Starker Euro wird zur Gefahr
13.09.2025 | Vertrauliche Mitteilungen
Eine starke Währung bei einem schwachen Wirtschaftswachstum ist nach der gängigen ökonomischen Lehre kein Normalzustand. Und eine starke Währung bei gleichzeitig drohenden Zöllen seitens wichtiger Handelspartner (hier die USA) birgt nach Auffassung einer für Entscheider im Finanzbereich entwickelten Plattform noch weitaus größere Risiken in sich. Die Angst vor der Inflation weicht dabei immer mehr zugunsten der Angst vor einer grundsätzlich nur sehr schwer beherrschbaren Deflation (sinkende Preise bei einer rückläufigen Wirtschaftsleistung).In solch einer Lage gilt es für die Vertreter der Zentralbanken, die Märkte nicht noch mit unbedachten Äußerungen weiter zu verunsichern. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos legte sich gegenüber Bloomberg deshalb auch nur dahingehend fest, daß man einen Kurs von 1,17 oder auch noch 1,20 US-Dollar je Euro durchaus noch akzeptieren und damit leben könne. Aber "alles darüber“ würde deutlich komplizierter.
Was treibt den Euro derzeit überhaupt nach oben, lautet die interessante Frage? Es ist tatsächlich weniger die Frage einer vermeintlichen Stärke des europäischen Wirtschaftsraums als vielmehr der noch größeren Schwäche, die in gewöhnlich fachkundigen Kreisen dem Wirtschaftsraum der USA derzeit zugesprochen wird.
Unterlegt wird dies durch einen jährlichen Handelsüberschuss von derzeit rund 50 Mrd. Euro jährlich, den die Europäische Union gegenüber den USA erzielt. Die davon ausgehende Stärkung des Euro gegenüber dem US-Dollar und, wenn auch in geringerem Maße, gegenüber dem Britischen Pfund fällt aktuell so stark aus, daß selbst die massiven Zinssenkungen durch die EZB – in jüngster Vergangenheit etwa doppelt so schnell wie bei den beiden anderen Währungen – nichts an der Euro-Aufwertungstendenz ändern konnten.
Offiziell will es noch niemand zugeben. Doch der starke Euro (und die damit verbundene Verteuerung der europäischen Exporte, die für die hiesige Wirtschaft lebenswichtig sind) wird zu einem immer größeren Problem.
Und die EZB kann nicht mit ständigen Zinssenkungen reagieren, weil zum einen dieses Pulver recht bald verschossen sein dürfte und weil zum anderen sehr schnelle und starke Zinssenkungen auch das für den Bestand jeder Währung lebenswichtige Vertrauen beeinträchtigen würden. Hinzu kommen Schäden für die Wirtschaft:
Langfristig betrachtet führt nach einer "Experten-Faustformel" ein zehnprozentiger Anstieg des Euro-Wertes gegenüber dem Dollar zu 2 bis 3% Gewinnrückgang bei den europäischen Unternehmen. Und dies allen voran im stark exportabhängigen Europa.
Eine Ordnungspolitik, bei der der Wirtschaft wieder deutlich größere Freiräume als bisher eingeräumt werden, halten viele Experten vor diesem Hintergrund für wichtiger denn je. Ob man sich in der aktuellen "Großen" Koalition dazu wird durchringen können, steht aber nur in den Sternen geschrieben.
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Auszug aus den "Vertrauliche Mitteilungen", Nr. 4662