldenkrise auszulösen.

Was aber werden die Regierenden, ihre Zentralbankräte tun, was werden Hauptstromökonomen empfehlen, wenn die Konjunktur einbricht, das Firmensterben einsetzt, sich Massenarbeitslosigkeit aufbaut, die Staatsdefizite explodieren? In der Not der Stunde werden Regierende, Regierte und ihre Berater das Ausweiten der Geldmenge zur Bezahlung offener Rechnungen als das vergleichsweise kleinste Übel anpreisen, um einem als noch größer empfundenen Übel – dem Systemzusammenbruch – entkommen zu können. Das hehre Ziel, die Inflation zu reduzieren, wird dann zweit- oder gar drittrangig, und auch der Umgang mit dem Hochinflationsproblem ändert sich vermutlich dann.

Man wird die hohe Güterpreisinflation zu verschleiern suchen: durch die Vorgabe von Höchstpreisen (für Güter, die knapper werden: Energie, Wohnen, Transport) und Mindestpreisen (für Güter, deren Nachfrage schwindet: wie etwa die Arbeitsleistung in aussterbenden Branchen), steigende Subventionen (für beschäftigungsintensive Industrien) und wachsende Umverteilung (Stichwort "Reichensteuer"). Inflation, wenn sie nicht gänzlich außer Kontrolle gerät, ist so gesehen ideal für die Befürworter einer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die aus Marktwirtschaft Planwirtschaft machen wollen: Der Staat wird mächtiger, die bürgerlichen und unternehmerischen Freiheitsgrade schwinden.

Das Fiatgeld schafft – und das darf man nicht übersehen – so gesehen äußerst günstige Bedingungen, um einen allmächtigen Staat aus der Taufe zu heben. Hochinflation perfektioniert sie quasi. Leider sind die politik-ökonomischen Anreize für Regierende und Regierte, der Hochinflation nicht mit aller Härte zu Leibe zu rücken, mittlerweile leider sehr groß geworden – ganz einfach deshalb, weil die Kosten der Korrektur, die die Volkswirtschaften zur Beseitigung der Hochinflation in Kauf zu nehmen hätten, schwindelerregend groß geworden sind.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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