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Ist die Krise der Finanzmärkte vorbei? - Interview mit Ralf Borgsmüller

20.06.2009  |  Rohstoff-Spiegel

Ralf Borgsmüller, Diplom-Kaufmann, ist seit 2003 Partner der PSM Vermögensverwaltung GmbH in München. Die PSM ist die älteste bankenunabhängige private Vermögensverwaltung Deutschlands (gegründet 1965). Davor war er in leitenden Positionen bei renommierten Vermögensverwaltungen und als geschäftsführender Gesellschafter eines großen Family Office tätig. Mit nunmehr über 25 Jahren Erfahrung an den Finanz- und Kapitalmärkten und zahlreichen Vorträgen für verschiedene Seminarorganisationen gilt er als ausgewiesener Experte in der Vermögensverwaltung. Zusammen mit seinen sieben Partnerkollegen bei PSM verwaltet er aktuell über 500 Millionen EUR mit steigender Tendenz.


Rohstoff-Spiegel: In unserem letzten Gespräch im Rohstoff-Spiegel vom April 2007 (also noch vor dem Ausbruch der Subprime-Krise) sagten Sie uns vorausschauend bereits: "Das größte Risiko für Anleger in Rohstoffen in den nächsten drei Jahren ist eine sich möglicherweise stark abschwächende Weltkonjunktur mit der durchaus wahrscheinlichen Möglichkeit einer weltweiten Rezession. Konjunktursensible Rohstoffe werden dann aufgrund der stark sinkenden Nachfrage im Preis mehr oder weniger deutlich fallen und mit ihnen die entsprechenden Rohstoffaktien und Rohstofffonds." Wie sieht nun Ihr heutiger Ausblick für die Märkte in 2009/2010 aus?

Ralf Borgsmüller: Die von mir vor nunmehr gut zwei Jahren hier gemachten Aussagen sind leider voll eingetroffen. Die damals prognostizierte weltweite Rezession hat die Rohstoffpreise in 2008 stark einbrechen lassen, ebenso die Kurse von Rohstoffaktien und Rohstofffonds. Da die Weltwirtschaft in 2009/ 2010 in sehr schwierigem Fahrwasser bleiben wird, erwarte ich nach dem Ausaufen der gegenwärtigen technischen Erholungsphase an den Märkten für die meisten Rohstoffe und Rohstoffaktien wieder sinkende Preise.


Rohstoff-Spiegel: Das vergangene Jahr war für Investoren ein (hoffentlich) einmaliges Erlebnis.Selbst erfahrene alte Hasen am Markt wurden durch die massiven Verwerfungen oftmals am falschen Fuß erwischt. Ihr Haus, die PSM Vermögensverwaltung, gehört in Deutschland zu den wenigen, welche in diesen rauen Zeiten positive Erträge für seine Kunden erzielen konnte. Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Anlageerfolges?

Ralf Borgsmüller: Die acht Partner der PSM haben zusammen weit über 200 Jahre Wirtschafts- und Finanzmarkterfahrung. Wir haben mit dieser Erfahrung die am Horizont aufziehende Verschuldungs- und Kreditkrise rechtzeitig erkannt und uns bereits im Herbst 2006 frühzeitig aus riskanten Anlagen zurückgezogen. Mit der sehr bewussten Konzentration auf die drei Anlageklassen Staatsanleihen, Gold und Liquidität konnten wir in 2008 deutlich positive Ergebnisse zwischen +5,0% und +10,0% in den Kundendepots erzielen. Zusätzlich haben wir den USD gegen den EUR verkauft.


Rohstoff-Spiegel: Inwiefern unterscheidet sich die Strategie von PSM von den großen, mit Banken verbundenen Vermögensverwaltern?

R. Borgsmüller: Die Strategie der PSM ist in erster Linie auf Werterhalt der uns anvertrauten Kundenvermögen ausgerichtet. Wir messen unsere Arbeit nicht an der Entwicklung von sogenannten Benchmarks wie etwa Aktienindices, sondern wollen zunächst einmal nichts verlieren. Unsere Kunden sollen mit unserer Hilfe einen systematischen und stetigen Vermögenszuwachs erzielen und dabei ruhig schlafen können.


Rohstoff-Spiegel: Der Ruf der Finanzbranche litt im Zuge der Finanzkrise massiv. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht mehr Regulierung, geringere Gehälter und mehr Haftung für Bankmanager gefordert werden. Wie stehen Sie zu diesen Forderungen? Was lief Ihrer Meinung nach falsch in der Finanzindustrie und wie kann man diese Fehler in Zukunft vermeiden?

R. Borgsmüller: Die Forderungen nach mehr Regulierung und Aufsicht der Banken sind richtig und dringend notwendig. Die Notenbanken, die Banken- und Börsenaufsichten und die Regierungen der Industriestaaten haben im Hinblick auf ihre Bank-Aufsichtspflichten seit dem Jahr 2000 total versagt und dem internationalen Kredit-Spielcasino der Banken tatenlos zugeschaut. Eine extreme Ungerechtigkeit ist auch, dass viele für das aktuelle Desaster verantwortliche Bankmanager bisher nicht nur nicht zur Verantwortung heran gezogen wurden, sondern in 2007 und sogar noch im Krisenjahr 2008 mit erheblichen Abfindungen ihre Banken verlassen konnten.





Rohstoff-Spiegel: Nachdem sich die Weltkonjunktur im vierten Quartal als Folge der Lehman Pleite kurz vor dem Herzstillstand befand, sehen einige Ökonomen in den letzten Monaten vermehrt so genannte "Green Shoots". Was halten Sie von dieser Theorie? Gibt es wirklich einen Silberstreif am Horizont?

R. Borgsmüller: Die im Zuge der Krise eingeleiteten, historisch hohen geldpolitischen Maßnahmen der Notenbanken und fiskalpolitischen Programme der Regierungen können durchaus gegen Ende 2009 von sehr niedrigem Niveau ausgehend temporär positives Wirtschaftswachstum für ein bis zwei Quartale bewirken. Die grundlegenden Probleme im Bankensystem sind aber keineswegs gelöst. Wir rechnen mit weiteren Abschreibungen der Banken von über 3.000 Mrd. USD bis Ende 2012. Das wird weiter zu einer massiven Einschränkung der Kreditvergabe führen. Zudem befindet sich die Gesamtverschuldung in den wichtigsten Industrieländern auf historischem Höchststand, was vor allem bei den Konsumenten deutlich nachlassende Nachfrage erwarten lässt. Die Investitionen der Unternehmen gehen weltweit ebenfalls zurück.


Rohstoff-Spiegel: Die Aktienmärkte befinden sich seit Mitte März in einer massiven, liquiditätsgetriebenen Aufwärtsbewegung. Angesichts des geringen Investitionsgrades vieler institutioneller Investoren gehen die meisten Strategen von einer Fortsetzung der Rallye aus. Sollte man Ihrer Meinung nach derzeit noch auf den Zug aufspringen? Ist die aktuelle Bewegung bereits mit der Rallye zum Ende der letzten Baissen Anfang 2003 zu vergleichen?

R. Borgsmüller: Einen ähnlich positiven Verlauf der Aktienkurse wie nach dem letzten Aktieneinbruch von 2000 bis 2003 erwarten wir von Juni 2009 ausgehend nicht. Zwischen 2003 und 2008 hat sich die nach allen Maßstäben größte Kreditblase der Wirtschaftsgeschichte ereignet, die inzwischen mit lautem Knall geplatzt ist. Es wird viele Jahre dauern, bis sich die überschuldete Weltwirtschaft und das nach wie vor mit über 3.000 Mrd. USD fauler Kredite belastete Weltbankensystem nachhaltig erholen werden. Die gegenwärtige, rein technische Rallye an den Aktienmärkten kann zwar noch ein wenig weiterlaufen, danach dürfte es aber wieder zu deutlichen Kursverlusten kommen. Verkaufen von Aktien in die gegenwärtige Stärke ist daher angeraten.


Rohstoff-Spiegel: Anleihen waren in der Krise bisher die klaren Gewinner, in 2008 haussierten die Staatsanleihen und seit Januar kam es zu einer deutlichen Einengung der Risikoaufschläge bei den Corporates. Sind Anleihen immer noch ein gutes Investment oder überwiegt hier das Risiko mittlerweile?

R. Borgsmüller: Für mindestens die nächsten zwei Jahre wird Deflation und Wirtschaftskrise und nicht Inflation das bestimmende Thema an den Märkten sein. Im Vergleich zu den bisherigen, weltweiten Vermögensverlusten seit dem Hoch im Sommer 2007 in Höhe von ca. 50.000 Mrd. USD sind alle bisherigen Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Banken werden weiter ihre Bilanzen reparieren (Deleveraging) verbunden mit rückläufiger Kreditvergabe für die Wirtschaft. Überschuldete Konsumenten werden ihren Konsum inschränken und sparen. Unternehmen werden ihre Investitionen zurückfahren. Staatsanleihen bester Bonität sind deshalb nach Beendigung des gegenwärtigen, temporären Zinsanstiegs schon bald wieder interessant. Die Zinsen dürften vor allem in Europa wirtschaftsbedingt noch deutlich fallen, verschuldungsbedingt weniger in den USA.


Rohstoff-Spiegel: Anfang des Jahres beherrschten Diskussionen über die Zahlungsunfähigkeit einzelner Volkswirtschaften die Finanzmedien. So wurde beispielsweise über einen möglichen Ausfall von Euroländern wie Österreich, Italien oder Irland spekuliert. Hat diese Diskussion Ihrer Meinung nach nachhaltig die Ansichten der Finanzmarktteilneher zu den Risiken von Staatsbankrotten geändert? Welche Lehren sollten Anleger daraus ziehen?

R. Borgsmüller: Die Diskussionen um mögliche Staatsbankrotte sind fehlgeleitet. Die Notenbanken und/ oder die supranationalen Institutionen (IWF, Weltbank) können und werden im Ernstfall bedrohten Staaten jeden Geldbetrag zur Verfügung stellen. Natürlich ist dies auf lange Sicht inflationär, aber den Notenbanken und Regierungen bleibt angesichts der einmaligen Dimension der aktuellen Krise ohnehin nichts anderes übrig. Inflationieren oder Bankrottgehen ist das Schicksal der Weltwirtschaft.





Rohstoff-Spiegel: Im Zuge der massiven Ankurbelungsmaßnahmen in China konnten sich viele Rohstoffe seit Anfang des Jahres deutlich erholen. Für Investoren stellt sich nun natürlich die Frage, ob der "Megatrend Rohstoffe", welcher primär vom Aufstieg der Schwellenländern abhängt, nun weitergeht. Sollte man bereits wieder strategisch auf konjunkturabhängige Rohstoffe wie Öl und Kupfer setzten oder drohen uns hier noch böse Überraschungen?

R. Borgsmüller: Es ist eindeutig zu früh auf einen nachhaltigen Aufschwung konjunkturabhängiger Rohstoffe zu setzen. Wie weiter oben beschrieben, wird die Weltwirt schaft noch einige Zeit von eher schwachem bis rückläufigen Wachstum geprägt sein, was sich negativ auf die Nachfrage nach Öl und Kupfer und anderen konjunktursensiblen Rohstoffen auswirkt.


Rohstoff-Spiegel: Nach der großen Inflationspanik im Zuge der gestiegenen Milch- und Rohölpreise verzeichnen wir derzeit bereits rückläufige Preise in vielen Teilen Europas. Kehrt das Inflationsgespenst bald wieder zurück?

R. Borgsmüller: Wie oben bei der Frage zu den Anleihen ausführlich beschrieben wird für mindestens die nächsten zwei Jahre Deflation und Wirtschaftskrise und nicht Inflation das bestimmende Thema an den Märkten sein. Langfristig führt aber kein Weg an einer massiven Inflationierung mittels Notenpressen und weltweit deutlichen fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierungen vorbei, wenn wir nicht eine Systemkrise in der westlichen Welt mit allen sozialen Folgen riskieren wollen.


Rohstoff-Spiegel: Gold als klassische Anlageform für Krisen und Zeiten hoher Inflation erfreut sich seit Monaten reger Beliebtheit. Ist Gold jetzt immer noch die richtige Anlageform?

R. Borgsmüller: Kurzfristig ist Gold stark überkauft und die im Regelfall richtig liegenden Commercials an den Terminbörsen haben große Short-Positionen aufgebaut. Einer möglichen Abschwächung in nächster Zeit dürfte aber langfristig bis 2013 ein enormes Kurspotential für den Goldpreis von weit über 2.000 USD/Feinunze bestehen. Als der wahre Großvater aller Währungen wird Gold als Währungsersatz von dem zu erwartenden massiven Vertrauensverlust der Anleger in alle wichtigen Währungen im Zuge der weiteren Inflationierungsmaßnahmen seitens der Regierungen und Notenbanken profitieren. Die derzeit sehr niedrigen Zinsen für Festgeld und die Tatsache, dass Gold in den Depots der vermögenden Anleger weltweit immer noch nahezu keine Rolle spielt, werden den langfristig seit 2001 begonnenen Aufwärtstrend des Goldpreises ebenfalls unterstützen. Ebenso der im Trend weitere USD-Verfall.


Rohstoff-Spiegel: Kommen wir zur weiteren Entwicklung des US-Dollars. Sieht es nach der kurzfristigen Erholung im Zuge der Kreditkrise nun nach einer erneuten Dollar-Talfahrt aus?

R. Borgsmüller: Die USA müssen zur Finanzierung aller bereits beschlossenen Rettungsmaßnahmen in diesem Jahr ca. 2.500 Mrd. neue Staatsanleihen begeben. Da die US-Sparquote mit derzeit ca. 4% bei weitem nicht ausreicht, um diese neuen Schulden zu finanzieren, ist die USA auf Auslandsgelder angewiesen. Wenn die Ausländer wie bisher in 2009 netto aber nahezu keine neuen US-Staatsanleihen mehr kaufen, kann nur die FED mit Käufen durch frisch gedruckte USD einspringen. Sonst steigen - wie aktuell gerade zu sehen - die Zinsen, was jegliche Erholung der US-Wirtschaft verunmöglicht. Die gewaltige Menge an neu zu druckenden USD durch die FED dürfte den USD-Kurs im Trend und unter Schwankungen weiter unter Druck setzen. Zum Abschluss möchte ich Ihren geschätzten Lesern für die nächsten Jahre noch den dringenden Rat geben, das Hauptaugenmerk in der Anlagepolitik auf Vermögenserhalt zu legen. Die Risiken und damit die Gefahr von Vermögensverlusten bleiben in 2009/2010 wie oben beschrieben weiter sehr hoch.