Mr. Bernanke geht zur Uni
26.03.2012 | James Turk
Ben Bernanke, Chef der Federal Reserve, hielt Anfang dieser Woche eine Vorlesung vor Studenten der George Washington University. Diese Vorlesung war die erste aus einer Vorlesungsreihe zum Thema "The Federal Reserve und ihre Rolle in der heutigen Wirtschaft". ZeroHedge macht auf ein interessantes Detail bezüglich Bernankes Vorlesung aufmerksam: "Die Wörter Gold und Standard wurden häufiger erwähnt, als die Wörter Zentral und Bank.“
Der Text seiner Rede ist noch nicht auf der Webseite der Fed zu finden, doch die Webseite „Business Insider“ veröffentlichte eine Zusammenfassung. Ohne jegliche Zurückhaltung und mit einer sichtlich extremen Ergebenheit gegenüber den heutigen Fiat-Währungen, wird auf Business Insider erklärt: "[Mr. Bernanke] hat soeben den Goldstandard erledigt.“
Angesichts dieser sensationellen Schlagzeile, dachte ich mir, dass es nicht schaden könnte, die die Kehrseite der Medaille zu zeigen. Es folgen die Kommentare von Business Insider (kursiv gedruckt), die darauf abzielen, Gold schlecht zu machen. Meine Kommentare folgen jeweils in Anschluss.
Business Insider: “Für einen Goldstandard muss man Gold in Südafrika ausbuddeln und dann in einen Keller in New York schaffen. Das ist unsinnig.“
- Diese Welt ist nicht perfekt. Wäre sie das, bräuchten wir keine Polizei, die Zentralbanker träfen die richtigen Entscheidungen und die Politiker wüssten, dass sie nicht zu viel Geld ausgeben und leihen sollten. Tatsache ist aber, dass schlechte Entscheidungen getroffen werden und dass der Staat zu viel Geld ausgibt und sich exzessiv verschuldet. Also brauchen wir Gold als natürliche Geldform, dessen Angebot durch das Bergbaugeschäft bestimmt wird. Glücklicherweise verhindert die nahezu perfekte geographische Streuung des Minerals in der Erdkruste ein exzessives Goldangebot (mit extrem wenigen historischen Ausnahmen, wie z.B. eine Handvoll reicher aber vergänglicher Bonanza-Erzadern, die in der Vergangenheit für eine kleine Übersättigung gesorgt hatten). Und aus diesem Grund kann Gold auf eine 5.000-jährige Geschichte als Geld verweisen, die der Geschichte der Zentralplaner in der Federal Reserve bei Weitem überlegen ist.
Business Insider: Der Goldstandard führt am Ende dazu, dass alle Währungen miteinander verkoppelt werden, und das führt wiederum dazu, dass die Entscheidungen des einen Landes auf das andere übertragen werden (ungefähr so, wie sich die US-Politik jetzt auf China überträgt, weil China den Kurs des Yuan an den Dollar koppelt). Wenn nun Großbritannien britischen Pfund in einem Verhältnis eine Unze Gold koppelt und die Vereinigten Staaten Dollars in einem Verhältnis an eine Unze Gold koppelt, dann findet unausweichlich auch eine Kopplung zwischen Pfund und Dollar statt.“
- Richtig. Und das ist einer der vielen Vorteile des Goldstandards. In einem Bericht an den US-Kongress bezeichnete Alan Greenspan diese Goldeigenschaft als "Automatizität“. Zwischen den Goldstandard-Ländern floss das Kapital ungehindert und frei auf Grundlage umsichtiger Anlageentscheidungen, wodurch die Goldeigentümer festlegten, wo ihrer Ansicht nach ihr Kapital am besten prämiert wurde. Als die Regeln des Goldstandards befolgt wurden, entschärften sich auch die wirtschaftlichen Krisenzyklen. Zu den Folgen der Aufgabe des Goldstandards gehört unter anderem auch, dass die globalen Finanzungleichgewichte in den letzten Jahrzehnten extrem anwuchsen und dass Länder mit dauerhaften Handelsüberschüssen immer mehr "Staatsfonds“ gründeten.
Business Insider: "Er lässt Deflation entstehen“, wie William Jennings Bryan schon sagte. Die Hauptaussage seiner "Cross of Gold”-Rede ist folgende: Weil die Schulden der Landwirte an Gold gebunden waren, trieb sie der Verlust der Preisgestaltungsmacht im Rohstoffbereich in den Ruin.“
- Ist Deflation denn schlecht? Den Menschen entstehen Vorteile aus sinkenden Preisen. Auch für Landwirte ist es vorteilhaft, wenn sie weniger für Benzin oder andere Güter und Dienstleistungen zahlen. Bryans Rede auf dem Bundestreffen der Demokraten im Jahre 1896 war politisch motiviert und hatte keine soliden ökonomischen Grundlagen. Seine Präsidentschaftswahlkampf und sein politisches Streben gerieten ins Wanken, und er vertraute auf protzige Rhetorik, um die Landwirte des Landes zu besänftigen und Stimmen zu gewinnen. Er hatte damit keinen Erfolg. Dennoch greifen die Anti-Gold-Propagandisten nur zu gerne auf seine Worte zurück. Übrigens wollte Bryan den Goldstandard nicht abschaffen. Er war auch kein Befürworter des Fiat-Geldes. In der Debatte um den zukünftigen monetären Standard hatte er sich einfach nur zugunsten von Silber anstatt von Gold ausgesprochen.
Business Insider: "Unter einem Goldstandard steigen in der Regel die Zinssätze während eines wirtschaftlichen Abschwungs, in guten Zeiten fallen sie. Und das ist das genaue Gegenteil, was Geldpolitik bewirken sollte."
- Dieser Kommentar stellt die Wirkungsweise des Goldstandards falsch dar. Man müsste viel eher sagen, dass die Zinssätze mit Absicht stiegen, um den Abschwung herbeizuführen, d.h. um den Boom zu beenden, bevor er außer Kontrolle geraten und noch mehr Elend anrichten würde, wenn die Krise letztendlich kam. Aus geldgeschichtlicher Sicht waren natürlich immer schon die wiederkehrenden Boom-Bust-Zyklen das Problem. Sie werden aber durch das partielle Reservesystem der Banken verursacht und nicht durch Gold.
Business Insider: „Die wirtschaftliche Aktivität war deutlich volatiler zuzeiten des Goldstandards (man denke nur an all die Depressionen und Rezessionen vor der Einführung der Fed).“
- Hat Bernanke das wirklich gesagt, oder ist das nur eine fantasievolle Interpretation des Business Insiders? Warten wir, bis die schriftliche Version der Rede vorliegt. Aber was ist mit der Großen Depression, die die Fed bewirkt hatte? Was ist mit der desaströsen Inflation der 1970er Jahre und der schweren Finanzkrise, die sich nun schon einige Jahre hinzieht? Ganz zu schweigen von der Aktienmarktblase Ende der 1990er und der jüngsten Immobilienkrise? Diese zerstörerischen monetären Umbrüche waren alle schlimmer als die Ereignisse vor Einführung der Fed. Zudem war das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum zu Zeiten des klassischen Goldstandards fast doppelt so hoch, wie in den Jahren seit 1971, als die letzten Reste des Goldstandards beseitigt wurden.
Business Insider: “Der Goldstandard funktioniert nur dann, wenn sich die Menschen sicher sind, dass sich die Zentralbank AUSSCHLIESSLICH um die Einhaltung des Goldstandards kümmert. Sollte sie auch nur ansatzweise den Eindruck erwecken, dass sie auch noch andere Prioritäten hat (wie z.B. die Senkung der Arbeitslosigkeit), bricht alles zusammen.“
- Das ist ein weiterer unglaublicher Kommentar. Mit der Einführung des Goldstandards sollte ja eben sichergestellt werden, dass es keine andere Priorität gab, weil nur so für stabiles Geld, welches von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft ist, garantiert werden konnte. Stabiles Geld bedeutete, dass die Wirtschaft allen eine faire Grundlage bieten konnte und nicht zugunsten von Bankern oder staatlichen Interessen verzerrt wurde. Um diesem wichtigen Punkt noch mehr Gewicht zu verleihen, ein Zitat von Ludwig von Mises: "Die Bedeutung des Begriffes "wertstabiles Geld“ lässt sich gar nicht erfassen, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, dass es als Instrument zum Schutz der bürgerlichen Rechte gegen despotische Angriffe seitens der Staatsgewalt konzipiert wurde.
Ideologisch betrachtet, gehört es somit in eine Kategorie mit politischen Konstitutionen und Bürgerrechtserklärungen.“ Ähnlich äußerte sich auch Howard Buffett, Vater der Wall-Street-Legende Warren Buffett: “In einem freien Land steht die Geldeinheit auf einem festen Fundament aus Gold oder aus Gold und Silber, unabhängig von den herrschenden Politikern.” Kurz: Gold und die Freiheit des Menschen sind untrennbar miteinander verbunden.
Business Insider: "Goldstandards machen die Zentralbanken anfällig für einen spekulativen Ansturm, weil normalerweise nicht das gesamte Gold hinterlegt ist.“
- Genau. Sollte man aber deswegen dem Gold die Schuld an dieser Täuschung geben? Kann Gold schuld daran sein, dass das Geld der Zentralbanken nicht zu 100% gedeckt ist. Oder ist es die Schuld der Zentralbanker?
Dass Mr. Bernanke seine Rede an meiner eigenen Alma Mater hielt, ist schon eine Ironie des Schicksals. Er wärmt schlicht und einfach denselben alten Mist wieder auf, den ich dort vor 40 Jahren lernte, als ich auf meinen Abschluss in Internationaler Wirtschaftslehre hinarbeitete. Zumindest sagte Bernanke eine Sache nicht, die mir dort beigebracht wurde, und zwar, dass Gold auf ca. 7,50 $ fallen würde, sollte der Staat aufhören, einen Goldpreis von 35 $ pro Unze "aufrechtzuerhalten“ (der Dollar wurde damals noch mit 13,71 grain Feingold definiert).
Als US-Präsident Nixon die Goldkopplung des Dollar dann 1971 aufhob und der Goldpreis stieg - und nicht fiel - hatte ich die Geistesgegenwärtigkeit, mir die Frage zu stellen, warum Gold nicht auf 7,50 $ absackte. Auf der Suche nach Antworten stieß ich glücklicherweise auf Mises‘ Werk "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“. Weil es so brillant war, fing ich an, auch seine anderen Bücher zu lesen und die Hayeks, Rothbards und der großen Gelehrten der Österreichischen Schule, von denen ich während meiner Zeit an der Universität nie etwas gehört hatte. Es ist traurig, dass keiner der Gründungsväter der Österreichischen Schule damals an der George Washington University lehrte. Aber noch trauriger ist, dass das dirigistische keynesianische Dogma, das Mr. Bernanke verbreitet, auch heute noch die jungen Geister irreführt.
© James Turk
GoldMoney - der bessere Weg Gold und Silber zu kaufen.
Dieser Artikel erschien am 21. März 2012 auf www.fgmr.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.