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Das Kursgemetzel: Wer, Was und Warum?

20.04.2013  |  Theodore Butler

Gold und Silber befinden sich zweifellos in einer kritischen Situation; Punkt eins auf der Tagesordnung ist also, zu ergründen, wie und warum die Kurse am Freitag und Montag so stark abstürzten. Auf jeden Fall erscheinen gerade mehr Kommentare über die Kursschwäche der Edelmetalle (meist Gold), als ich je zuvor gesehen habe. Leider gehen die meisten Analysen und Kommentare, meiner Meinung nach, weit am eigentlichen Thema vorbei. Die gute Sache dabei ist: Jeder, der interessiert ist, kann jetzt selbst entscheiden, welche der zahlreichen Meinungen zu den aktuellen Vorgängen bei Gold und Silber für ihn am meisten Sinn ergibt.

Für mich ist die Erklärung der Vorgänge allerdings ganz einfach: Der Einbruch der Silberkurse ereignete sich genau im Rahmen, den ich bei der Analyse der Gold- und Silberkurse betrachte. Erste Frage: Was genau ist passiert? Im Grunde detonierte eine Neutronen-Kursbombe in ganz bestimmten Märkten der NYMEX/COMEX, sie richtete sich gegen die Gold-, Silber-, Kupfer-, Platin-, Palladium- und Rohölkurse. Kurstechnisch blieb der gestrige Tag an fast allen anderen Märkten so gut wie ereignislos - z.B. an den Märkten für Aktien, Anleihen, Währungen, Getreide, Fleisch, Agrarrohstoffe.

Diese Unterscheidung - d.h. dass es nur an ausgewählten Märkten zu ungewöhnlichen Kursschwächen kam - ist deshalb wichtig, weil sich auf diesem Weg reflexartige Erklärungen ausschließen lassen, denen zufolge die Kurse durch makroökonomische Faktoren beeinflusst wurden. Wie könnten allgemeine makroökonomische Faktoren nur ganz bestimmte Rohstoffmärkte aber nicht die Aktien- oder Währungsmärkte beeinflussen? Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die von Kursschwächen betroffenen Rohstoffmärkte alle unterschiedliche Fundamentaldaten bezüglich Angebot und Nachfrage aufweisen - das sei an dieser Stelle nur festgehalten, um die Möglichkeit auszuschließen, dass sich all diese unterschiedlichen Fundamentaldaten gestern mit einem Schlag veränderten. Rohstoff-Fundamentaldaten ändern sich in Zeitlupentempo; es ist also unmöglich, dass sich die Angebots-Nachfrage-Rechnung vieler verschiedener Rohstoffe über Nacht verändert.

Wenn es also keine Änderung der fundamentalen Grundsituation gewesen ist, die gestern an verschiedenen, unterschiedlichen Märkten schwere Kursverluste auslöste, was zum Teufel war dann verantwortlich für diese steilen Kursverluste? Anders formuliert: Welchen gemeinsamen Nenner wiesen die von den Kurseinbrüchen betroffenen Märkte auf? Der offensichtlichste gemeinsame Nenner war die Tatsache, dass diese schweren Kurskorrekturen allesamt an NYMEX/ COMEX-Märkten stattfanden, die von der CME Group betrieben werden. Der wichtigste gemeinsame Nenner war allerdings die Art der Käufer und Verkäufer in allen jenen Märkten, auf die hier eingeprügelt wurde.

An jedem der von schweren Kurseinbrüchen betroffenen Märkte galt Folgendes - und zwar ohne Ausnahme: Die großen Netto-Käufer waren immer Trader, die unter die Kategorie Commercials fallen und die großen Netto-Verkäufer waren immer Trader, die unter die Kategorie Non-Commercials fallen - hier zum großen Teil technische Trading-Fonds (Trendfolge-Fonds). Das galt nicht nur gestern, es galt auch schon bei jedem einzelnen großen Kursverfall zuvor, wie man den staatlichen Angaben (COT-Berichte herausgegeben von US-Behörden) entnehmen kann.

All das scheint ganz elementar und natürlich zu sein; ich bitte Sie aber einen erneuten, aufmerksamen Blick auf diese Situation zu werfen. In diesem emotional stark aufgeladenen Klima deutlicher Kursverluste ist man versucht, fabrizierte Stories als Ursache der Verluste zu akzeptieren. Aus diesem Grund ist es wichtiger denn je, auf bekannte Fakten und Beweisbares zu vertrauen. Die COT-Daten haben gezeigt und werden ohne jeden Zweifel auch wieder zeigen, dass die Commercials immer die großen Käufer sind und die Tech-Fonds immer die großen Verkäufer. Und auch diesmal war es nicht anders. Erst wenn man weiß, wer die großen Käufer und Verkäufer sind (und das ist das Schöne an den COTs), kann man einen Schritt weiter gehen und nach dem “Wie“ und dem “Warum“ der großen Kursverluste fragen.

Gerüstet mit dem sicheren Wissen darum, dass in jedem dieser Verlust-Märkte die großen Käufer Commercials waren und die großen Verkäufer die Tech-Fonds, kommen wir jetzt zum “Wie“ und “Warum“. Das “Warum?” ist wirklich einfach: Um Geld zu machen. Geld macht man, indem man günstig kauft und teuer verkauft, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. JP Morgan, der große konzentrierte Leerverkäufer und Manipulator des Silbermarktes und anderer Märkte, hat schon containerweise Geld gescheffelt, insgesamt wohl viele hundert Millionen Dollars, durch Leerverkauf von Positionen zu höheren Kursen und deren Rückkauf zu niedrigeren. Ich würde JP Morgan die enormen Trading-Gewinne nicht einmal missgönnen, wären diese legal zustande gekommen, was aber nicht der Fall ist. Die enormen Trading-Gewinne, die JP Morgan und andere Commercials dabei einsteckten, könnten von "legal verdient" gar nicht weiter entfernt sein. Das ist der einzig plausible Schluss, zu dem eine vernünftige Person kommen kann, wenn die letzte offene Frage - “Wie machen sie es?" - beantwortet ist.

Wir wissen, wer die Käufer und Verkäufer sind, bleibt nur noch das “WIE?“. Einfach ausgedrückt: JP Morgan und die Commercials haben die Kontrolle über jene Mechanismen übernommen, durch die die kurzfristigen Preisentwicklungen bestimmt werden - und das ist Hochfrequenzhandel (high frequency trading), der den modernen elektronischen Handel bestimmt. Wann immer JP Morgan und die Commercials die Kurse eines Marktes deutlich höher oder tiefer setzen wollen, dann können sie das und dann machen sie das. Das ist ein unglaublich großer Vorteil im Trading. Die Tech-Fonds (die immer als Gegenpartei zu JPM oder den anderen Commercials auftreten) erteilen ihre Kauf- oder Verkaufsorder auf Grundlage von Kursveränderungen, und das heißt praktisch auch, dass sie von JP Morgan und den Commercials kontrolliert werden.





Sonntagnacht war ein klassisches Beispiel dafür: JP Morgan und die Commercials trieben die Kurse an den erwähnten NYMEX/COMEX-Rohstoffmärkten tiefer und tiefer, um bei den technischen Trendfolge-Fonds immer mehr Verkäufe auszulösen, so dass JP Morgan und die Commercials zurückkaufen konnten und zurückkauften. Die Commercials wussten, dass nach der Schlappe von Freitag gleich zu Wochenbeginn weitere Kontraktliquidierungen aufgrund hoher Nachschussforderungen (margin call) anstehen würden. Aber anstatt panische Margin-Call-Verkäufer mit einem zusätzlichen Verlust von 50 Cents beim Silber oder 20 $ beim Gold aus dem Markt zu lassen, drückten die Commercials die Kurse Sonntagnacht im dünnen Globex-Handel um weitere 3 $ (Silber) bzw. 100 $ (Gold) in die Tiefe. Ähnlich wie am 1.Mai 2011 beim Sonntagnacht-6 $-Silbermassaker. Der einzige Unterschied ist, dass die Commercials nicht nur Silber, sondern auch alle anderen wichtigen NYMEX/COMEX-Märkte mit in die Tiefe rissen.

Den Beweis, dass die Märkte genau so funktionieren, findet man in den aktuellen und vergangenen COT-Daten; sie zeigen, dass bei starken Kursverlusten immer die Commercials als die großen Käufer und die technischen Fonds immer als die großen Verkäufer auftreten. Mit Blick auf die Daten wüsste in der Tat nicht, welche alternative Erklärung überhaupt in Frage kommen kann. Natürlich könnte eine kleine Gruppe großer Banken und Finanzfirmen diesen Trading-Betrug nicht fortlaufend durchziehen, ohne dabei gemeinsame Vorkehrungen und geheime Absprachen zu treffen. Und natürlich sind geheimen Absprachen und Kurskontrollen gesetzeswidrig und widersprechen jedem Verständnis von fairem Handel. Es gibt tatsächlich eine übergeordnete Marktaufsicht (hier in Form der bundesstaatlichen CFTC und der sich selbst beaufsichtigen CME Group), die speziell zum Kampf gegen die von mir eben beschriebenen Trading-Praktiken geschaffen wurde. Beide weigern sich aber, dem fortdauernden Betrug ein Ende zu setzen.

Der Hauptimpuls für die Kursverluste von Montag waren eindeutig die Margin-Call-Liquidierungen der Halter von Long-Future-Kontrakten. Obwohl ich schon immer davor gewarnt hatte, Silber auf Kredit zu kaufen, so möchte ich mich manchmal, gerade in Zeiten wie diesen, selbst dafür ohrfeigen, dass ich nicht noch eindringlicher davor gewarnt hatte. Die Kursverluste von 200 $ beim Gold und 5 $ beim Silber der letzten zwei Tage haben dazu geführt, dass die meisten Halter von Silber- und Gold-Long-Kontrakten unverzüglich 20.000 $ bis 25.000 $ für jeden einzelnen ihrer laufenden Kontrakte überweisen sollten, weil ihre Broker diese Kontrakte ansonsten zwangsverkaufen würden. Diese hohen Geldforderungen führten dann zu einer Lawine von Panikverkäufen. Und da tut es wenig zur Sache, ob man der Überzeugung ist (so wie ich), dass hinter den extremen Kursverlusten Absicht stand oder dass die Margin-Call-Verkäufe spontan und ohne jegliche hintergründige Absichten ausgelöst wurden. Am Ende kann es zumindest keinen Zweifel darüber geben, dass Gold und Silber (und Kupfer, Platin, Palladium als auch Öl) heute aufgrund der außergewöhnlichen Handelsaktivität an der NYMEX/COMEX in die Tiefe gezogen wurden, allem voran durch Margin-Call-Verkäufe.

Wenn man die Prämisse akzeptiert, dass diese Nachschussforderungen im Zentrum der heutigen Kursverluste stehen, dann lautet die nächste Frage: Wann werden die Magin Calls enden? In Hinblick auf vergangene Marktentwicklung wissen wir, dass diese Verkäufe eher wie ein Strohfeuer sind. Das gilt besonders für die COMEX-Märkte Gold, Kupfer und Silber, wo die spekulative Long-Position - nach monatelangen Abbau der spekulativen Long-Positionen sowie Aufbau der spekulativen Short-Positionen - ohnehin schon nicht mehr übermäßig groß waren. Ich denke nicht, dass die technischen Fonds heute noch aggressiv Short-Positionen aufbauen werden, weil die aktuellen Kurse schon so weit unter den populären gleitenden Durchschnitten liegen, das ein Setzen der normalen Stop-Loss-Order oberhalb dieser Durchschnitte jetzt für sie wohl zu risikoreich wäre. Es scheint also nur eine standardmäßige Liquidierung gehebelter Long-Positionen zu geben, bei der der Höhepunkt schon erreicht wurde. Sie müsste also schon bald vorbei sein. Die Kursverluste werden dann aufhören, wenn die Margin-Call-Liquidierung (in erster Linie an der COMEX) endet.

Die nächste Frage ist: Was passiert, wenn die Kurse nicht mehr sinken und das Strohfeuer der Margin-Call-Verkäufe ausgebrannt ist? Anders gefragt: Wie wird die nächste Kurserholung aussehen; geht es langsam oder mit einem Ruck nach oben? Das kann niemand genau sagen, es besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Kurse wieder in die Höhe schießen. Sicher ist zumindest: Jeder Markt, der 10% innerhalb eines Tages fallen kann, kann auch wieder genauso stark (oder stärker) steigen. Die Chancen eines Kurssprungs erhöhen sich aber durch den unglaublichen Umfang der Käufe der Commercials, die es an den vom Kursgemetzel betroffenen Märkten gegeben hatte. Wir werden dafür wohl noch den COT der nächsten Woche abwarten müssen; es kann jedoch wenig Zweifel daran geben, dass der kommende COT Rekordkäufe seitens der Commercials ausweisen wird - so wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten.

Da ich zweifellos davon überzeugt, dass der Silberkurs durch die großen Commercials an der COMEX manipuliert wird und nun auch sehe, dass diese aggressiv kaufen, so liegt der Schluss nah, dass sie den Kurs mit derselben Intensität wieder nach oben schießen lassen, mit der sie ihn im Rahmen einer orchestrierten Aktion nach unten geschickt hatten.

Angesichts des rekordverdächtigen Handelsvolumens am Montag und Freitag würde es mich nicht überraschen, wenn JP Morgan seine konzentrierte Silber-Short-Position eliminiert hat. Es ist meiner Meinung nach obszön, dass die CFTC und die CME einfach nur daneben standen und zusahen, wie JP Morgan und die anderen Abzocker-Commercials das ordentliche Funktionieren der Märkte aus den Angeln hoben, aber das ist nichts Neues. Tatsache ist, dass JP Morgan und alle “Mitorchestrierer" jetzt besser als je zuvor für eine Kurserholung beim Silber und an anderen Märkten positioniert sind.

So schmerzhaft die heftigen Kursverluste auch gewesen sind, den Besitzern komplett bezahlter Silberpositionen bleibt zumindest die Option, diese weiter zu halten, ohne gewaltige Kapitalsummen nachzuschießen oder eben ihre Position zu verlieren. Ich zumindest weiß, dass ich sie halten werde, wie auch meine Call-Optionen. Für die Besitzer gehebelter Metall-Futures-Kontrakte ist das aber leider keine Option. Sicherlich wurde eine größere Zahl “hebelnder Longs” aus dem Markt gedrängt, die wahrscheinlich nicht wieder so schnell kaufen werden - das ist aber auch kein notwendiger Faktor für zukünftig steigende Silberkurse. Die endgültige Freisetzung der Silberpreise hat immer schon vom physischen Markt abgehangen. Mit Blick auf den physischen Metallmarkt deuten die schweren Kursverluste wohl eher darauf hin, dass sich die Freisetzung über den physischen Markt beschleunigen wird.

Alle ökonomischen Prinzipien der freien Märkte legen nah, dass sinkende Rohstoffpreise die Nachfrage erhöhen und das Angebot drosseln. Auf jeden Fall wird der plötzliche Silberkurseinbruch nicht dafür sorgen, dass die Silberbergbauunternehmen wie wild die Silberproduktion ausweiten werden. Und sobald sich die Kurse stabilisiert haben werden (ich denke, das wird schon sehr bald der Fall sein), wird sich auch das Kaufinteresse wieder erhöhen, um von den sich plötzlich bietenden Schnäppchenpreisen zu profitieren.


© Theodore Butler


(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 16.04.2013 auf der Website www.silverseek.com veröffentlicht.

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