Anlageperspektiven 2010 - 2011
12.10.2010 | Prof. Dr. Max Otte
Kein Zweifel: Die Investmentsaison 2009 - 2010 war ein sehr gutes Jahr für Abonnenten des Privatinvestor. Sie mussten dazu nur unsere Anlagestrategie durchhalten.
An dieser Stelle schrieb ich am 17.10.2009: "Es wird noch etliche Sturmböen geben, aber ich denke, dass wir nach dem überstandenen Orkan auch wieder daran denken können, Geld zu verdienen." Sturmböen gab es tatsächlich, zum Beispiel Griechenland. Aber wir haben ordentlich Geld verdient.
Der DAX ist zum Beispiel seit dem 17.10.2009 um circa sieben Prozent gestiegen. Da dürften die Depots der Leser des Privatinvestor und die Kunden unserer Vermögensberatung PVM wesentlich besser aussehen. Ich empfahl Ihnen an dieser Stelle im letzten Jahr:
- Ihr Portfolio wie beim Deutschen Reinheitsgebot nur aus reinen Zutaten zusammenzustellen
- langfristige Anleihen und Geldforderungen zu meiden
- Ihren Goldvorrat zu halten
- in Aktien höchster Qualität anzulegen.
Sie sind gut damit gefahren - wenn Sie durchgehalten haben.
Was ist im Herbst 2010 anders als vor einem Jahr?
So viel eigentlich nicht... Die Regulierung der Finanzmärkte ist nicht besonders vorangekommen, wie ich es vor einem Jahr prognostiziert hatte. Was bislang an Maßnahmen erfolgt ist, eignet sich bestenfalls als Feigenblatt. Die Finanzoligarchie regiert weiter und schreibt sich weitgehend unbehelligt von der Politik weiter die Regeln - in Brüssel und anderswo.
Immer noch besteht die grundsätzliche Unsicherheit, ob wir Inflation, Deflation oder schleichende Deflation bekommen. Daran hat sich auch in diesem Jahr nichts geändert. Leider heißt das, dass wir streuen müssen. Aber Qualitätsaktien mit stabilen Geschäftsmodellen wie Beiersdorf werden sich bei Inflation und Deflation gut schlagen.
Die Griechenlandkrise löste in diesem Frühjahr viel Unruhe aus. Ich habe immer davor gewarnt, das überzubewerten. Griechenland, Spanien und Irland sind relativ kleine Länder. Europa geht es insgesamt relativ gut, insbesondere den deutschsprachigen Ländern, die noch einen gesunden Mittelstand haben. Die angelsächsische Presse hätte es gerne, wenn Österreich ein „Argentinien an der Donau“ wäre, dann würde man von eigenen Problemen ablenken können. Solange Deutschland zahlt, kann der Euro noch etliche Jahre stabil sein.
Im Gegenteil, im Frühjahr habe ich mich in Griechenland, Spanien und Italien auf die Suche nach geeigneten Investments für meinen Fonds gemacht. Wenn irgendwo die Panik regiert, sollte man zumindest mal genauer hinschauen.
Die wahren Fragen der Weltwirtschaft werden nicht in Griechenland, Spanien oder Irland gelöst, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika, China und Japan.
Die Zukunft bleibt weiter sehr, sehr unsicher. Es ist am besten, wenn wir uns das eingestehen. Im Moment sind wieder Prognostiker unterwegs, die einen dramatischen Einbruch des DAX vorhersagen. Solche Effekthascherei mit dramatischen Prognosen werden Sie von mir nicht bekommen.
Im Sommer 2006 sagte ich die Finanzkrise voraus. Im März 2009 wagte ich keine Prognose, sagte aber, dass ich mich bei den niedrigen Aktienkursen "wie ein Junge im Süßwarenladen fühlte, wenn Verkäuferin und Eltern nicht da sind". Es ist genauso wichtig, zu wissen, was wir alles nicht wissen. Derzeit wissen wir nur: Geld ist bedroht, viele Aktien sind noch nicht zu teuer, Gold ist noch nicht zu teuer.
Meine Anlagegrundsätze für 2010 - 2011
Plus ça change, plus c"est la même chose - je mehr sich die Dinge verändern, umso mehr bleibt alles beim Alten.
Sie werden bei den Anlagegrundsätzen im Vergleich zum letzten Jahr keine allzu großen Änderungen erkennen. Letztlich werde ich Ihnen hier keine spannenden Neuigkeiten präsentieren, sondern Grundsätze, mit denen Sie aus meiner Sicht Geld verdienen können. Und Geld verdienen kann manchmal langweilig sein und aus Abwarten bestehen. Investieren ist kein spannendes Drama, es ist ein nüchternes Handwerk. Es kommt darauf an, dieselben Dinge wieder und wieder zu tun: Risiko abwägen, Qualität eines Unternehmens bestimmen, billig kaufen, teuer verkaufen.
Wie beim Deutschen Reinheitsgebot das Bier, sollte Ihr Portfolio nur aus reinen Zutaten bestehen: Edelmetalle in physischer Form, Termingelder, Qualitätsaktien und vielleicht erstklassige Anleihen mit kurzer Laufzeit (Aber Vorsicht: Die Banken verkaufen viele Produkte unter dem Begriff "Anleihe", die damit nichts zu tun haben.)
Ich schätze das Deutsche Aktieninstitut e.V. (www.dai.de). Zweimal im Jahr gibt es eine Kurzstudie über die Zahl der Aktionäre in Deutschland heraus. In der aktuellen Studie vom 05. August 2010 heißt es:
Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen ist im ersten Halbjahr 2010 gesunken. … In den letzten Jahren hat sich vor allem die Mittelschicht stark aus der Aktienanlage gelöst. Von den 8,6 Mio. Aktienbesitzern sind 2,5 Mio. reine Aktionäre (3,9 Prozent der Bevölkerung), die ausschließlich direkt in die Aktie investieren. (…) Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2001 bedeutet die aktuelle Zahl der Aktionäre einen Rückgang um rund 4,3 Mio. (-33,1 Prozent). www.dai.de/internet/dai/dai-2-0.nsf/dai_publikationen.htm.

Wir kennen die Zukunft nicht. Aber wenn der Pessimismus an den Börsen noch so groß ist, kann es nicht so verkehrt sein, Aktien zu halten; insbesondere, wenn die Bewertungen und Dividendenrenditen stimmen. Bleiben Sie dabei, auch wenn es noch weitere Unwetter geben sollte. Die großen Vermögen in Deutschland sind alle in Form von Aktienpaketen und Land- oder Waldbesitz über den Krieg gerettet worden. So verkehrt kann diese Strategie also nicht sein.
Auf gute Investments und ordentliche Renditen - es ist mir damit erst!
© Prof. Dr. Max Otte
(vollständige Fassung im Privatinvestor 40/2010)