Edelmetalle Aktuell
13.04.2011 | Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
Edelmetalle wie Gold, Silber, Platin und die Platingruppenmetalle Palladium, Iridium, Osmium, Ruthenium und Rhodium gehören zum Kerngeschäft der W. C. Heraeus GmbH mit Stammsitz in Hanau. Das Tochterunternehmen Heraeus Metallhandelsgesellschaft mbH ist für den weltweiten Handel der Edelmetalle im Konzern tätig. In einem wöchentlich erscheinenden Marktbericht veröffentlicht das Unternehmen einen Marktüberlick in mehreren Sprachen.
- Gold
Angst vor Inflation (u.a. verursacht durch einen hohen Ölpreis); die großen finanziellen Schwierigkeiten einer Reihe von Ländern in der Eurozone (zuletzt vor allem in Portugal); die Schuldenkrise in den USA; die Probleme in der arabischen Welt mit ihrer strategischen Bedeutung für die Energieversorgung des Globus und nicht zuletzt die unsichere Lage in Japan mit ihren möglichen Folgen für die Weltwirtschaft: Das alles sind mehr als genug Gründe, warum der Goldpreis auch in den letzten beiden Wochen seinen Siegeszug zunächst fortsetzen konnte und am Ende mit 1.476,25 $ ein neues Allzeithoch erreichte.
Die moderate Zinserhöhung in Europa vermochte dabei ebenso wenig eine Trendwende einzuleiten, wie die relativ verhaltene Nachfrage nach Barren und Münzen nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Asien. Deshalb sind Lieferzeiten bei den Investmentbarren derzeit auch ein Fremdwort, sämtliche Stückelungen von 1 g bis 1 kg sind direkt verfügbar.
Im Gegensatz zu der - in der aktuellen Situation überraschend - schwachen Nachfrage nach Barren und Münzen, hat sich die ETF-Nachfrage in der letzten Woche deutlich positiv entwickelt. Deren Bestände haben über eine halbe Million Unzen auf jetzt 64,7 Mio. Unzen zugelegt. Damit konnte der seit Monaten andauernde Abwärtstrend erst einmal gestoppt werden. Vor diesen jüngsten Käufen waren die Bestände der weltweit wichtigsten ETFs auf den tiefsten Stand seit Mai letzten Jahres gefallen.
Dass es kurz nach Erreichen des jüngsten Rekords mit dem Goldpreis dann doch noch abwärts ging, lag sicher auch an einem Aufruf zu Gewinnmitnahmen bei Rohstoffanlagen durch die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs. Deren Analysten riefen Kunden dazu auf, Positionen im sog. CCCP-Basket (long "copper, crude, cotton and platinum" - Anlagepositionen in Kupfer, Öl, Baumwolle und Platin) aufzulösen. Der von Goldhändlern als Inflationssignal vielbeachtete Ölpreis für WTI fiel daraufhin von fast 114 $ je Barrel auf unter 108 $ und riss das Gold ein Stück weit mit sich, das dann gestern Nachmittag zeitweise bei "nur noch" 1.451 $ notierte.
Aktuell hat sich die Notierung in diesem Bereich stabilisiert und es sieht nicht nach einer raschen Fortsetzung des gestrigen Preisverfalls aus. Das liegt natürlich auch daran, dass sich vorerst an den eingangs erwähnten Parametern nicht wirklich etwas geändert hat.
Trotzdem sollte ein Erreichen der psychologisch wichtigen Marke von 1.500 Dollars nicht als Selbstläufer betrachtet werden und ernsthafte Rückschläge sind bei der von uns für die nächsten Wochen erwarteten Zunahme der Volatilität nicht auszuschließen.
- Silber
Silber marschierte in den vergangen 2½ Wochen zunächst unvermindert weiter nach oben und erreichte gestern morgen mit 41,93 $ ein weiteres 31-Jahreshoch. Die Gründe für den Anstieg sind dabei unverändert: Es sind vor allem Spekulanten, aber auch längerfristiger orientierte Anleger, die das Metall kaufen. Sie hoffen auf einen weiter steigenden industriellen Verbrauch; sehen den (allerdings zunehmend geringeren) Abstand, den das Metall noch von seinem 1980er Allzeithoch hat und sicher spielt auch der Umstand, dass das Silber absolut gesehen das günstigste Edelmetall ist, eine psychologische Rolle.
Uns überzeugt das alles weiterhin nicht. Gerade bei dem einzigen handfesten Argument, dem eines anschwellenden industriellen Verbrauchs (siehe auch unten), sehen wir keine so stark steigenden Absatzzahlen, als dass das aktuelle Preisniveau gerechtfertigt wäre. Es sind und bleiben stattdessen die Investoren, die den Preis nach oben treiben und damit bleibt das Metall unserer Meinung auch weiter anfällig für starke Rückschläge.
Einen Vorgeschmack auf eine solche mögliche Entwicklung gab es dann ebenfalls gestern kurz nach dem Erreichen des Höchstpreises: Der Aufruf zu Gewinnmitnahmen durch Goldman Sachs sorgten auch beim Silber für Abgaben, die den Preis relativ rasch wieder unter die Marke von 40 $ drückten. Aktuell liegt die Notierung wieder oberhalb dieser Marke und noch wäre es auch zu früh, die Hausse für endgültig beendet zu erklären. Dazu gibt es wahrscheinlich noch immer zu viel billiges Geld auf den Finanzmärkten auf der Suche nach lukrativen Anlagen. Und die welt- und wirtschaftspolitische Lage ist unsicher genug, um das Interesse an Gold (und damit auch an Silber) hochzuhalten. An unserer Einschätzung, nach der wir auf längere Sicht auch wieder eine Halbierung des Preises sehen könnten, ändert sich durch die neuen Rekorde in dieser Woche aber nichts.
Die Analysten des auf Edelmetalle spezialisierten Beratungsunternehmens GFMS haben in der vergangenen Woche ihren Jahresbericht für Silber veröffentlicht. Darin weisen die Londoner Experten dem Investmentbereich die Hauptverantwortung für den 78%igen Preisanstieg im Jahr 2010 zu (dem ja in diesem Jahr bis jetzt noch einmal 40% folgten).
Insgesamt haben Anleger im vergangen Jahr fast 8.700 Tonnen Silber (279,3 Mio. Unzen) in physischer Form gekauft. Davon entfielen rund 3.600 t auf ETFs, 3.150 t auf Münzen und über 1.700 t auf Barren.
Daneben gingen - im wahrsten Sinne des Wortes - noch weitere 5.500 t in nicht-physischer Form auf das Konto der Anleger, z.B. als Käufe auf Metallkonten oder in Form von Zertifikaten, Optionsscheinen und anderen, nicht physisch unterlegten Wertpapieren.
Zusammengenommen haben Anleger 2010 damit 62% der Neuproduktion aus den Minen abgenommen und bis jetzt scheint diese Tendenz zumindest bei den ETFs weiter anzuhalten. Bei diesen wurde gestern mit einem Anlagevolumen von über 16.200 Tonnen ein neuer Rekord erreicht.
Was Münzen und Barren angeht, halten sich die Anleger derzeit allerdings zurück, angesichts des hohen Silberpreises liegen selbst die Notierungen für 1-Unzen-Münzen mit ihrem reduzierten Mehrwertsteuersatz inzwischen in der Nähe des historischen Allzeithochs von 50 $ je Unze. Nachgelassen hat auf dem aktuell hohen Preisniveau zumindest hier in Mitteleuropa auch die Nachfrage der Industrie nach Granalien.
Zurück zum GFMS-Report: Vor dem Hintergrund der massiven Investorenkäufe verblasste ein wenig das Plus bei der industriellen Nachfrage nach Silber im Jahr 2010. Diese stieg laut GFMS ohne den Bedarf der Fotoindustrie im Jahr 2010 um 20,7% auf 15.160 t, beim Absatz in der Fotographie gab es ein erneutes Minus, diesmal in Höhe von 10% auf jetzt noch 2.260 t.
In die Bereiche Schmuck und Tafelsilber gingen noch einmal 6.750 t des weißen Metalls. Während es aber bei Schmuck im Vergleich zu 2009 trotz der positiven Preisentwicklung ein Plus gab, fiel der Bedarf für Tafelsilber vor allem durch einen Einbruch des indischen Marktes um über 15%.
Auf der Angebotsseite stieg die Neuproduktion um 2,5% auf 22.290 t und die Produzenten haben das Angebot außerdem durch Terminverkäufe in Höhe von 1.900 t aufgebläht. Mexiko hat im vergangenen Jahr Peru als größten Produzenten abgelöst. Die Verkäufe staatlicher Stellen haben sich 2010 mit 1.400 t fast verdreifacht und das Angebot an Recyclingmaterial ist um 14% auf 6.700 Tonnen gestiegen.
Der hohe Silberpreis forderte unterdessen ein paar prominente Opfer: Nachdem das Bundesfinanzministerium ja schon 2010 beschlossen hatte, den Silbergehalt der 10-Euro-Gedenkmünzen zukünftig von 925 auf 625/1000 abzusenken, damit der Material- unter dem Nennwert bleibt, reicht durch den andauernden Silberpreisanstieg mittlerweile auch diese Maßnahme nicht länger aus. Der reine Silberwert läge jetzt schon wieder bei über € 9, angesichts der Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der Münzen würde das Finanzministerium damit Geld verbrennen, anstatt zusätzliche Einnahmen für die Staatskasse zu generieren.
Aus diesem Grund wurde jetzt die nächste für den 5. Mai geplante Ausgabe zum Thema "125 Jahre Automobil" auf unbestimmte Zeit verschoben. Laut Pressemeldungen werden im Finanzministerium nun verschiedene Optionen durchgespielt, die von einer reinen Verschiebung über eine weitere Verwässerung des Silbergehalts bis hin zu einer kompletten Einstellung der Münzausgabe reichen. Der Materialwert der bis letztes Jahr für 10 Euro verkauften Sondermünzen mit dem hohen Silbergehalt lag gestern übrigens bei über 15 Euro; für Anleger kein schlechtes Geschäft, zumal der Wert der Münze ja nicht unter den Nennwert fallen kann.
- Platin
Ein weiteres heftiges Erdbeben in Japan sorgte bei den beiden wichtigsten Platinmetallen zum Ende der vergangenen Woche für einen Preisrückgang, der sich so bei Gold und Silber nicht wiederspiegelte.
Dahinter steckt sicherlich auch die nicht ganz unbegründete Angst vor einem Rückschlag für die weltweite Autoproduktion in diesem Jahr infolge des katastrophalen Erdbebens. Noch immer sind zahlreiche Autofabriken in Japan geschlossen und fehlende Zulieferteile machen die Wiederaufnahme der Produktion zu einem Vabanque-Spiel. Honda rechnet z.B. damit, dass die eigenen Fabriken frühestens wieder in "zwei bis drei Monaten" normal laufen könnten. Von Toyota hieß es, dass bis Ende des Monats zwar alle Fabriken wieder arbeiten könnten, aufgrund des Teilemangels werde die Produktion dann aber vorerst nur bei 50% des gewohnten Niveaus liegen.
Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Erfolgsmeldungen bezüglich des weltweiten PKW-Absatzes mit etwas Vorsicht zu genießen. Die letzten Zahlen von März waren nicht schlecht, konnten aber mit noch vollen Lagern erzielt werden. Es bleibt abzuwarten, ob dies im April noch wiederholt werden kann.
Aus den USA wurde für März immerhin eine Steigerung des PKW-Absatzes um 17% gegenüber dem Vorjahr auf eine errechnete Jahresrate von jetzt 13,1 Mio. Fahrzeugen vermeldet. Und auch in Deutschland sind die Neuzulassungen im März kräftig gestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Verkäufe um 11% auf 328.000 Autos zu. Im gesamten ersten Quartal 2011 wurden 763.000 Wagen neu zugelassen und damit 14 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Wo viel Licht ist, gibt es auch etwas Schatten: Die Zeiten ungebremsten Wachstums auf Chinas Automarkt scheinen erst einmal vorbei zu sein. Der PKW-Absatz lag nach Auskunft der Vereinigung der lokalen Automobilhersteller (CAAM) im März mit 1,35 Mio. Autos "nur" um 6,5% über dem Vorjahreswert. Im Februar war das Plus zwar noch kleiner gewesen und zwar auf dem niedrigsten Stand der letzten beiden Jahre; für den letzten Monat war aber eigentlich ein wieder deutlich höheres Wachstum erwartet worden. Für das gesamte erste Quartal verzeichnete China noch ein Wachstum von 9,1%. Diese Rate gilt es nun in den Folgemonaten zu verteidigen, was nicht ganz leicht fallen dürfte.
In den nächsten Tagen wird es dem Platin wieder deutlich schwerer als Gold fallen, das positive Momentum aufrechtzuerhalten. Mit Blick auch auf das charttechnische Umfeld wären wir nicht überrascht, wenn der Preis in absehbarer Zeit die Marke von 1.700 $ je Unze testen würde.
Eine sich möglicherweise verschärfende Diskussion in Europa hinsichtlich einer Erhöhung der Mineralölsteuer für Dieselkraftstoff ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Diese würde dem weißen Metall einen schweren Schlag versetzen, weil dann nicht nur Benzinmotoren konkurrenzfähiger werden würden, sondern vor allem auch Gasantriebe, die zumindest in Deutschland noch ein Mauerblümchendasein führen.
- Palladium
Das Palladium hat sich in den letzten Tagen weitgehend parallel zum Platin entwickelt. Anfänglichen Gewinnen bis auf ein Niveau von fast 800 $ folgte nach dem jüngsten Beben in Japan ein Einbruch auf 765 $ je Unze.
Hier konnte sich das Metall aber wieder fangen und stieg dann, vor allem den Vorgaben von Gold und Silber folgend - noch einmal rasch an. Dabei hat es die Marke von 800 $ sogar knapp überstiegen, allerdings nur, um anschließend rasch wieder 35 $ abzugeben.
Die hohe Volatilität spiegelt wohl die momentane Nervosität der Anleger und Spekulanten ganz gut wieder, die einerseits Meldungen über eine bis dato gute industrielle Nachfrage und ein rückläufiges Angebot aus Russland vernehmen können, die andererseits aber auch die Nachrichten aus Japan und China (siehe oben) verfolgen müssen und sich vielleicht fragen, ob das Verfünffachen des Preises in den letzten 2½ Jahren mit Blick auf die sich verstärkenden Risiken für die Weltwirtschaft vielleicht nicht doch übertrieben war.
Wir wären nicht überrascht, wenn sich der Preis in den nächsten Wochen erst einmal südwärts entwickelt, die Marke von 720 $ ist dabei ein wichtiger Meilenstein. Sollte sie durchstoßen werden, lägen die nächsten Kursziele bei 684 $ und darunter dann bei 625 $ je Unze. Falls es zu keinen gravierenden Einschnitten bei der Entwicklung der Weltwirtschaft kommt, wären spätestens das ein Niveau, auf dem sich industrielle Endverbraucher wieder längerfristig eindecken könnten.
An der fundamental relativ guten Lage für das Palladium hat sich nämlich unserer Meinung nach nichts geändert, auch der Umstand, dass das Metall in seiner industriell genutzten Form Schwamm Aufpreis kostet, unterstreicht dies.
- Rhodium, Ruthenium, Iridium
Ausgesprochen ruhig verläuft zurzeit das Geschäft mit den sog. kleinen Platinmetallen.
Das geringe Interesse zeigt sich auch an dem enger werdenden Abstand zwischen Geld- und Briefkurs, der im Moment bei Rhodium im Interbankenmarkt auf $ 50 geschrumpft ist. Das teuerste Edelmetall notiert dort jetzt bei 2.325 $ - 2.375 $ je Unze, ohne dass es dadurch zu größeren Umsätzen käme.
Ähnlich sieht es bei Ruthenium (unverändert bei 170 $ - 180 $) und bei Iridium aus; letzeres liegt bei 975 $ - 1.075 $ je Unze.
© Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
Heraeus Metallhandelsgesellschaft mbH
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