Ein Goldstandard? (Teil 2)
08.06.2012 | John Mauldin
Den ersten Teil können sie hier lesen ...
Eine Standpauke
Jim Grant
Meine Geschichtsbetrachtung deckt sich mit der Goodharts, jedoch nicht mit jener, die die Fed an die Öffentlichkeit kommuniziert. Wäre jetzt der Vorsitzende Bernanke anwesend, so würde ich ihn in allem Respekt fragen, warum immer wieder auf die Große Depression verwiesen wird. Sie war nur zyklische Phase, unter vielen anderen. Viel lehrreicher ist für mich beispielsweise die Depression der Jahre 1920-21. Der wirtschaftliche Einbruch war so übel und tief wie der der Jahre 1929-33, allerdings mit dem schlichten und interessanten Unterschied, dass er endete.
Vom Vorkrisenhoch bis zum Krisentief - d.h. vom Frühjahr 1920 bis zum Sommer 1921 - sank das nominale BIP in den USA um 23,9%, die Großhandelspreise brachen um 40,8% ein, der US-Verbraucherpreisindex sank um 8,3%. Die Arbeitslosenquote stieg, da sie damals nicht präzise errechnet wurde, auf 14%, vor Krise lag sie bei 2%. Und wie begegnete die Regierung unter US-Präsident Warren G. Harding dieser schweren makroökonomischen Notlage? Sie glich den Staatshaushalt aus!
Der Präsident erklärte im Jahr 1921, als die Wirtschaft auseinanderzubrechen drohte: "In der heutigen Welt gibt es keine größere Bedrohung als die der wachsenden öffentlichen Verschuldung und steigender öffentlicher Ausgaben.“ Und was machte die flügge werdende Fed angesichts ihres ersten großen Wirtschaftseinbruches? Eine strengere Geldpolitik! Sie trieb die kurzfristigen Zinssätze mitten in der Depression auf ein Hoch von 8,13% - am Ende der Hochkonjunkturphase standen sie bei 6%! Zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte dieser Institution lagen jetzt die Zinssätze am Tiefpunkt des Zyklus höher als am Höhepunkt des Zyklus, so Allan Meltzer.
Doch dann passierte etwas Wunderbares: Die Märkte bereinigten sich und eine lebhafte Erholung begann. Es gab in dieser Zeit viele Bankrotte und reichlich wüste Beschimpfungen an die Adresse des Vorsitzenden der New York Fed, Benjamin Strong, da die Deflation eine besonders breite Schneise der Verwüstung durch den amerikanischen Agrarsektor zog. 1922, im ersten Jahr mit ununterbrochener Wirtschaftserholung seit Ausbruch der Krise, zog der von der Fed ermittelte Index der industriellen Produktionsleistung um ganze 27,3% an. Ab 1923 lag die Arbeitslosenquote wieder bei 3,2%. Die 1920er begannen golden zu werden.
Und wussten Sie Folgendes? Die größte staatlich akkreditierte Nationalbank, die während dieses deflationären Zusammenbruchs Bankrott ging, war die First National Bank of Cleburne (Texas). Und ihre Einlagen betrugen nur knapp 2,8 Millionen $. Selbst die Vorläufer der heutigen Citigroup blieben solvent (aber auch schon damals war es für die Citi eine ganze knappe Geschichte, da sie sich übermäßig bei kubanischen Zuckerwerten positioniert hatte, die nun von der Deflation erfasst wurden.) Kein TARP, kein Ausnehmen der Sparer durch Null-Prozent-Zinssätze, kein QE, kein Hochpressen der Aktienmarktkurse, keine wie auch immer gearteten staatlichen "Stimuli“. Und trotzdem - ich wiederhole es - die Depression endete! Meine Fragen nun an alle, die heute das, was uns plagt, mit immer neuen Interventionen heilen wollen: Wie kam es, dass die Depression der Jahre 1920-21 überhaupt endete? Wie kommt es, dass die einfachen Maßnahmen, mit denen die Entscheidungsträger die Krise behandeln, immer noch nicht bei uns verfangen?
Wenn Sie nun die Entscheidungen der Jahre 1920-21 als Vorlage für die Politik des 21.Jahrhunderts ablehnen, weil 1920 schließlich schon so lange her ist, dann kann ich nur entgegnen, dass 1929 ebenfalls schon sehr lange her ist. Und sollten Sie von Ihrer ablehnenden Haltung partout nicht abrücken wollen, weil die Lektionen aus der Harding-Depression letztendlich völlig im Widerspruch zu den Lektionen stehen, die man den Hoover- und Roosevelt-Depressionen anschließend abgerungen hat, dann entgegne ich nur, dass Hardings Ansatz zumindest funktionierte. Der Preismechanismus ist wahrer und das Geschäftsleben zählebiger als die Befürworter radikaler Interventionen im 21.Jahrhundert scheinbar zuzugeben bereit wären.
In deutlichem Kontrast zu der Harding-Methode scheinen die heutigen geldpolitischen Maßnahmen nicht zu funktionieren. Wir legislieren, regulieren und intervenieren, aber trotzdem siecht der Patient weiter vor sich hin. Wir haben es mit einem weltweiten Scheitern der Geld- und Kreditinstitutionen zu tun. In den Zeitungen lese ich, die Banca Monte dei Paschi di Siena habe mit einer hartnäckigen Kreditkrise zu kämpfen. Zum ersten Mal seit über 500 Jahren könnte sich die Stiftung, die diese alte italienische Bankeninstitution kontrolliert, zum Verkauf von Unternehmensanteilen gezwungen sehen. Wir alle haben schon von Jahrhundert-Fluten gehört. Wir scheinen aber in einer Art 500-Jahre-Schuldenflut zu stecken.
Viele fordern jetzt mehr staatliche Regulierung - z.B. mehr Institutionen wie das brandneue Amt für Finanzanalyse des US-Finanzministeriums. In der Ausgabe der Financial Times vom 8.März plädiert die Kolumnistin Gillian Tett für zusätzliche Ressourcen für die überwältigten Aufsichtsbehörden. Informationsüberflutung, so klagt sie, sei der Grund, warum die Aufsichtsbehörden nicht mit jenen Institutionen Schritt halten können, die sie eigentlich überwachen und schützen sollen. Für mich besteht das eigentliche Problem jedoch nicht darin, dass die Aufsichtsbehörden uninformiert sind. Sondern eher darin, dass die Eigentümer und Manager dieser Institutionen unverantwortlich und nicht zur Rechenschaft ziehbar sind.
Es war einmal vor langer Zeit - insbesondere in der Zeit zwischen dem National Banking Act von 1863 und dem Banking Act von 1935 - als Störungen oder Insolvenzen einer staatlich akkreditierten Nationalbank noch automatisch Nachschusszahlungen auf den Plan riefen. Diese kamen aber nicht von den Steuerzahlern, sondern von den Anteilseignern. Immerhin war es ja auch ihre Bank. Individuelle Haftung im Bankenwesen war die Regel in vorgeschrittenen Wirtschaften. Hartley Withers, Herausgeber der Zeitschrift "The Economist“ im frühen 20.Jahrhundert, schüttelte seinen Kopf mit Blick auf das Mikromanagement amerikanischer Banken durch das Office of the Comptroller of the Currency. 25% der Einlagen dieser Banken mussten Bareinlagen bleiben - sie mussten also in Gold oder aber Geld gehalten werden, das nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen in Gold konvertierbar war. Und diese Regeln galten. Trotzdem gab es in New York Paniken, während es in London keine gab. Withers meinte feierlich: “Gutes Banking entsteht durch gute Gesetze, sondern durch gute Banker.”
Richtig so, Withers! Und einen guten Banker macht mehr aus als bloßes Fachwissen. Wichtig ist auch die Gottesfurcht, oder genauer gesagt, die Verantwortung für die Solvenz der Institution, die er oder sie besitzt oder leitet. Die Unternehmenspartnerschaft Brown Brothers Harriman - die älteste, noch existierende offene Handelsgesellschaft an der Wall Street - braucht zum Beispiel keine Motivationsreden der Aufsichtsbehörden, um sich aus der Gefahrenzone zu halten. Jeder Partner und jede Partnerin haftet für die Schulden des Unternehmens mit seinem oder ihrem Gesamtvermögen. Mein Kollege Paul Isaac, der heute hier mit anwesend ist - er tritt gleichzeitig auch als mein persönlicher Vorkoster für Speise und Trank auf - hat einen faszinierenden Vorschlag, wie man unseren halbsozialisierten Bankeninstitutionen Kreditkultur einflößen könnte.
Wir können beschränkt haftende Unternehmen nicht in offene Handelsgesellschaften umwandeln. Auch könnten wir den Bankaktionären schwerlich wieder die sogenannte Nachschusspflicht auferlegen. Man könnte allerdings Folgendes tun, und darauf drängt mein Kollege Paul Isaac: Man könnte sich jenen Teil der von bankrotten Banken gezahlten Abfindungsleistungen zurückerstatten lassen, der das Zehnfache eines Durchschnittlohns im produzierenden Gewerbe übersteigt - und zwar für die gesamten sieben Kalenderjahre bevor die ruinierte Bank über den Jordan ging. Bei einer solchen Rückerstattung wäre keine Durchschnittberechnung und keine Absetzung erlaubt. Und die Rückerstattung müsste in bar erfolgen.
Die Idee dahinter, so Isaac, ist eine doppelte. Erstens würde man den staatlichen Stellen die Aufgabe entziehen, festzulegen, was riskant ist oder nicht - denn das weiß die öffentliche Hand nun wirklich nicht. Zweitens würde man das Risiko für das leitende Management für den Fall eines Bankrotts zu erhöhen, ohne sie jedoch voll und ganz dem Damoklesschwert der persönlichen Vollhaftung auszusetzen. Wenn Banker käuflich sind, warum sollte man sich diese Käuflichkeit nicht im öffentlichen Interesse zunutze machen? Über weite Teile dieser 100 Jahre, und ganz besonders in den letzten 5 Jahren, haben wir die Risiken der Hochfinanz sozialisiert. Banker die Risiken eingehen, tragen dieser aber allzu oft nicht persönlich. Den Kapitalisten soll das Gewinnpotential natürlich nicht genommen werden. Sie sollen bloß auch den vollen Anteil an der Kehrseite haben.
Im März 2009 veröffentlichte die Financial Times einen Leserbrief zum damals noch neuen Thema QE. “Nun verstehe ich zwar den Begriff ‘quantitative Lockerungen’", so schreibt Gerald B. aus Stourbridge, West Midlands, "ich merke allerdings auch, dass ich die Bedeutung des Wortes 'Geld' nicht mehr verstehe.“
Es bleibt nicht genug Zeit bei diesen kurzen Kommentaren, um Sie von der Notwenigkeit einer Rückkehr zum klassischen Goldstandard zu überzeugen. Ich bräuchte mindestens noch einmal 10 Minuten. Aber ich vermute hier einigen Skeptizismus. Sehr gut, dann erzähle ich Ihnen also folgende Tatsache: Am 27.März 1973, vor nicht ganz 39 Jahren, wurde auf dem Vorläufer des heutigen G-20 feierlich beschlossen, dass die Sonderziehungsrechte, auch bekannt als SZR, "in Zukunft zur entscheidenden Reservenanlage werden, die Rolle des Goldes und der Währungsreserven wird verringert werden." Hier sprach das Establishment - das heißt Sie. Wenn eine weltweite Übereinkunft über die Wirksamkeit der SZR möglich ist, dann ist alles möglich - auch eine Rückkehr zum am wenigsten mangelhaften internationalen Geldstandard, der je im Einsatz war.
Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis: Ich sprach nicht vom perfekten Geldsystem oder vom besten Geldsystem, das jemals von einem theoretischen Ökonomen erträumt wurde. Der klassische Goldstandard zwischen 1879 und 1914 "‘funktionierte‘, […] mit allen Anomalien und Ausnahmen.“ Die zitierten Worte entnahm ich einem Buch mit dem Titel: “The Rules of the Game: Reform and Evolution in the International Monetary System” von Kenneth W. Dam - Rechtsprofessor und ehemaliger Kanzler der University of Chicago. Dam hatte eine widerwillige, leicht neidische Bewunderung für den Goldstandard - ein wenig wie auch Arthur Bloomfield von der New York Fed, dessen Monographie "Monetary Policy under the International Gold Standard“ 1959 von Ihnen veröffentlicht wurde. Bloomfield (wie auch Dam) weist darauf hin, dass der klassische Goldstandard nicht ganz automatisch war. Aber er war synchron, er korrigierte sich selbst und er brachte nationale Solvenz und, auf lange Sicht betrachtet, auch eine erschreckende Preisstabilität. Auch die Banken waren solvent, sogar die Zentralbanken, die, wie Bloomfield anmerkte, keine Staatsschulden monetisierten.
Das Markenzeichen des klassischen Goldstandards war natürlich das Gold - jeder Währungshalter hatte die Option, Metall gegen Papier einzuwechseln oder Papier gegen Metall - zu einem festen, gesetzlich festgelegten Kurs. Der Wechselkurs war fest, und ich meine damit auch fest. “Es ist schon bemerkenswert", so Dam, “dass es zwischen 1879 und 1914 - ein deutlich längerer Zeitraum als der zwischen 1945 und dem Niedergang von Bretton Woods 1971, zu keiner Änderung der Kursrelationen zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Deutschland kam, ganz zu schweigen von denen vieler kleinerer europäischer Länder.“ Die Früchte dieser Festigkeit waren zahlreich und süß. Darunter auch, um wieder Dam zu zitieren "ein Fluss privater Auslandsinvestitionen, den die Welt in diesem Ausmaß noch nicht erlebt hatte und, im Verhältnis zu anderen ökonomischen Aggregaten, nie wieder erleben sollte.“
Meine gekaufte Ausgabe von "Rules of the Game" stammt übrigens aus der Bücherei der Federal Reserve Bank of Atlanta. Scheinbar bereitet sich Präsident Lockhart nicht auf den kommenden klassischen Goldstandard Teil II vor - ich mache das zumindest und Sie sollten das, wenn Sie erlauben, vielleicht ebenfalls machen. Zur Vorbereitung würde ich Ihnen auf jeden Fall das neue Buch meines Freundes Lew Lehrman "The True Gold Standard: A Monetary Reform Plan without Official Reserve Currencies: How We Get from Here to There." ans Herz legen.
Es ist schon etwas dick aufgetragen, wie ich hier vor einer Institution Gold anpreise, die selbst auf 216 Millionen Feinunzen von diesem Zeug sitzt. Bei einer Bewertung von 42,222 $ pro Unze hat der Schatz in Ihrem Keller einen Wert von 9,1 Milliarden $. Übrigens wurde der offizielle Preis in SZR angegeben, 35 $ für die Unze - und jetzt könnten Sie vor einer absurden Wahl stehen. Im Jahr 2008, als Ihr Hausverlag die Schrift "The Key to the Gold Vault" herausgab, lag der Marktwert bei 194 Milliarden $. Heute liegt er bei 359 Milliarden $, was ja nur ermutigend ist, wenn man selbst gerade beim physischen Gold "long“ ist. Alles andere würde in meinen Augen eher einer schweren Ächtung des modernen Zentralbankenwesens gleichkommen.
Und was würde ich nun machen, wenn ich nach der Amtseinführung Ron Pauls hier im Büro des Chefs sitzen würde? Ich würde tun, was ich könnte, um eine Normalisierung der Zinssätze in Gang zu bringen. Ich würde Jon Hilsenrath vom Wall Street Journal zum Mittagessen einladen, um ihm mitzuteilen, die Fed habe ihre Deflationsphobie nun endlich hinter sich gelassen und auch den Atlas-Komplex aufgegeben. „Das ist für uns Kapitalismus, Jon”, würde ich sagen. Danach würde ich Präsident Dudley anrufen. “Bill”, würde ich sagen, “wir sind ja nicht gerade führend in den aufsichtbehördlichen Bestrebungen, den Verschuldungsgrad der großen amerikanischen Finanzinstitutionen zu senken.
Müssen wir mit einem Hebel von 89:1 arbeiten?" Und schließlich würde ich die schwere Denkarbeit der Brainiacs von der Forschungsabteilung der Federal Reserve in andere Bahnen leiten. “Meine Damen und Herren”, würde ich sagen, "genug mit 'Bayes'sche Analyse stochastischer Volatilitätsmodelle mit Levy-Sprungprozessen: Anwendungen für die Risikoanalyse‘. Viel besser würde es mir gefallen, wenn Sie jetzt zum Thema: 'Schluss mit Befehlen und Kontrollen: Ein Goldstandard für das 21.Jahrhundert.’ schreiben würden.” Und mein Glanzstück wäre schließlich folgendes: Ich würde mit der Kommission und den Mitarbeitern feierlich die erste Fed-Abteilung für Nicht Beabsichtigte Folgewirkungen einweihen.
Ich möchte Ihnen noch einmal für die Ehre danken, die Sie mir mit Ihrer Einladung erwiesen haben. Und noch einmal zum Thema kleine Grant-Firma und große Fed: Ich werde zum Abschluss die einleitenden Sätze eines Leitartikels zitieren, der in einer provinziellen irischen Zeitung im schicksalsträchtigen Jahr 1914 erschien. Hier heißt es: “Wir richten diese ernste Wahrung an Kaiser Wilhelm: Der Adler von Skibbereen lässt Sie nicht aus den Augen.”
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© John Mauldin
Dieser Artikel wurde am 29. April 2012 auf www.goldseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.