Inflationspropaganda aufgedeckt
18.01.2013 | Peter Schiff
Ökonomen, die der gängigen Auffassung sind, die Ausweitung des Geldangebots wäre die beste Medizin für unsere kränkelnde Wirtschaft, nehmen die Bedenken der monetären Hardliner (zu denen ich mich zähle) nicht Ernst. Sie verweisen im Allgemeinen auf die angeblich so niedrigen Inflationsraten in Zeiten ungezügelter Fed-Aktivität. In einem jüngst veröffentlichen Blog-Beitrag, der im Besonderen auf mich abzielte, meinte Paul Krugman, allein die seit Jahren unter 2,5% liegenden Inflationsraten des US-Verbraucherpreisindexes (CPI) würden ausreichen, um mich zu widerlegen. Krugman und andere haben überdies behauptet, der CPI würde sogar eine zu hohe Inflation ausweisen; mit weniger strikten Berechnungsmethoden würde die Fed der Wirtschaft auch besser helfen können. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass der CPI im Grunde bedeutungslos ist, weil er die steigenden Preise bedauerlicherweise zu niedrig bemisst.
Magazine und Zeitschriften sind da ein gutes Beispiel. Die Wahrheit wird zwar nicht durch deren Wirtschaftsberichterstattung aufgedeckt, aber durch die Preise, die nun einmal auf den Titelblättern unübersehbar gedruckt stehen. Zwischen 1999 und 2002 stieg der vom US Bureau of Labor Statistics (statistisches Bundesamt für Arbeitsökonomik) herausgegebene “Newspaper and Magazine Index” (eine Komponente des CPI) um 37,1%. Eine genaue Prüfung der 10 populärsten US-Tageszeitungen und Magazine (Wall Street Journal, Washington Post, Time, Sports Illustrated, U.S. News & World Report, Newsweek, People, NY Times, USA Today und LA Times) zeigt, dass die Preise auf den Titelblättern im selben Zeitraum um 131,5% stiegen (3,5 Mal schneller als in den BLS-Statistiken). Das sind völlig andere Dimensionen.
Verfechter der BLS-Zahlen könnten nun entgegenhalten, dass die Kosten aber insgesamt durch die Verfügbarkeit kostenloser Online-Presseinhalte oder den Vorzügen der digitalen Distribution niedrig gehalten wurden. Das tut aber nichts zur Sache. Vor dem digitalen Zeitalter hätte das BLS auch behaupten können, die Kosten für Tageszeitungen wären durch öffentliche Bibliotheken, die freien Zugang zur Pressepublikationen verschaffen, gesenkt wurden. Wahr ist aber auch, dass Online-Publikationen in manchen Bereichen weniger Wert zu bieten haben. Viele Leser genießen nicht nur das Lesen physischer Tageszeitungen oder Magazine (der taktile Prozess), die gedruckten Publikationen haben zudem noch einen Nebenwert, beispielsweise zum Anfeuern, beim Stubenreinmachen von Welpen, Einwickeln von Geschirr oder Auslegen von Vogelkäfigen.
Ein weiteres verblüffendes Beispiel sind die Kosten für Krankenversicherung, die für gewöhnlich ein großer Posten für die meisten Familien sind. Laut BLS können wir mit Blick auf diesen Bereich aber ganz entspannt sein, weil der "Health Insurance Index" des BLS für den Zeitraum zwischen 2008 bis 2012 einen Kostenanstieg von insgesamt nur 4,3% ausweist. Interessanterweise zeigt das regelmäßig erscheinende Gutachten „Kaiser Survey“ für in der Kategorie "Arbeitgebergeförderte Krankenversicherung" (Employer Sponsored Health Insurance), dass die Kosten der Familienkrankenversicherung im selben Zeitraum um 24,2% stiegen (also 5,5 Mal schneller). Aber auch wenn das BLS hier höhere Kosten ausgewiesen hätte, so hätten sich diese nicht im Verbraucherpreisindex niedergeschlagen. Ob Sie es glauben oder nicht, die Kosten für Krankenversicherung werden nur mit weniger als 1% des gesamten Verbraucherpreisindex gewichtet. Wie der Kaiser Survey hingegen zeigte, betrugen die Gesamtkosten für eine Familienkrankenversicherung im Durchschnitt 15.745 Dollar - oder aber fast ein Drittel des durchschnittlichen Familieneinkommens.
Wenn das BLS schon bei der Angabe der Kosten für Zeitungen und Krankenversicherungen so offensichtlich falsch liegen kann, warum sollten wir dann glauben, dass es in allen anderen Sektoren genauer arbeitet? Sollte die Ungenauigkeit dieser beiden Komponenten auch für alle anderen Komponenten des Verbraucherpreisindex gelten, müssten die eigentlichen Inflationsraten aktuell im zweistelligen Bereich liegen!
Es ist schon unerhört, was bei der Dokumentation der aktuellen Preisentwicklungen geschieht. Noch unerhörter ist allerdings die Art und Weise, wie sich die Berechnungsmethoden des Verbraucherpreisindex über die Jahre hinweg geändert haben - um sicherzustellen, dass die größten Kostensteigerungen nicht ins Gewicht fallen. Seit den 1970ern hat sich die Berechnungsmethode des US-Verbraucherpreisindex so gründlich geändert, dass eigentlich kaum noch an die Methoden erinnern, die in den "Jahren der Malaise" unter Präsident Charter benutzt wurden. Kritik an diesen Änderungen wird von Mainstream-Ökonomen als abstruse Verschwörungstheorie abgetan. Da es hier aber nicht um Kleinigkeiten geht, sondern die Auswirkungen gewaltig sein können, so ist es nur schwer vorstellbar, dass institutionelle Befangenheit hier keine Rolle spielen würde. Die staatlichen Statistiker haben die Aufgabe, die Berechnungsmethoden zu entwickeln, und ihre Chefs haben deutlich weniger Stress, wenn die Inflationsraten niedrig ausfallen. Menschliches Verhalten wird immer durch solche Anreize beeinflusst.
Die neueren Berechnungsmethoden sind darauf ausgelegt, nicht nur Preisbewegungen wiederzugeben, sondern auch Ausgabeverhalten, Neigung zur Produktsubstitution und Produktveränderungen widerzuspiegeln. Mit anderen Worten: Die Messgrößen wurden so verändert, dass weniger die Kosten der Dinge festgehalten werden, sondern die Lebenskosten (oder genauer gesagt die Überlebenskosten). Wenn man allerdings allein die Preise betrachtet, und gerade die Preise jener gängigen Güter, deren Qualität sich über die Jahre nicht radikal geändert hat, dann zeigt sich noch deutlicher, dass die Inflation zu niedrig veranschlagt wird.
Wie in unserem “Global Investor Newsletter“ berichtet wurde, wählten wir die vom BLS angegebenen Preisänderungen für 20 Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs - und zwar jeweils für zwei verschiedene 10-Jahre-Perioden. Die Preisänderungen in dieser Postengruppe verglichen wir dann mit den Veränderungen, die der US-Verbrauchpreisindex (CPI) über dieselben Zeiträume aufzuweisen hatte. (Die 20 ausgewählten Posten sind: Eier, neue Autos, Milch, Benzin, Brot, Miete des Hauptwohnsitzes, Kaffee, zahnärztliche Dienstleistungen, Kartoffeln, Elektrizität, Zucker, Flugtickets, Butter, Bier aus dem Laden, Äpfel, öffentliche Verkehrsmittel, Zerealien, Autoreifen, Rindfleisch und rezeptpflichtige Medizin).
Wir sind uns darüber bewusst, dass normalerweise nicht dieselben Summen für die oben genannten Posten ausgegeben und dass sich auch der Anteil des Einkommens, der für diese Dinge ausgegeben wird, über die Jahrzehnte hinweg verändert hat. Da wir uns aber nur dafür interessieren, wie sich diese Preise im Verhältnis zum gesamten Verbraucherpreisindex verändert haben, fallen diese Dinge nicht wirklich ins Gewicht. Wir haben die Betrachtungszeiträume zwischen 1970 und 1980 und dann 2002 und 2012 ausgewählt, weil es in diesen Perioden hohe Defizite als auch eine lockere Geldpolitik gab; zudem rahmen sie zeitlich die wichtigsten Veränderungen an den Berechnungsmethoden des Verbraucherpreisindex ein. Obwohl der US-Verbraucherpreisindex in den 1970ern insgesamt viel schneller stieg, so stieg unsere Postensammlung in der aktuelleren Messperiode deutlich stärker als der Verbraucherpreisindex.
Zwischen 1970 und 1980 stieg der offizielle US-Verbraucherpreisindex um sage und schreibe 112%, die Preise unseres Waren- und Dienstleistungskorbes stiegen um 117%, nur 5% schneller. Zwischen 2002 und 2012 stieg der US-Verbraucherpreisindex nur um 27,5%, unsere Postensammlung stieg hingegen um 44,3%, also 61% schneller. Man sollte nicht vergessen, dass unsere Berechnungen auf den offiziellen Preisdaten des BLS basieren, die aber, wie wir schon gezeigt hatten, die wahren Preissteigerungen viel zu niedrig ausweisen können. Dieser Unterschied lässt sich mit der Gewichtung und Zusammenstellung des Verbraucherpreisindex erklären. Die Berechnungsmethoden der 1970er sorgten dafür, dass sich die Preisbewegungen unserer 20 alltäglichen Produkte tatsächlich wirksam im Verbraucherpreisindex niederschlugen. Das war in den letzten 10 Jahren aber schon ganz anders.
Hätten sich die Preisentwicklungen aus unserem Experiment tatsächlich voll und ganz im Verbraucherpreisindex niedergeschlagen, dann wäre er so hoch, dass die Fed ihre wirtschaftlichen Stimulierungsmaßnahmen deutlich einschränken müsste. Die Fed agiert stattdessen, als wäre die Inflation extrem niedrig. Folglich begeht sie einen gewaltigen geldpolitischen Fehler, der auf uns zurückfallen wird. Im letzten Jahrzehnt leugnete die Fed jahrelang die Existenz einer Immobilien-Bubble, auch als schon ein ganzer Indizienberg für eine solche sprach. Dieser Fehler führte dazu, dass die Fed die Zinssätze über einen zu langen Zeitraum zu niedrig hielt, wodurch sie die Bubble noch weiter aufblähte und der Wirtschaft noch negativere Konsequenzen aufbürdete. Auch jetzt zeigt sich die Fed wieder ähnlich blind gegenüber inflationären Bedrohungen, und sie begeht wieder denselben Fehler, nur dass die Konsequenzen dieses Mal noch schwerwiegender sein werden.
Neben statistischen Problemen, die die Inflation verdecken, gibt es auch noch makroökonomische Faktoren, die dazu beitrugen, dass die Preise trotz quantitativer Lockerungen niedrig gehalten werden konnten. Das enorme US-Handelsdefizit und die Anhäufung von Dollar-Beständen bei ausländischen Zentralbanken bedeuten auch, dass sich gedrucktes Geld in ausländischen Bankentresoren ansammelt, und nicht in den US-Einkaufzentren. Ausländische Güter fließen in die USA und Dollars fließen ab, und das hielt das Preisgefüge im Inland auch im Zaum. Unsere Inflation wird praktisch exportiert, da die ausländischen Zentralbanken unsere Defizite monetisieren und ihre Überschüsse mit US-Staatsanleihen "recyceln". Die Nachfrage hat die Anleiherenditen gedrückt, was der US-Regierung die Möglichkeit verschafft, billig Kredit aufzunehmen. Natürlich wird sich auch dieser Trend umkehren; die Anleihekurse werden sinken, die Renditen steigen, eine Dollar-Flutwelle wird die amerikanische Küste erreichen und die Verbraucher werden in einem Inflationsmeer ertrinken.
Anders als Krugman und die Keynesianer würde ich argumentieren, dass man aus dem Nichts unmöglich etwas erschaffen kann. Ich glaube, dass das Drucken eines Dollars den Wert aller existierenden Dollars insgesamt um die Kaufkraft des neuen Dollars verringert. Die andere Seite vertritt die Auffassung, dass das neue Geld konkretes, reales Wirtschaftswachstum erzeugt, weshalb realer ökonomischer Wert auch durch das Anhängen von Nullen erzeugt werden kann. Meiner Meinung nach sollte denjenigen die Beweispflicht zukommen, die solche absurden Behauptungen aufstellen. Mehr Informationen zum Thema der versteckten Inflation finden Sie auch in meinen vor Kurzem geposteten Video.
© Peter Schiff
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Dieser Artikel erschien am 10.01.2013 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.