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Der echte Crash

05.06.2012  |  Peter Schiff

2008 und 2009 wurde man zum ersten Mal in den USA auf mich aufmerksam, damals implodierten gerade die Immobilien- und Kreditmärkte. Ich wurde bekannt als derjenige, den die anderen ”Marktexperten” auslachten, als er davor warnte, dass die scheinbar so unzerstörbare US-Wirtschaft echte Probleme bekommen wird. Als Mitte 2008 plötzlich alles zum Stillstand kam, merkten die Leute, dass sich mein Buch "Crash Proof“, das 2007 veröffentlicht wurde, wie eine detaillierte Vorschau auf die vielen Ereignisse las, die schließlich eingetreten waren.

Drei Jahre später bläst mir wieder eine kühlere Brise entgegen, da viele behaupten, ich läge mit meinen Vorhersagen daneben. Ihrer Meinung nach konnte ich zwar den Crash korrekt vorhersagen, die Widerstandskraft der amerikanischen Wirtschaft hätte ich jedoch deutlich unterschätzt. Man räumt zwar ein, dass die USA sich einen "unerwarteten" Kinnhaken einfingen und ein langsam verschwindender blauer Fleck zurückbleibt, dennoch, so der Tenor, gingen die USA nie zu Boden - entgegen meiner Vorhersagen.

Man hatte fälschlicherweise angenommen, dass der Crash, vor dem ich gewarnt hatte, ausschließlich die Kredit-Bubble im Umfeld des Immobiliensektors betraf. Diese Bubble war zwar ein Teil von all dem, aber aus meiner Sicht ist damit das Ende lange noch nicht gekommen. Jener Crash, der mir am meisten Sorgen bereitete, war einer, der sich aus der staatlichen Reaktion auf den ursprünglichen Krisenherd ergeben würde. Meine Sorge war nicht, dass unsere Wirtschaft an der Krankheit, die ich diagnostiziert hatte, zugrundgehen würde, meine Sorge war, dass sie an der "Medizin“, die die Regierung prompt zur Bekämpfung bereitstellen würde, zu Boden geht.

Wenn die staatliche Verzögerungstaktik, die mit laufender Schuldenaufnahme und Geldschöpfung einhergeht, nicht mehr tragbar sein wird, besteht die Möglichkeit eines Dollar-Zusammenbruchs, die Kreditkosten und Verbraucherpreise könnten steil ansteigen und die US-Wirtschaft implodieren. Das ist der echte Crash, vor dem ich warnte und über den sich jetzt alle Gedanken machen sollten.

In meinem neuen Buch geht es um Folgendes: The Real Crash: America's Coming Bankruptcy, How to Save Yourself and Your Country. Bis jetzt ist es nur eine Prophezeiung, welche aber, wie mit meinem ersten Buch, bald schon Wirklichkeit werden könnte. Leider hat die Politik der Bush/ Obama-Administration und die der Federal Reserve unter Ben Bernanke die Chancen, dass meine katastrophalen Ansichten Wirklichkeit werden, drastisch erhöht. Das Buch ist jedoch kein reines Untergangsszenario: Ein großer Teil des Buches widmet sich Lösungen. Der echte Crash mag vielleicht unausweichlich sein, aber nicht unsere Reaktionen darauf. Wir können den von mir empfohlenen Weg zurück zum Wohlstand beschreiten, oder wir können auf dem aktuell eingeschlagenen Weg bleiben, der meiner Meinung nach in den Ruin führen wird.

In der Rückbetrachtung wird man die Jahre unmittelbar nach der Kreditkrise 2008 als Zeit definieren, in der im wirtschaftlichen Bereich in jeder Hinsicht gefährlich fahrlässig gehandelt wurde. Wir haben Zeit geschunden, indem wir die enormen Probleme vorerst einfach unter den Teppich kehrten. Mit einer Mischung aus politischer Feigheit, ökonomischen Unwissen und Ignoranz sowie falschem Vertrauen graben wir uns eine Grube, die so tief ist, dass es Generationen dauern könnte, bevor wir wieder draußen sind.

Heute, Mitte 2012, gehen die meisten davon aus, dass wir seit den dunklen Tagen des Jahres 2008, als wir an der Wirtschaftskatastrophe vorbeischrammten, schon wieder große, erfolgreiche Schritte zurückgelegt haben. Sicher, die unterdurchschnittlichen 2% bis 3% BIP-Wachstum sind kein Grund zu feiern, aber wir werden immer wieder daran erinnert, dass wir die Kurve bekommen haben und dass die Situation hierzulande besser ist als in anderen Regionen der Welt. Aber was hat sich wirklich geändert?





Unmittelbar vor dem Crash stand die Wirtschaft der USA vor folgender Situation: Rekordniveau der Konsumentenverschuldung, dauerhaft hohe Handelsdefizite, beispiellos hohe Haushaltsdefizite, hohe Energiepreise und ein sterbender Industriesektor. Vier Jahre später haben sich all diese Probleme verschlimmert. Im Unterschied zu 2008 haben wir heute auch mit der höchsten Arbeitslosenquote seit Generationen und einer Staatsverschuldung zu kämpfen, die damals noch unvorstellbar war. Richtig, technisch betrachtet, befinden wir uns nicht mehr in einer Rezession. Aber meiner Meinung nach ist das auch nur eine Illusion, die durch den billigsten und durchschaubarsten Trick, der jemals ersonnen wurde, aufrechterhalten wird.

Wie ich festgestellt hatte, war unser Wirtschaftswachstum vor der Krise zum großen Teil von der Immobilienblase abhängig. Als die Blase platzte, wusste ich, dass die Wirtschaft zwangsläufig schrumpfen würde. Und genau das passierte auch. Von 2008 bis 2009 schrumpfte das BIP der USA (das ca. 14 Billionen $ beträgt) um 212 Milliarden $. Um weitere Rückgänge zu verhindern, setzte die Regierung auf offensive Ausgabepolitik, wofür sie sich stark verschulden musste. Zur Erleichterung (fast) aller, konnten diese Maßnahmen die nominale Kontraktion tatsächlich stoppen. Von 2010 bis 2011 wuchs das BIP der USA um 502 Milliarden $, von 2011 bis 2012 kamen noch einmal 508 Milliarden $ hinzu. Alles in allem erreichte die US-Wirtschaft seit Ende 2008 ein BIP-Wachstum von insgesamt 798 Milliarden $. Aber diese Zuwächse hatten einen sehr hohen Preis.

Insgesamt belaufen sich die über diesen Zeitraum angehäuften Haushaltsdefizite auf atemberaubende 4,2 Billionen $! Allein 2009 wurden Neuschulden von 1,4 Billionen $ aufgetürmt (2007 lag das Defizit bei nicht mehr als 161 Milliarden $). Mit anderen Worten: Wir borgten uns das Fünffache der Wachstumsleistung. Diese "Wachstumsstrategie“ unterscheidet sich im Grunde nicht einer Person, die die Hälfte ihres Einkommens verliert aber weiterhin Geld ausgibt, indem die Kreditkarte belastet wird. Kann Wirtschaftswachstum wirklich so beschrieben werden? Und dennoch beschreiben wir unsere derzeitige wirtschaftliche Lage genauso - Experten, Ökonomen, Politiker, Investoren und Akademiker stimmen größtenteils zu.

Bevor ich "Crash Proof“ schrieb, war ich mir sicher, dass die Regierung niemals eine so starke Wirtschaftsschrumpfung zulassen würde, dass Gleichgewicht und Tragfähigkeit wieder möglich würden. Ich wusste, dass die Staatsausgaben und Defizite durch die Decke schießen würden. Ich dachte, diese Tatsachen würden schließlich den Dollarkurs stark sinken lassen und auch führen, dass die ausländischen Kreditgeber staatliche US-Anleihen meiden würden. Ich hatte jedoch nicht bedacht, dass die falsche Wahrnehmung der Lage in Europa - noch verheerender als in den USA - uns eine Gnadenfrist verschaffen würde.

Wenn schließlich der Vorhang für das Drama in Europa fällt, wird sich die Welt wieder verstärkt für die spektakuläreren Ereignisse in den USA interessieren. Die Staatsschuldenkrise, die sich gerade in Europa abspielt, wird dann auch den Atlantik überqueren; und wenn sie hier loslegt, könnte der echte Crash tatsächlich beginnen. Die amerikanischen Bürger werden zwar einen Platz in der ersten Reihe haben, aber die Vorstellung werden sie wohl kaum genießen können.


© Peter Schiff
www.europac.net


Dieser Artikel erschien am 23.05.2012 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.