Detlev Schlichter: Monetäre Grundprinzipien und inflationäre Depression (Teil 1/2)
06.12.2012 | Presse
The Daily Bell freut sich, Ihnen dieses Exklusivinterview mit Detlev Schlichter präsentieren zu können.
Einführende Worte: Detlev S. Schlichter ist Ökonom, Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, Autor, Kommentator und Mitglied des Cobden Centre in London. Er arbeitete 19 Jahre lang an den internationalen Finanzmärkten, bis 2009. Detlev Schlichters Buch "Paper Money Collapse - The Folly of Elastic Money and the Coming Monetary Breakdown” wurde im September 2011 bei John Wiley & Sons veröffentlicht. Es erhielt auf der Frankfurter Buchmesse 2012 den getAbstract-Preis für die besten Wirtschaftsbücher des Jahres. Schlichter ist Diplom-Ökonom (Ruhr-Universität Bochum) und lebt mit seiner Familie in London. Seinen englischsprachigen Blog, "The Schlichter Files”, finden Sie auf seiner Webseite www.detlevschlichter.com.
Daily Bell: Wo wuchsen Sie auf und wo sind Sie zur Schule gegangen?
Detlev Schlichter: Ich bin in Deutschland geboren, hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Meine Heimatstadt ist Bocholt in Westdeutschland nahe der niederländischen Grenze. Ich habe an der Ruhr-Universität Bochum Wirtschaftswissenschaften studiert.
Daily Bell: Sie haben an den internationalen Finanzmärkten gearbeitet, hauptsächlich im Bereich Investmentmanagement. Wie würden Sie Ihre Zeit dort beschreiben?
Detlev Schlichter: Meine 19 Jahre im Finanzsektor habe ich größtenteils sehr gemocht. Ich habe zum Teil für tolle Unternehmen und mit intelligenten Menschen gearbeitet, ich hatte interessante Kunden und meine Arbeit hat mich an faszinierende Orte gebracht. Ich fand die Finanzmärkte großartig. Ich mochte Trading und Investment. Letztendlich setzte aber Desillusionierung und Frustration bei mir ein. Unser Finanzsystem hat immer weniger mit freien Märkten zu tun. In seiner derzeitigen Form ist es instabil und nicht mehr tragfähig.
Daily Bell: Sie haben für J.P. Morgan (1990-98), Merrill Lynch Investment Managers (1998-2001) und Western Asset Management Co. (2001-09) gearbeitet. Ist die Wall Street in Verruf geraten?
Detlev Schlichter: Die öffentliche Debatte darüber ist völlig konfus. Die meisten Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren fleißig und engagiert. Natürlich wollten sie Geld für sich und ihre Familien verdienen (wie auch ich), die meisten wollten aber auch das Beste für ihre Kunden erreichen. Doch viele stellen das System, in dem sie arbeiten, nicht in Frage. Sie nehmen es als gegeben hin und verhalten sich entsprechend der Anreize, die ihnen das System bietet.
Mit der Ausweitung der Fiat-Geldmengen und der sich daraus ergebenden Vermögenspreisinflation entstanden dem Finanzsektor in den letzten Jahrzehnten gewaltige Vorteile. Fakt ist: Alle, die im Finanzsektor arbeiteten, haben davon profitiert. All das hat bei vielen, so fürchte ich, leider auch eine übersteigerte Wahrnehmung ihrer eigenen Bedeutung bewirkt, und auch eine unrealistische Haltung hinsichtlich der Entlohnung ihrer Arbeit.
Mindestens genauso wichtig ist aber auch folgende Tatsache: Ein System wie das unsere - in dem Zentralbanken als Kreditgeber der letzten Instanz auftreten und in dem praktisch unbegrenzte Bankenreserven sowie künstlich verbilligter Kredit verfügbar sind - fördert systematisch aggressive Bankenkreditvergabe, niedrige Eigenkapitalquoten, Schuldenanhäufung und exzessive Risikobereitschaft. Dieses System neigt dazu, Umsicht und bewährte Geschäftspraktiken zu bestrafen und Rücksichtslosigkeit zu belohnen.
Im Verlauf der Jahre und Jahrzehnte verschlechterte sich dann die Geschäftsethik, was nicht sonderlich überrascht. Der schlechte Ruf ist also teilweise gerechtfertigt, man sollte aber Ursache und Wirkung nicht verwechseln. In einem tatsächlich kapitalistischen System müssen die Menschen mit den Konsequenzen ihres Handelns leben; in diesem System würden die gegenseitigen Kontrollmechanismen - die vom Markt und nicht von Aufsichtsbehörden durchgesetzt werden - viel besser funktionieren.
Daily Bell: Warum verließen Sie 2009 den Finanzsektor und widmeten sich Ihrem ersten Buch “Paper Money Collapse"? Was veranlasste Sie zum Schreiben?
Detlev Schlichter: Die Erkenntnis, dass dieses Systems tatsächlich unhaltbar ist und mit hohem Tempo auf seine Endphase zustrebt. Die Gründe und Begründungen dafür findet man in den großen Arbeiten zur monetären Ökonomie, bei den klassischen britischen Ökonomen des 19. Jahrhunderts und vor allem bei den Vertretern der Österreichischen Schule der Nationalökonomie - allen voran beim großen Ludwig von Mises. Mises erklärte besser als jeder vor oder nach ihm, warum "elastisches Geld“ destabilisierend wirkt, warum die Senkung der Zinssätze durch monetäre Expansion und zusätzliche Bankenkreditvergabe nicht zu tragfähigem Wachstum, sondern zu Boom-Bust-Zyklen führt.
Seit 20 Jahren beschäftige ich mich ausführlich mit den Ökonomen der Österreichischen Schule, und in den letzten 10 Jahren meiner Arbeit an den Finanzmärkten begriff ich, wie schlagkräftig ihre geldpolitischen Theorien bei der Erklärung der Phänomen sind, die ich in meinen Arbeitsleben selbst beobachten konnte. Trotzdem wurden ihre Erkenntnisse in den Debatten an den Finanzmärkten komplett ignoriert. Hier dominierten die Wirtschaftstheorien der Keynesianer, der Monetaristen und der Neoklassik, eigenartigerweise war der Keynesianismus sogar noch tonangebend - wahrscheinlich eine weitere schlechte Angewohnheit, die man der 40-jährigen Geschichte des Fiat-Geldes und der "Zentralbanken-Stimuli“ zuschreiben muss.
Heute erscheint es vielen fast schon wie ein Naturgesetz, dass eine staatliche oder staatlich geförderte Behörde - die Zentralbank - die Zinssätze in einem administrativen Akt festsetzt, den Umfang der Bankenreserven bestimmt, als Stütz- und Notfallinstanz der Banken auftritt (die folglich nicht mehr nach den Prinzipien kapitalistischer Unternehmen funktionieren) und auch die Kreditvergabe der Banken lenkt. Ein solches System noch als kapitalistisch zu bezeichnen, ist einfach absurd. Die Finanzmärkte operieren stattdessen in einer intellektuellen Bubble. Ich wollte diese Bubble mit anpieksen.
2009 hatte ich dann das Gefühl, die Große Krise wäre jetzt da, eine Krise also, die zu mächtig war, um sie buchstäblich mit noch mehr Papier zu ersticken - d.h. durch noch mehr Gelddrucken, noch mehr Schuldenanhäufung. Das System ging seinem zwangsläufig anstehenden Endspiel entgegen. Außerhalb eines Systems des vollelastischen Fiat-Geldes wäre diese Art von Krise völlig undenkbar. Nur in einem System des elastischen Geldes können sich mit der Zeit Ungleichgewichte dieser Größenordnung aufstauen. Wir haben es hier mit einer Krise des Fiat-Geldes zu tun.
Was fehlte, war meiner Meinung nach eine fundamentale Analyse der Papiergeldsysteme, die die Grundprinzipien hinterfragt: Was ist Geld? Warum benutzen wir es? Was ist Geldbedarf und wie kann er einem freien Markt befriedigt werden? Was macht gutes Geld aus? Ich wollte meine Argumentation so streng logisch wie möglich halten und zu so unausweichlichen und zwingenden Schlussfolgerungen gelangen, dass der Leser entweder Fehler in meiner Argumentation finden muss - ich glaube aber nicht, dass es die gibt - oder aber die Schlussfolgerung akzeptieren muss, welche lautet, dass unser derzeitiges Papiergeldsystem entbehrlich, suboptimal, instabil und untragbar ist.
Die Argumentation folgt Mises, richtet sich aber nicht in erster Linie an diejenigen, die sich mit Österreichische Schule der Nationalökonomie auskennen, sondern eher an Leute, mit denen zusammenarbeitete: Finanzmarktprofis, Mainstream-Ökonomen, die im Allgemeinen an die Tragfähigkeit und sogar an die Überlegenheit des aktuellen Systems glauben. Ich wende Mises Arbeit auf das ungezügelte Fiat-Geldsystem der heutigen Zeit an und versuche auf diesem Weg, weitverbreitete Fehlannahmen bezüglich Geld und Zentralbankenwesen in Frage zu stellen. Ich glaube aber, in aller Bescheidenheit, sagen zu dürfen, dass "Paper Money Collapse“ mehr als nur eine Umformulierung der Theorien der Österreichischen Wirtschaftsschule darstellt. Das Buch wartet mit neuen Einsichten und Ansätzen auf.
Daily Bell: Sie sind wissenschaftliches Mitglied des "Cobden Centre“ in London - eine Denkfabrik, die sich den freien Märkten widmet und zu den Themen Geld-Emission und Banking forscht. Was ist Ihre Aufgabe dort?
Detlev Schlichter: Das Cobden Centre ist Wohltätigkeitsorganisation mit eigenem Bildungsauftrag, die für ehrliches Geld, Freihandel und Frieden eintritt. Wir wollen vor allem unseren Anteil zur Debatte über Geld und Bankenwesen leisten und auch den Rahmen der Debatte verschieben. Das Cobden Centre hat mich unterstützt, indem es mir half, meine Arbeit und meine Ansichten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich habe auf vielen Veranstaltungen gesprochen, die vom Cobden Centre organisiert wurden. Innerhalb der Organisation habe allerdings keine besondere Funktion oder einen bestimmten Posten.
Mir dient sie hauptsächlich als relativ loses Netzwerk gleichgesinnter Menschen. Natürlich haben wir auch Meinungsverschiedenheiten, wir teilen aber dieselben Grundprinzipien. Nicht jeder, der mit dem Cobden Centre in Verbindung steht, ist auch ein Vertreter der Österreichischen Schule, innerhalb der Gruppe gibt es jedoch eine starke Tendenz zu den "Österreichern“ - wahrscheinlich stärker als in jeder anderen Freimarkt-Denkfabrik in Großbritannien. Ein politische Agenda oder parteipolitische Zugehörigkeit gibt es nicht, was ich persönlich schätze.
Daily Bell: Sie leben in London. Können Sie uns erzählen, was Sie aktuell von Großbritannien und London als Finanzstandort denken?
Detlev Schlichter: Ich lebe seit 16 Jahren in Großbritannien, es ist meine Heimat und die meiner Familie geworden. London ist eine fantastische Stadt und wir sind glücklich, hier zu leben. Was die allgemeinen Zukunftsaussichten des Landes betrifft, bin ich sehr pessimistisch, aber das trifft genauso auf die meisten anderen europäischen Staaten und die USA zu. Alle fortgeschrittenen Sozialstaat-Demokratien sind auf dem Weg in den Bankrott. Der Fiat-Geld-Boom ist zu Ende und die Schuldenstände sind keinesfalls mehr tragfähig, die inhärenten Widersprüche des modernen Wohlfahrtsstaates lassen sich nicht mehr verbergen. Große Teile der Bevölkerung sind zu Nettoempfängern staatlicher Leistungen geworden; mit ihren Wahlentscheidungen werden sie in der Tendenz also die Fortsetzung und sogar eine Ausweitung staatlicher Programme unterstützen. Das ist fast überall der Fall. In Großbritannien kommt zudem noch eine hohe Privatverschuldung hinzu.
Wenn sich die Krise intensiviert, wird der Staat überall auf der Welt stärker in die Märkte eingreifen und auch in die persönlichen Leben. Die Freiheitsrechte werden schon jetzt überall angegriffen. Der Staat wird Pleite gehen, paradoxerweise wird er sich aber mithilfe von noch mehr Regulierungen und Gesetzen weiter Geltung verschaffen.
Heißt das, dass ich irgendwann von hier wegziehe? Vielleicht. Die Schweiz hat in dieser Hinsicht weniger Probleme und könnte auf absehbare Zeit einen anderen politischen Kurs fahren. Eine Rückkehr nach Deutschland ist hingegen keine wirkliche Option, denke ich. Auch wenn das Land in der letzten Zeit gute Presse bekommt, so hat es doch massive strukturelle Probleme; in Deutschland herrscht zudem eine tiefverwurzelte Neigung, Hilfe vom Staat zu fordern, wenn sich die Situation verschlechtert.
Meine Hoffnung ist, dass in der britischen Öffentlichkeit immer noch etwas von der alten klassisch-liberalen Tradition und dem Willen zur Toleranz weiterlebt. Diese Qualitäten werden in der kommenden Krise benötigt. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht naiv, aber ich werde vorerst hier bleiben. Wir stehen vor einem globalen Chaos, und es gibt keine einfachen Auswege.
In meinem Szenario wird die City of London schwer zu kämpfen haben.
Daily Bell: Glauben Sie an Verschwörungsgeschichte? Glauben Sie, dass mächtige Bankerfamilien die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich von London aus kontrollieren?
Detlev Schlichter: Ich glaube nicht, dass mächtige Familien aus London die BIZ kontrollieren; und als Ökonom halte ich mich von "Verschwörungstheorien“ sowieso fern. Warum, werde ich gleich erklären. Natürlich darf man daraus nicht gleich schlussfolgern, dass Verschwörungen an sich nicht existieren würden.
Die Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Es wäre naiv von mir, zu glauben, dass alle Strategien und Beweggründe für politische Maßnahmen oder geschäftliche Absprachen komplett einsichtig und transparent wären, dass öffentliche Aussagen und Nachrichten immer korrekt und vollständig seien, dass es nie geheime Ziele oder Abmachungen hinter verschlossen Türen gäbe und dass man alles, was in den Medien berichtet wird, für bare Münze nehmen könnte. Wer sich nur ein wenig mit der Geschichte auskennt, oder eben mit dem menschlichen Wesen, der weiß auch, dass die Welt so nicht funktioniert. Vom anderen Extrem auszugehen, wäre aber genauso wahnwitzig - d.h. dass rein gar nichts für bare Münze genommen werden könnte, dass hinter jeder politischen Maßnahme oder hinter jeder offiziellen Aussage ein geheimer Plan, eine geheime Agenda oder irgendein Masterplan stecken würde.
Ich denke, die meisten vernünftigen Menschen werden sich irgendwo in der Mitte verorten. Man sollte skeptisch sein und nicht alles, was von den Medien berichtet wird, für bare Münze nehmen. Man sollte geistesgegenwärtig bleiben und sich eine unabhängige Position bewahren. Ich glaube nicht, dass unsere "Geschichte“ von geheimen Verbindungen organisiert und gelenkt wird. Viele Dinge - selbst große Dinge - passieren tatsächlich zufällig. Nicht alles folgt einem Plan. Die Welt ist chaotischer, als die meisten denken. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht alles so, wie es scheint.
Aber als Ökonom muss ich mich von Verschwörungstheorien insgesamt fernhalten. Es existiert ein ganzes Theoriegebilde, das erklärt, warum Fiat-Geld funktionieren kann und warum es dem "harten“ Geld, wie z.B. Gold, überlegen ist, und es wird von vielen sehr intelligenten und wohlmeinenden Ökonomen geteilt. Ich halte diese Theorien für falsch und die Schlussfolgerungen für unzutreffend, dennoch muss ich ausschließlich auf theoretischem Niveau argumentieren. Ich versuche beispielsweise nicht, die Zentralbanker zu diskreditieren, indem ich suggeriere, die Banker hätten die Zentralbanker unter Kontrolle. Und selbst wenn mir jemand Beweise dafür brächte, könnte ich sie für meine Arbeit als Ökonom nicht benutzen.
Meine Kritik am Zentralbankenwesen ist nicht politischer Natur und auch niemals eine Kritik an beteiligten Personen. Ich kritisiere die Theorien und Ideen, die hinter diesen Institutionen stecken. Selbst wenn eine Zentralbank von der vernünftigsten, intelligentesten, unparteiischsten und unpolitischsten Person geleitet würde, so ließe sich immer noch feststellen, dass das Zentralbankenwesen an sich nicht funktioniert. Meine Kritik am unserem Finanzsystem ist nicht die, dass es von den falschen Personen geführt wird, dass es von gierigen Bankern missbraucht wird oder dass es von dunklen Schattenmächten manipuliert wird. Meine Kritik ist, dass dieses System schon auch sich heraus nicht funktioniert.
Das ist der richtige Ansatz für einen Ökonomen, obwohl ich manchmal fürchte, dass mich das - außerhalb der intellektuellen Debatte, im wirklichen Leben - zu leichtgläubig macht, und zu wenig misstrauisch gegenüber Hintergedanken.
Daily Bell: Erzählen Sie uns mehr über Ihr Buch "Paper Money Collapse“. Es liefert eine grundlegende Analyse der Fiat-Geldsysteme im Allgemeinen und unseres aktuellen Systems im Besonderen. Inwieweit?
Detlev Schlichter: Wie ich schon zuvor gesagt hatte, geht das Buch auf die Grundprinzipien zurück - auf Fragen wie: Was ist Geld, wozu dient es, warum benutzen wir es? Von diesem Punkt aus lässt sich dann der häufig benutzte, aber meistens missverstandene Begriff "Geldbedarf“ definieren. Geld ist schlicht und einfach das fungibelste Gut in einer Wirtschaft - jenes Gut, das jede erdenkliche Anzahl von Transaktionen erleichtern kann und ohne weiteres akzeptiert wird, und zwar nicht, weil es irgendwelche Bedürfnisse direkt befriedigen könnte oder irgendeinen Gewinn abwerfen würde, sondern weil es schnell und flexibel wieder eingetauscht werden kann.
Man kann sich ja selbst die Frage stellen: Warum halte ich einen Teil meines Vermögens in Form von Geld? Weil ich die einzigartige Flexibilität, die nur Geld bieten kann, schätze. Wenn man Geldbedarf hat, dann heißt dass, dass man Bedarf an Kaufkraft in Geldform hat. Es geht dabei nicht darum, dass man unbedingt eine bestimmte Anzahl von Geldnoten oder eine ganz bestimmte Goldmenge halten möchte - die Sache allein bringt einem nichts. Hier geht es um die "Ausgabeflexibilität“, die man bekommt und um den gewünschten Tauschwert.
Allein diese Feststellung zieht schon gewichtige Schlussfolgerungen nach sich: Eine wachsende Wirtschaft braucht kein wachendes Geldangebot. Wenn Menschen mehr Geldbedarf haben, dann verkaufen sie nicht-monetäre Güter (oder reduzieren ihre Geldausgaben für nicht monetäre Güter) und häufen Geldbestände an. Im Verlauf dessen steigt der "Preis“ (der Tauschwert) des Geldes. Dieselbe physische Geldmenge verschafft jetzt allen mehr Ausgabeflexibilität. Dieser Prozess - ein natürlicher Marktprozess - befriedigt automatisch den steigenden Geldbedarf.
Geld ist ein Tauschmittel, und es liegt eben in der Natur eines Tauschmittels, dass jede gegebene Tauschmittelmenge (innerhalb sinnvoller Grenzen) ausreichend und sogar optimal ist, um beliebig viele Transaktionen zu erleichtern und jede beliebigen Zahlungsmittelbedarf zu befriedigen. Der Kauf und der Verkauf von Geld wird dessen Tauschwert verändern und somit Nachfrage und Angebot natürlich in Einklang bringen. Man braucht keine fortlaufende Geldproduktion und man braucht keine elastischen Geldformen, wie Papiergeld. Eine wachsende Wirtschaft, die eine unveränderliche Menge einer monetären Anlage als Geld benutzt (sagen wir eine festgesetzte Goldmenge), wird möglicherweise langfristig eine moderate Deflation erleben, mehr nicht - und das ist auch kein Problem. Wir brauchen keine Geldproduzenten.
An diesem Punkt wird klar, dass die Verfechter des Papiergeldes nicht behaupten können, ihr System sei notwendig. Und jetzt müssen sie begründen, warum es notwendig ist oder inwieweit es überlegen sein kann, sie müssen Argumente dafür finden, warum die fortlaufende Ausweitung des Geldangebots positive Effekte für die Wirtschaft hat. Paper Money Collaps beginnt mit ganz einfachen Modellen erhöhter Geldzufuhr im System, die dann schrittweise immer komplexer und realistischer werden, bis wir schließlich bei unserem modernen System angekommen sind, in dem die Geldmenge durch Zentralbanken, mittels des Bankensystems und der Finanzmärkte, erhöht wird.
Die Schlussfolgerung ist meiner Ansicht nach zwingend: Die Erhöhung der Geldmenge bringt der Wirtschaft keinen dauerhaften Nutzen; sie verzerrt immer die Preisverhältnisse und führt zu einer Umverteilung von Ressourcen und verändert somit die Verteilung von Einkommen und Vermögen. Geldmengenerhöhung schafft immer Gewinner und Verlierer. In unserem modernen System verursacht sie die mittelfristigen Booms, denen dann später die Krisen folgen; obgleich komplette Zusammenbrüche für gewöhnlich durch erhöhte Geldschöpfung vermieden werden, sprich monetäre "Stimuli“ der Zentralbanken in Zeiten der Rezession. In der Folge stauen sich in der Wirtschaft mit der Zeit erhebliche Kapital-Fehlallokationen und andere Ungleichgewichte auf, deren Auflösung sich nur noch durch immer mehr Gelddrucken verhindern lässt. Am Ende steht eine Währungskatastrophe.
Lesen sie weiter: Teil 2 ...
© Anthony Wile
www.thedailybell.com
Dieser Artikel wurde am 04.11.2012 auf www.thedailybell.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.