März-Wahnsinn
"Ab Anfang 2013 verstärken sich die Abwärtsrisiken in der Weltwirtschaft.“
Nouriel Roubini
“Wahnsinn bei Individuen ist selten, aber in Gruppen, Nationen und Epochen die Regel.“
Friedrich Nietzsche
Vorspiel
Es liegt fast so etwas wie Wahnsinn in der Luft, aber nicht von jener harmlosen Art, wie sie bei den jährlichen College-Basketball-Festen zu spüren ist. Europa ist näher an der Auflösung als an einer fester Gemeinschaft. Die Vereinigten Staaten haben sich in eine Situation der selbstauferlegten Lähmung gebracht, die von der Landespolitik ausgeht und bis in die US-Wirtschaft reicht. In Asien haben Nationalstaaten Kriegerklärungen abgegeben. Gekämpft wird um Währungsbewertungen - ein Wirtschaftskrieg, der sich zu einem "heißen Krieg" ausweiten kann und in den auch die USA hineingezogen werden könnten. Im Nahen Osten besteht mit Blick auf die Ausschreitungen des letzten Jahres die Gefahr eines neuen "arabischen Frühlings“ mit noch nicht absehbaren Konsequenzen. Die Reaktionen aus Berlin bis Tokio sind überall gleich: Mehr Defizite einfahren und mehr Geld drucken, um diese finanzieren zu können.
Investoren, die eher der Meinung sind, dass sich keines dieser Probleme bald von selbst lösen wird, reagierten darauf, indem sie die Dinge selbst in die Hand nehmen. Die US-Prägeanstalt (auch ein Frühindikator für die internationale Nachfrage nach physischen Metallen) hatte im Januar Rekordverkäufe bei American Silver Eagles zu verzeichnen und den stärksten Absatzmonat seit zweieinhalb Jahren bei American Eagle Goldmünzen. Auch für den Monat Februar wies die Prägeanstalt starke Nachfrage nach ihren physischen Produkten aus - ein robustes Plus von 283% gegenüber Februar 2012.
Aufwärmphase
Schauen Sie sich (unten) den sprunghaften Anstieg der monetären Basis (US $) seit Ende 2012 an - hier ergibt sich ein Plus von fast 8%. Wie werden die Daten im Auge behalten, um zu sehen, ob es sich dabei um kurzzeitige Entwicklungen handelt oder aber um permanentere Entwicklungen wie z.B. 2009 und 2011 - mit vertikalen Verläufen. Wie der Chart zeigt, bildet Gold diese Entwicklungen ab, obgleich es hinter der monetären Basis zurückbleibt. Diese ausgiebige und anhaltende Geldschöpfung (ob sie nun zu zweistelligen Preisinflationsquoten führt oder nicht) legt zuallermindest den Schluss nah, dass sich die Federal Reserve nach wie vor im Krisen-Modus befindet und dass gleich unter der Oberfläche des Banken- und Kreditsystems eventuell vulkanische Risiko brodeln. Vielleicht weiß die Fed etwas, was der Rest von uns nicht weiß - vielleicht etwas viel Gefährlicheres als die nicht sinken wollende Arbeitslosenquote von 8%. Der (oben zitierte) Nouriel Roubini, der auch die Finanzkrise 2008 vorhergesagt hatte, warnt aktuell vor noch schlimmeren Entwicklungen in diesem Jahr.
Bislang scheint all das geschöpfte Geld in einer Art unermesslichem schwarzem Loch zu verschwinden. Die Disinflation/ Stagflation hält sich, obgleich Ben Bernanke mit seinen Bärenanstrengungen das Gegenteil bewirken wollte. Das Ursache-Wirkung-Verhältnis zwischen der monetären Basis und Gold bleibt dennoch bestehen, es lässt sich direkt darauf zurückführen, dass Gold als der ultimative Wertspeicher für alle Umstände angesehen wird. Mit anderen Worten: Gold und die Federal Reserve reagieren beide auf denselben Stimulus - und zwar das Bestehen systemischer Risiken. Der Goldbullenmarkt wurde in seinem Innersten durch die globale physische Nachfrage all jener befeuert, die Münzen und Barren als eine Zufluchtsmöglichkeit vor diesen Risiken betrachten. Gold hat sich als wohl beste Absicherung gegen Disinflation/ Stagflation bewiesen, die Nützlichkeit des Metalls geht also über seinen traditionellen Ruf als bloße Inflationsabsicherung heraus. Sollte es plötzlich zu einer virulenten Inflation kommen, und diese Möglichkeit bleibt bestehen, wird Gold wahrscheinlich weiter der monetären Basis folgen, aber dann aus noch gewichtigeren Gründen.
Gold hat aus meiner Sicht immer noch nicht auf die ungefähr 35%ige Ausweitung der monetären Basis von Ende 2010/ Anfang 2011 reagiert. In Anbetracht dieser Verzögerung scheint eine Reaktion überfällig. Sollte Gold so reagieren wie schon auf den sprunghaften Anstieg der monetären Basis im Jahr 2009, dann dürften in den nächsten Jahren deutliche Goldpreissteigerungen anstehen. So wie die Kreditkrise der Jahre 2008-2009 neue Allzeithoch der Goldkurse vorzeichnete, so könnten ähnliche Ereignisse, so beispielsweise jenes, das Roubini für 2013 prognostiziert, als Startrampe für den nächsten großen Aufwärtstrend im Bullenmarkt dienen.
Interview mit Nouriel Roubini: Krise 2013 wäre schlimmer als 2008
Kreuz- und Querschüsse
- Mark Hulbert von MarketWatch berichtet, dass “Insider aus dem Unternehmensbereich - Vorstandsmitglieder, Management und die größten Aktionäre” aggressiv Anteile veräußern und zwar "in alarmierendem Umfang". Solche Verkäufe, so Hulbert, seien in der Regel ein Hinweis darauf, dass große Verluste anstehen. Gerade im Vorfeld der kräftigen Aktienmarktverluste (2000 Punkte) im Jahr 2011 hatte es derartige Insider-Verkäufe gegeben.
- Natürlich hält die Wall Street unterdessen die ganze Zeit an ihrem Mantra - "Es gibt keine Bubble!“ - fest. Sprechen Sie mir nach: “Es gibt keine Bubble.” Schicht für Schicht haben die Zentralbanken Falschgeld geschöpft, das nun durch die Wirtschaft geistert. Was nicht im schwarzen Loch gedeckter Systemrisiken landet, findet seinen Weg letztendlich an den einen oder anderen Markt. Aktuell ist die Bubble am US-Aktienmarkt voll aufgebläht; da hinter diesen Kursen aber nur wenig realer Wert steckt, muss man sich fragen, wie lange sie weiterbestehen kann. Hier und da wurden einige Warnungen laut. Aktuell herrscht viel mehr Bewegung bei den Indizes als bei den einzelnen Aktientiteln oder Investmentfonds. Uns wird erzählt, dass wir es mit einem Profi-Markt zu tun haben (d.h. ein Markt für Spekulanten), und das heißt, dass die Öffentlichkeit nicht partizipiert. Wir alle wissen aber, was mit solchen Märkten passiert und einige der alten Profis warten in aller Stille ab, bis der Hammer fällt.
- Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die anstehende Eröffnung von Gold-ETFs die Nachfrage in China beeinflussen wird. Traditionell schätzen chinesische Investoren - wie auch ihre amerikanischen Kollegen - physische Metalle mehr als jene Papieransprüche. Institutionen und Investmentfonds tendieren hingegen viel stärker zu den Papierprodukten. Aktuell verfügen die Gold-ETFs der Welt über 2.600 Tonnen, das ist die viertgrößte akkumulierte Goldmenge weltweit. Die Europäische Union verfügt mit 10.800 Tonnen über den größten Vorrat. Die Vereinigten Staaten stehen mit 8.100 Tonnen an zweiter Stelle.
- Bill Gross von PIMCOs sagte kürzlich gegenüber dem Barron’s Magazine, dass Gold seine Top-Investmententscheidung sei. “Die Fed”, so Gross, ”kauft heute 80% des US-Staatsanleihenmarktes an. Die Vorstellung ist schon frappierend: Das US-Finanzministerium emittiert Schuldverschreibungen im Umfang von mehr als einer Billion Dollar, die am Ende zum größten Teil von der Fed aufgekauft werden. Das Finanzministerium verkauft sie an die Banken und Primärhändler, die sie dann mit einem Aufschlag wieder an die Fed zurückverkaufen."
- Die Bits und Bytes des letzten Monatsnewsletters (zum Thema Währungsabwertung) waren noch warm, als Venezuela offiziell eine 32%ige Abwertung des Bolivar gegenüber dem Dollar bekanntgab. Venezolanische Staatsbürger, die sich am Donnerstagabend (7. Februar) friedlich mit 1.000.000 Bolivar auf ihren Bankkonten schlafen legten, mussten schon am nächsten Morgen feststellen, dass ihnen aufgrund des staatlichen Fiat-Geldes nur noch eine Kaufkraft von 680.000 Bolivar geblieben war. Wer die Voraussicht gehabt hätte, 1.000.000 Bolivar vor der Abwertung beiseite zu schaffen, hätte seine nominale Kaufkraft um 47% auf 1.470.000 Bolivar erhöhen können. Real betrachtet, hätte man dadurch aber nur seine Kaufkraft erhalten. Wie es der im 20.Jh. lebende Ökonom Andrew Dickson White in Hinblick auf das monetäre Fiat-Desaster im Frankreich kurz nach der Revolution so treffend formulierte: “In all dem steckt eine Lehre, die jeder denkende Mensch für sich ziehen sollte.”
- Ernest Hemingway: “In schlechtregierten Nationen gilt die Inflation der Währung als erstbestes Allheilmittel. Das zweitbeste ist Krieg. Beides bringt vorübergehend Hochkonjunktur, beides bringt permanenten Ruin. Beide dienen politischen und wirtschaftlichen Opportunisten als Zuflucht.” Hier ein weiteres Zitat vom Hemingway: “Ich versuche mich beim Schreiben immer an das Eisberg-Prinzip zu halten. Für jeden sichtbaren Teil befinden sich weitere sieben Achtel unter Wasser.” Inflation ist letztendlich mehr Prozess als Einzelereignis. Im Zitat über Inflation und Krieg, lässt Hemingway ebenfalls sieben Achtel dieser Angelegenheit unter Wasser. In seiner unnachahmlichen Art lässt er die Worte "permanenter Ruin" wie einen Stein auf die Wahrnehmung des Lesers plumpsen.

- Obgleich Ben Bernanke schon alles in seiner Macht Stehende für die Abwertung der Kaufkraft des Dollars tut, so wird Jack Lew, der angehende US-Finanzminister, mit folgenden Worten zitiert: “Im US-Finanzministerium herrscht traditionell und parteiübergreifend der Vorbehalt, dass mit einem starken Dollar dem Wirtschaftswachstum, der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit der USA bestens gedient ist.” Na da, blah, blah, blah.
- Die Einkommen der Amerikaner sanken im Dezember um 3,6%, den Angaben des US-Handelsministeriums zufolge war das der schwerste Rückgang seit 1993.
- Die "Bespoke Investment Group“ wertete die Goldpreisentwicklungen unter den letzten vier Fed-Chefs aus. Unter G. William Miller stieg Gold um 47,5%, um 65% unter Paul Volcker, um 14,5% unter Alan Greenspan und um 182,9% unter Ben Bernanke. “Das”, so Bespoke,”ist mehr als Doppelte der Zuwächse, die Gold unter jeden einzelnen seiner Vorgänger erzielte, und im Gesamtergebnis fast so viel wie während der Amtszeiten aller drei vorhergehende Fed-Chef (201%)!"
- Wie die New York Times kürzlich berichtete, besitzt Richard W. Fisher, Chef der Dallas-Fed, Gold im Gegenwert von 1 Million $. Wenn man bedenkt, dass Fisher insgesamt über 21 Millionen verfügt, so darf man seine Goldbestände als vernünftige, weitsichtige Absicherung bezeichnen; und wie es im Artikel heißt, sei dies "keine extreme Wette auf eine ökonomische Katastrophe“.
- Bloomberg berichtet: “Chinas Devisenreserven, die seit 2004 um ganze 700% gestiegen sind, würden ausreichen, um die offiziellen Goldbestände aller Zentralbanken zu kaufen - und zwar gleich zweimal”. Wenn das kein überzeugendes Argument für eine radikale Anpassung des Goldpreises ist, dann weiß ich auch nicht.“
- Interessanterweise wurden im letzten Fiskaljahr (September) im Rahmen des Goldabkommens der Zentralbanken (CBGA) unterm Strich nicht mehr als 4 Tonnen von den insgesamt erlaubten 400 Tonnen verkauft. In Wirklichkeit wurden großen Mengen Gold mobilisiert: Die Zentralbanken kauften insgesamt 534,6 Tonnen Gold, so viel wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr. Zentralbanken kaufen Gold aus denselben Gründen wie auch Privatpersonen - als Absicherung gegenüber Währungsentwertung.
- Einige Analysten führten die Gold-Kursverluste auf die Veröffentlichung der Protokolle des Januar-Treffens des Offenmarktausschusses der Federal Reserve zurück. Von außen betrachtet, scheint es sich dabei um ein eher chaotisches Treffen gehandelt zu haben. Man stelle sich nur Leute vor, die auf Stühle klettern müssen, um sich Gehör zu verschaffen. Wie es scheint, denken einige Fed-Mitglieder, dass die Zentralbank zumindest darüber nachdenken sollte, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, oder sogar richtig in die Bremsen zu treten. Für die Märkte war das eine Überraschung und auch Gold hatte mit den Folgen zu kämpfen. Ich weiß zwar nicht, ob bei diesen Treffen Stimmen abgegeben werden, falls doch, dann würde es mich interessieren, welche Entzweiung ein solcher Wahlentscheid mit sich bringen würde. Sich offiziell eher vorsichtig und umsichtig zu zeigen, ist aber immer noch etwas anderes, als Verantwortung für eine Politik zu tragen, die die Wirtschaft in den Sturzflug bringen könnte. Und schließlich ist es immer noch die Fed Ben Bernanke, das sollten wir nicht vergessen; und das machte er in seinem anschließenden Rechenschaftsbericht vor dem US-Kongress auch sehr deutlich.
- All das bringt mich zu meinen abschließenden Bemerkungen zum jüngsten Abschwung der Goldkurse. Hier sei ein gut geschriebener Kommentar empfohlen, der von einem meiner Lieblingsjournalisten stammt, Ambrose Evans-Pritchard vom Londoner Telegraph. Er trägt den Titel: “Gold’s Death Cross is a buy signal for China” (Todeskreuz beim Gold, Kaufsignal für China). Pritchard schreibt: “Ja, die Chinesen mögen wieder den Dollar, aber sie haben schon so viele Dollars. Im Vergleich zu ihren Kollegen besitzen sie allerdings nicht viel Gold. Behalten Sie also Ihre Nerven. In Wirklichkeit bewegen wir uns seit einigen Jahren auf einen informellen Goldstandard zu, wobei Gold, in gewisser Hinsicht als Währung - innerhalb eines Reservenmixes wieder seinen Platz als zentraler Wertspeicher einnimmt.
- Immer wenn Gold korrigiert, wird in der Finanzpresse gerne etwas dicker aufgetragen und überdramatisiert. Die Nachrichten bezogen sich zum großen Teil auf George Soros‘ Goldverkäufe. In den Berichten, die ich las, hieß es, er habe ca. 2 Tonnen ETF-Gold verkauft, was ungefähr der Hälfte seiner Gesamtbestände im Wert von 15 Millionen $ [sic] entspräche. In diesem Fall wäre Soros ein kleiner Akteur, dem ein viel größerer Status im Goldmarkt zukommt, als er eigentlich verdient. John Paulson soll Berichten zufolge hingegen knapp 3,5 Milliarden Dollar in ETF-Gold-Anteilen investiert haben. Es halten sich aber hartnäckig Gerüchte, dass Paulson über Auslieferungen in physische Edelmetalle umschichtet, diese Gerüchte sind allerdings nicht bestätigt wurden.
© Michael J. Kosares
USAGOLD / Centennial Precious Metals, Inc.
Der Artikel wurde am 11.03.2013 auf http://news.goldseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.