Gold & Antimon: Strategische Metallbrüder im Geiste
30.09.2025 | Hans Jörg Müllenmeister

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Symbolisch betrachtet ist Gold das "Sonnenmetall", Antimon das "Schattenmetall". Gold steht für Glanz, Luxus, rituelle Verehrung. Antimon für Funktion, Strategie, militärische Zweckmäßigkeit. Zwei Metalle, die unsere Zeit spiegeln – in ihrer Ambivalenz und gegensätzlichen Wirkung.Antimon war bereits im alten Ägypten präsent – als schwarzes Oxyd Sb2S3 in Schminke und Augensalben. Später wurde Brechweinstein (Kaliumantimonyltartrat) als Brechmittel eingesetzt. Heute ist die medizinische Nutzung stark eingeschränkt – die industrielle hingegen floriert: Über 200.000 Tonnen Antimon werden jährlich gefördert, vor allem als Antimontrioxid in Flammschutzmitteln.
In Streichhölzern, Autobatterien, Präzisionsgusslegierungen und Bremsbelägen zeigt Antimon seine Vielseitigkeit – und seine Schattenseite. Denn bei jedem Bremsvorgang entsteht Feinstaub: 12 bis 18 Milligramm pro Kilometer. Hochgerechnet auf Deutschland: 6.000 bis 8.000 Tonnen jährlich. Studien zeigen, dass über 8% des Antimons im Bremsstaub über die Lunge aufgenommen werden können – besonders gefährlich ist das freigesetzte Antimontrioxid. Welch ein Irrsinn: Man ersetzte in Bremsbelägen das giftige Asbest durch ebenso toxisches Antimon – und trieb damit den Teufel mit Beelzebub aus.
Antimon – die stille, krankmachende Kriegserinnerung
Klimaaktivisten sorgen sich über den Kohlendioxydausstoß in der Atmosphäre. Doch es gibt Schlimmeres: Haben Sie je in den allzeit gut unterrichteten Medien vom kriegsbedingten Antimon-Eintrag in die fruchtbaren ukrainischen Böden lesen?
Während man sich über CO2 empört, bleibt der kriegsbedingte Antimon-Eintrag in ukrainischen Böden medial nahezu unsichtbar – offenbar zu komplex für die Schlagzeile.
Die postmortale Wirkung offenbart sich erst abscheulich nach dem Krieg. Nur soviel: Typische Bleigeschosse enthalten 2 bis 6% Antimon, um die Härte und Formstabilität zu verbessern. Konservativ mit 3% gerechnet, enthalten 1.000 Tonnen Bleimunition etwa 30 Tonnen Antimon. Panzerabwehr-Geschosse, etwa das US-amerikanische M829A4 für den Abrams-Panzer, wiegt an die 22 kg. Artilleriegeschosse können mehrere Hundert Kilogramm wiegen, etwa das 155-mm-Geschoss mit bis zu 45 kg.
In modernen Kriegen wie dem in der Ukraine, wird Antimon tonnenweise verfeuert, ohne dass es jemand sieht – aber mit langfristiger Wirkung auf Böden, Wasser und Organismen. Dabei hinterlässt Antimon keine Narben, die man sieht, dafür messbare Spuren: im Boden, im Wasser, in Organismen. Es ist die toxische Keule mit Erinnerung an Gewalt, die nicht verblasst, sondern einsickert. Während Granaten verstummen und Panzer verrosten, bleibt Antimon aktiv: toxisch, mobil, beharrlich und schwer abbaubar über lange Zeit.
Für die Nachwelt ist Antimon keine Heldenglorie, sondern bedeutet Krankheit, Sanierungsbedarf und Misstrauen gegenüber dem Mutterboden, der einst gesund ernährte. Es ist die unsichtbare Fortsetzung des Krieges, lange nachdem die Waffen schweigen.
Sie werden einwenden, dass mineralogisch gebundene Antimon genau so giftig sei. In natürlichen Antimon-haltigen Mineralien wie Stibnit ist Antimon chemisch gebunden, und zwar als Antimontrisulfid. In dieser Form ist es relativ stabil und nicht unmittelbar bioverfügbar, das heißt: es tritt nicht einfach so in die Umwelt oder in den Organismus über.
In Bleigeschossen ist Antimon nicht als Mineral gebunden, sondern als Legierungsbestandteil in metallischer Form. Diese Form ist reaktiver und kann durch Korrosion, Abrieb und Witterung schneller freigesetzt werden als das Antimon in Stibnit.
Dualismus der Elemente – und unsere Verantwortung
Antimon – das teuflische "Streuengelchen des Kriegs" – verteilt sein Gift lautlos über Böden, Wasser und Lebewesen. Unsichtbar und doch unvergänglich, bleibt es als toxisches Echo zurück. Gold – das himmlische Geschenk der Menschheitsgeschichte – begleitet Kulturen seit Jahrtausenden. Es moderiert, verbindet, symbolisiert. Gold ist Beständigkeit ohne Bedrohung, Glanz ohne Gift. Es steht für Wert, Vertrauen und Erinnerung – nicht für Zerstörung.
In dieser Gegenüberstellung offenbart sich mehr als ein chemischer Kontrast: Es sind zwei Narrative, zwei Weltbilder. Antimon steht für die unsichtbare Vergiftung, für Kriegsfolgen, die erst Jahrzehnte später sichtbar werden. Gold steht für kulturelles Erbe und ökonomische Stabilität, Bollwerk der Sicherheit und Hoffnungsträger der Nanowelt – mit Eigenschaften, die präzise medizinische Eingriffe ermöglichen.
Wenn wir Antimon als Mahnung begreifen, öffnet sich eine ethische Dimension: Wir tragen Verantwortung für die Erdböden und Gewässer, die wir künftigen Generationen hinterlassen. Gold erinnert uns daran, dass echter Wert nicht im Glanz liegt, sondern im Respekt vor den Ressourcen, die das Leben ermöglichen.
So wird der Dualismus der Elemente zur Aufforderung: Antimon nicht zu vergessen – als Schatten, der uns mahnt. Gold nicht nur zu begehren – sondern zu begreifen als Symbol für Nachhaltigkeit und Würde.
Und wie einst Otto von Guericke mit seinen Magdeburger Halbkugeln die Kraft des Vakuums demonstrierte, so zeigt sich auch hier: Zwei Hohlkörper – gedacht aus Gold und Antimon – werden durch äußeren Druck untrennbar verbunden. Kein Pferdegespann konnte sie lösen.
Diese physikalische Metapher wird zur geopolitischen Wahrheit: Manche Kräfte lassen sich nicht trennen, sondern nur begreifen.
Antimon und Gold – Brüder im Geiste, im Druck der Geschichte. Aus beiden Metallen sprechen Lehren, die uns den Weg weisen – für eine Welt, in der technischer Fortschritt und Umweltschutz nicht Gegensätze sind, sondern Verbündete.
© Hans-Jörg Müllenmeister