BullionStar / Roland Stöferle: Der große Long - Das neue Kapitel des Goldes
29.05.2025
In einem Jahr, das von geldpolitischer Unsicherheit und geopolitischen Spannungen geprägt ist, kommt die Ausgabe 2025 des In-Gold-We-Trust-Berichts mit zeitgemäßen Erkenntnissen daher. Der von Ronald-Peter Stöferle von der Incrementum AG mitverfasste Bericht untersucht die sich entwickelnde Rolle von Gold als strategischer Vermögenswert - und was die kommende Phase dieses säkularen Bullenmarktes bringen könnte.In einem kürzlich geführten Interview mit BullionStar erläuterte Stöferle die Themen des diesjährigen Berichts mit dem Titel "The Big Long" und gab einen umfassenden Überblick über die Positionierung von Gold in einem zunehmend zerbrechenden Finanzsystem.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich
Der Titel des Berichts zieht eine Parallele zwischen der konträren Denkweise von "The Big Short" und der heutigen Goldthese. "Es ist natürlich eine Anspielung auf 'The Big Short', einen Film, den ich immer gerne gesehen habe, und ich habe ihn mir zur Vorbereitung auf den diesjährigen Bericht ein paar Mal angesehen." Stöferle sieht Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Umfeld, in dem frühe Anzeichen für strukturelle Spannungen nun immer stärker wahrgenommen werden. Doch anders als bei der Immobilienkrise 2008 steht heute das globale Währungssystem selbst im Mittelpunkt.
Drei Kräfte treiben den Bullenmarkt bei Gold an
Stöferle identifiziert drei Hauptdynamiken, die die anhaltende Stärke von Gold unterstützen:
1. Die Nachfrage der Schwellenländer verändert die Landschaft
Ein zentrales Thema sowohl des Berichts als auch des Interviews ist die Verlagerung der physischen Nachfrage weg von den traditionellen westlichen Märkten. "Das Zentrum des Goldmarktes befindet sich nicht mehr in London oder New York. Es liegt vielmehr in Shanghai. Es ist in Mumbai. Es ist in Dubai."
Die Zentralbanken haben drei Jahre in Folge mehr als 1.000 Tonnen Gold im Jahr gekauft, angeführt von Institutionen in Asien und dem Nahen Osten. Auch der private Sektor sammelt in diesen Regionen weiterhin fleißig Gold an, selbst bei höheren Preisniveaus.
2. Erosion des Vertrauens in traditionelle sichere Häfen
Stöferle stellt fest, dass das Verhalten der Anleger während der jüngsten Marktturbulenzen von den bisherigen Mustern abweicht. Während US-Staatsanleihen früher eine allgemeine Flucht in die Sicherheit darstellten, ist die Stimmung jetzt vorsichtiger. "Der Dollar ist gefallen und die Renditen sind gestiegen... Die Menschen vertrauen diesem sicheren Hafen in den USA nicht mehr wirklich." Darin spiegelt sich seiner Meinung nach ein allgemeiner Vertrauensschwund wider - nicht nur in Finanzinstrumente, sondern auch in die ihnen zugrunde liegenden Systeme.
3. Strategische De-Dollarisierung
Im Zuge der Diversifizierung des Welthandels und der Reserven wird Gold als politisch neutrales Reservemittel wieder in Betracht gezogen. Stöferle weist darauf hin, dass Diskussionen, die früher als Randthemen galten - wie die Neubewertung von Goldreserven - nun in die allgemeine Finanzdebatte einfließen. "Dinge wie die Prüfung von Fort Knox oder zum Beispiel eine Neubewertung der US-Goldreserven... das war ein Thema, das nur in der Goldszene diskutiert wurde. Aber jetzt wird es wirklich zum Mainstream."
Positionierung innerhalb des Bullenmarkt-Zyklus
Stöferle ordnet die derzeitige Phase des Goldbullenmarktes in das Drei-Phasen-Modell der Dow-Theorie ein: Akkumulation, öffentliche Beteiligung und Manie. "Dies ist die Phase, in der die Medien das Thema wieder aufgreifen... wenn die großen Banken wieder anfangen, diesen Vermögenswert zu decken... wenn sie ihre Preisprognosen anheben."
Er glaubt, dass wir uns mitten in der zweiten Phase befinden. Die institutionelle Berichterstattung nimmt zu, die Emission von Produkten steigt, und die Stimmung ist fest, aber nicht euphorisch. Der Bericht sieht darin eine konstruktive Grundlage für weitere Kursgewinne.