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Peter C. Earle: Theoretische Konsequenzen von künstlich hergestelltem Gold

10.06.2025
Mit einer bemerkenswerten Leistung der modernen Physik ist es Wissenschaftlern am Large Hadron Collider gelungen, eine der ältesten Fantasien der Menschheit zu verwirklichen: Blei in Gold zu verwandeln. Indem sie Bleiatome mit annähernd Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallen lassen, erzeugen die dabei entstehenden Kollisionen immense Hitze und Energie - Bedingungen, die so extrem sind, dass sie kurzzeitig ein Gewusel von exotischen Teilchen und sogar Atomen mit der gleichen Anzahl von Protonen wie Gold hervorbringen.

Könnte es sein, dass der lang ersehnte Traum der Alchemisten - die Verwandlung von Wertlosem in Erhabenes - endlich Wirklichkeit geworden ist? Und zwar nicht in vollgestopften steinernen Labors, in denen Weihrauch und Wahnvorstellungen herrschen, sondern in den glatten, brummenden Vakuumröhren eines Teilchenbeschleunigers, der kilometerweit unter den Schweizer Alpen versteckt ist?

Doch die Sache hat einen Haken: Diese goldähnlichen Kerne existieren nur für einen winzigen Bruchteil der Zeit - weniger als eine Millionstel Sekunde - bevor sie zerfallen oder sich in etwas anderes verwandeln. Sie halten sich nicht lange genug, um stabile Atome zu bilden, geschweige denn glänzende Goldbarren.

Das liegt daran, dass es sich bei den Kollisionen nicht um gewöhnliches, stabiles Gold handelt. Stattdessen handelt es sich um instabile Isotope - Kerne, die zwar 79 Protonen enthalten (was Gold ausmacht), aber oft auch die falsche Anzahl von Neutronen oder zu viel innere Energie, um sich zusammenzuhalten.

Da ihnen die notwendige Stabilität fehlt und sie keine Zeit haben, Elektronen einzufangen und vollständige Atome zu bilden, zerfallen diese Proto-Goldteilchen schnell in andere Elemente oder Strahlung. Dies ist eine beeindruckende Darstellung der Physik am Rande des Möglichen, aber weit entfernt von der praktischen Umwandlung von Blei in Gold, von der die alten Alchemisten träumten.

Aber was wäre, wenn diese Beschränkung irgendwie überwunden werden könnte? Was wäre, wenn die Wissenschaft einen Weg fände, Gold herzustellen, das nicht verschwindet - Gold, das stabil, beständig und reproduzierbar ist? Tausende von Jahren mystischer Sehnsucht, von ägyptischen Priestern bis zu Alchemisten der Renaissance, könnten plötzlich in einem Labor verwirklicht werden. Führen wir ein Gedankenexperiment durch, um herauszufinden, was passieren könnte, wenn der uralte Traum endlich wahr würde.


Die physikalischen Beschränkungen

Der erste Schritt in unserem Gedankenexperiment muss ein nüchterner Blick auf die Kosten und die Logistik der künstlichen Goldherstellung sein. Die Herstellung einer Unze Gold durch Kerntransmutation - sei es in Teilchenbeschleunigern oder in hypothetischen zukünftigen Reaktoren - würde derzeit einen astronomischen Energieaufwand erfordern. Hochgeschwindigkeitskollisionen zwischen schweren Kernen erfordern immense Energie, kryogene Kühlsysteme, seltene Materialien und eine hochspezialisierte Infrastruktur.

Selbst wenn die Wissenschaft einen Weg findet, die bei solchen Kollisionen entstehenden Goldkerne zu stabilisieren, bleibt der Prozess unglaublich ineffizient: Milliarden von Kollisionen könnten nur ein paar Atome brauchbaren Goldes ergeben. Ein weiterer Faktor ist die Zeit - jede Kollision und ihre Nebenprodukte müssen genau kontrolliert und überwacht werden, was bedeutet, dass selbst die Herstellung von Milligramm Gold bei konstantem Betrieb Tage oder Wochen dauern könnte.

Im Gegensatz dazu ist der moderne Goldabbau - obwohl er ökologisch und sozial problematisch ist - relativ billig je Unze, wenn man ihn in großem Maßstab betreibt. Tagebaue und chemische Auslaugungsprozesse können Unzen Gold zu Kosten von Hunderten bis zu niedrigen Tausenden von Dollar liefern, je nach Geologie und Standort. Die künstliche Synthese dagegen könnte beim derzeitigen Stand der Technik mehrere zehn Millionen Dollar je Unze kosten.

Hinzu kommen Sicherheitsüberlegungen: Die Arbeit mit hochenergetischen Teilchenstrahlen, radioaktiven Zerfallsprodukten und Präzisionsinstrumenten birgt ernsthafte physikalische und radiologische Risiken. Bevor die Fantasie der Goldgewinnung im Labor als praktische Alternative zum Bergbau in Betracht gezogen werden kann, müssen diese tiefgreifenden Unterschiede in Bezug auf Kosten, Zeit, Energie und Gefahren in Einklang gebracht - oder radikal verbessert - werden.

Eine entscheidende Herausforderung in unserem Gedankenexperiment ist die Skalierbarkeit. Selbst wenn stabiles Gold künstlich hergestellt werden könnte, wäre die dafür erforderliche Infrastruktur in bedeutenden Mengen gigantisch. Im Gegensatz zum Bergbau, der sich über Jahrhunderte entwickelt hat, um reiche Vorkommen effizient auszubeuten, erfordert die nukleare Synthese hochspezialisierte Anlagen, enorme Energiemengen und eine hohe Präzision.

Um auch nur ein paar Unzen zu produzieren, wären wahrscheinlich mehrere synchronisierte Teilchenbeschleuniger oder fortschrittliche Reaktoren erforderlich, von denen es derzeit keine für diesen Zweck gibt und deren Bau und Wartung unerschwinglich wäre. Ebenso wichtig ist die Frage der Reinheit und der Isotopenzusammensetzung.

Natürlich vorkommendes Gold besteht fast ausschließlich aus einem stabilen Isotop, Au-197, das wegen seiner Inertheit und Konsistenz geschätzt wird. Im Labor synthetisiertes Gold kann dagegen instabile Isotope oder Spuren von Strahlung enthalten, so dass es ohne umfangreiche und teure Reinigung nicht für die Verwendung in Schmuck, Elektronik oder Zentralbankreserven geeignet ist. Könnte künstliches Gold nicht dieselben metallurgischen Standards erfüllen wie abgebautes Gold, bliebe es eher eine wissenschaftliche Neuheit als ein wirtschaftlicher Konkurrent.

Alles in allem deuten diese Kompromisse darauf hin, dass die künstliche Goldherstellung zwar wissenschaftlich faszinierend sein mag, aber derzeit noch weit davon entfernt ist, kommerziell nutzbar zu sein. Das Versprechen der alchemistischen Umwandlung steht noch immer vor massiven praktischen, technischen und wirtschaftlichen Hindernissen, bevor es mit der alten Praxis der Goldgewinnung aus der Erde konkurrieren oder sie gar ergänzen könnte.


Anhaltspunkte aus der Vergangenheit

Mit diesen Parametern wollen wir uns nun historischen Analogien zuwenden, die als Vorlage für diese Art von Wandel dienen könnten. Es gibt einige Beispiele aus der Vergangenheit, in denen Rohstoffe, die einst als wertvoll, strategisch oder kulturell wichtig galten, aufgrund wissenschaftlicher oder technologischer Durchbrüche plötzlich im Überfluss vorhanden, obsolet oder wirtschaftlich irrelevant wurden.

Diese Fälle helfen bei der Erstellung eines mentalen Modells für die potenzielle Umwälzung von Gold - aber sie sind auch mit Einschränkungen verbunden. Den meisten fehlte die tiefe monetäre, psychologische und geopolitische Verankerung, die Gold heute besitzt.


Walöl → Kerosin & Petroleum

Im 18. und frühen 19. Jahrhundert war Walöl ein kostbares Gut, das vor allem zur Beleuchtung verwendet wurde. Ganze Küstenwirtschaften, insbesondere in Neuengland, hingen von der gefährlichen und arbeitsintensiven Walfangindustrie ab. Mit der Erfindung von Kerosin und der Entdeckung von Erdöl in Pennsylvania im Jahr 1859 änderte sich dies rasch.

Diese Alternativen waren billiger, besser skalierbar und nicht von den schwindenden Walbeständen abhängig. Als die Nachfrage einbrach, brach die Walfangindustrie zusammen, was zu einem wirtschaftlichen Niedergang in den Städten führte, die vom Walöl profitiert hatten.


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