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Warum ein Mindestlohn keine gute Idee ist

13.05.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

I. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn: Kein Lohn soll unter 8,50 Euro pro Stunde liegen. Mit der Einführung eines Mindestlohns wird eine Reihe von Zielen verfolgt. Hierzu zählen zum Beispiel, dass Arbeitseinkommen "gerechter“ werden; dass die Arbeitnehmer besser an der Gewinnerzielung der Unternehmen beteiligt werden, dass der Staatshaushalt entlastet wird und anderes mehr.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Debatte über Mindestlöhne in vollem Gange. Zum einen ist Bundestagswahl im September, und so mancher Politiker wittert die Chance, mit "sozialen" Themen bei den Wählern punkten zu können. Zum anderen ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland (anders als in vielen anderen Euroraum-Ländern) derzeit immer noch recht gering. Sorgen vor einem Verlust des Arbeitsplatzes sind nicht allzu ausgeprägt, und auch aus diesem Grunde findet die Forderung nach einem Mindestlohn in der Öffentlichkeit offene Ohren.

Viele Ökonomen stehen Mindestlöhnen jedoch ablehnend gegenüber. Im jüngsten Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung etwa haben sich die Verfasser mit Nachdruck gegen die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen ausgesprochen, seien diese nun flächendeckend oder - noch bedenklicher - branchenspezifisch. (2)

Die Ökonomen befürchten folgendes Ergebnis: "Ein gesetzlicher Mindestlohn birgt je nach seiner Höhe ein erhebliches Risiko von Arbeitsplatzverlusten gerade im Bereich gering qualifizierter Arbeit. (…) Um es auf den Punkt zu bringen: Dem Arbeitslosen nützt ein Mindestlohn nichts, wenn es bei dieser Entlohnung kaum Arbeitsplätze gibt, er bliebe der Verlierer." (3)

Diese Schlussfolgerung erklärt sich wie folgt. Für jedes Unternehmen ist Arbeit ein Produktionsfaktor wie jeder andere auch (also wie Land, Maschinen etc.). Jedes Unternehmen wird zur Produktion seiner Güter diejenigen Produktionsfaktoren auswählen, mit denen es die Produktion am günstigsten herstellen kann. Teure Produktionsfaktoren werden, wenn das möglich ist, durch günstigere ersetzt. Das ist der "Mechanismus", durch den die volkswirtschaftliche Güterversorgung bestmöglich und zu niedrigsten Preisen gesichert wird.

Der Produktionsfaktor Arbeit konkurriert also mit allen anderen Produktionsfaktoren. Sind die Kosten der Arbeit zu hoch, werden Unternehmen früher oder später gezwungen sein, sie durch günstigere Produktionsfaktoren zu ersetzen. Steigen zum Beispiel die Kosten der Arbeit, weil der Staat die Sozialabgaben, die auf die Arbeitsentlohnung erhoben werden, erhöht, wird es für Unternehmen günstiger, Arbeit durch zum Beispiel vermehrten Technologieeinsatz zu ersetzen, oder aber die Produktion wird dorthin verlagert, wo die Arbeitskosten relativ günstiger sind.

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Im März 2013 betrug die Arbeitslosigkeit im Euroraum 12,1 Prozent - der höchste Stand seit Einführung des Euro im Januar 1999. Damit sind 19,2 Millionen Menschen ohne Arbeit. In Spanien betrug die Arbeitslosenquote 26,7 Prozent, Portugal 17,5 Prozent, Zypern 14,2 Prozent, Frankreich 11,1 Prozent und in Italien 12,7 Prozent. Angesichts der sich weiter eintrübenden Konjunkturen dürften sich diese Zahlen in den kommenden Monaten wohl noch weiter verschlechtern.


II. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Mindestlöhne ökonomisch in der Tat kontraproduktiv sind. Die nachstehende Graphik zeigt auf der horizontalen Achse die Arbeitsmenge (Zahl der Arbeitnehmer), die vertikale Achse zeigt die Lohnhöhe. Die positiv steigende Linie zeigt das Arbeitsangebot: Je höher der Lohn, desto mehr Menschen sind bereit, ihre Arbeitskraft anzubieten (und damit auf Freizeit zu verzichten).

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Die negativ geneigte Linie in der obigen Graphik zeigt die Nachfrage nach Arbeit der Unternehmen. Hier gilt: Je niedriger der Lohn ist, desto mehr Arbeitskraft wird von den Unternehmen nachgefragt.

Das Gleichgewicht im Arbeitsmarkt ist dort erreicht, wo das Angebot von und die Nachfrage nach Arbeit sich treffen. Hier wird der Lohn L0 bezahlt, und die Arbeitsmengen beträgt M0 .

Liegt der Mindestlohn nun oberhalb von L0, so werden Unternehmen weniger Arbeitskräfte nachfragen, als sie nachfragen würden, wenn der markträumende Lohn zu zahlen wäre. Es kommt zu "erzwungener" Arbeitslosigkeit (und zwar in Höhe von M* - M0).

Liegt hingegen der Mindestlohn unterhalb des markträumenden Lohnes, so ist er irrelevant. Warum? In einer solchen Situation stellt sich ein Nachfrageüberschuss nach Arbeit ein: Die Unternehmen werden bereit sein, einen höheren Lohn zu zahlen, als den Mindestlohn, und zwar in Höhe des markträumenden Lohns.





Man kann also an dieser Stelle folgendes festhalten: Ein Mindestlohn ist kontraproduktiv:

(1) Denn wenn der Mindestlohn niedriger ist als der markträumende Lohn, so ist er ohne Bedeutung. Der Arbeitgeber wird dann nämlich bereit sein, einen Lohn zu zahlen, der höher ist als der Mindestlohn.

(2) Wenn der Mindestlohn höher ist als der markträumende Lohn, wird es ungewollte Arbeitslosigkeit geben: Weniger Arbeiter werden einen Arbeitsplatz finden können im Vergleich zu einer Situation, in der es keinen Mindestlohn gibt.

Mindestlöhne können also die Ziele, die ihre Befürworter vorgeben erreichen zu wollen, nicht erreichen: Sie sind weder "sozial" gerecht, noch verbessern sie die Arbeitsmarktlage.

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Quelle: Destatis

Macht kann ihrer Wirkung "keine Dauer verleihen gegen die leise und langsam, aber unablässig und durch diese Unablässigkeit schließlich siegreich wirkenden Gegenkräfte 'rein wirtschaftlicher Natur', die durch den künstlichen Anstoß und die durch ihn gesetzte neue Sachlage ausgelöst werden. ... auch das gebieterischeste Machtdiktat ... kann nicht gegen, sondern nur innerhalb der ökonomischen Wert-, Preis- und Verteilungsgesetze wirken, sie nicht aufhebend, sondern bestätigend und erfüllend."
Eugen von Böhm-Bawerk, 1914, Macht oder ökonomisches Gesetz?, S. 266.

"Den praktisch bedeutsamsten Fall preispolitischer Eingriffe stellen heute die gewerkschaftlichen Mindestlöhne dar. In manchen Staaten wurden Mindestlöhne unmittelbar durch Massnahmen der Obrigkeit festgelegt. Die Obrigkeiten anderer Staaten greifen nur mittelbar in die Lohngestaltung ein, indem sie es dulden, dass die Gewerkschaften und die von ihnen geleiteten Arbeitnehmer Gewalt gegen die Unternehmungen und gegen die Arbeitswilligen anwenden, die gegen ihre Lohntarife verstossen. Die Lohntaxe bewirkt ständige Arbeitslosigkeit eines sehr beträchtlichen Teiles der Arbeiterschaft, und da pflegt die Obrigkeit wieder durch die Gewährung von Arbeitslosenunterstützung einzugreifen."
Mises, L. v. (1940), Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens, S. 676.


III. Nun gibt es jedoch einen ökonomischen Anreiz für diejenigen, die bereits einen Arbeitsplatz haben, dass Mindestlöhne eingeführt werden. Warum? Auf diese Weise wird der Wettbewerbsdruck im Arbeitsmarkt abgesenkt. Bei denjenigen, die einen Arbeitsplatz besitzen ("Insider"), stoßen Mindestlöhne nicht selten auf Zustimmung, weil sie den lohnsenkenden Einfluss von neu in den Markt drängenden Arbeitskräften, die bereit sind, zu einem niedrigeren Lohn zu arbeiten ("Outsider"), reduzieren.

Die Geschädigten der Mindestlöhne sind daher vor allem diejenigen, die zum Mindestlohn keine Beschäftigung mehr finden. Unternehmen können ihnen keinen Arbeitsplatz anbieten - was sie tun würden, wenn ihnen die Möglichkeit offenstehen würde, einen niedrigeren Lohn als den Mindestlohn zu zahlen.

Warum aber nicht einen Mindestlohn zulassen, der unterhalb es markträumenden Lohnes liegt? Schließlich richtet er dann ja keinen Schaden an, so könnte man argumentieren. Doch Vorsicht.

Man nehme nur einmal an, die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich, und der markträumende Lohn fällt deutlich - und zwar unterhalb des bisherigen Mindestlohnes. Der Mindestlohn verhindert dann, dass sich der Arbeitsmarkt an die neuen Bedingungen anpassen kann und sorgt so für Arbeitslosigkeit.

Weiterhin ist zu beachten: Beginnt der Staat damit, einzelnen Gruppen Privilegien zu gewähren wie in Form eines Mindestlohns, so wird dadurch nur allzu leicht eine Interventionsspirale in Gang gesetzt: Immer mehr Gruppen fordern Staatseingriffe zu ihren Gunsten, durch die die Marktkräfte untergraben und Wachstum und Beschäftigung geschädigt werden.

Gerade in Deutschland sollten die Arbeitsmarkterfolge der letzten zehn Jahre aufhorchen lassen. Durch Lohnzurückhaltung konnten immer mehr Menschen einen Arbeitsplatz erlangen. Ein Mindestlohn birgt die Gefahr, dass diese Beschäftigungserfolge unnötig gefährdet werden.

Wenn es das Ziel ist, die Reallöhne, die Arbeitseinkommen zu steigern und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, muss das Rezept lauten: Unternehmerische Freiheiten müssen gefördert werden, Steuern und Abgaben müssen gesenkt und der Staat geschrumpft und seine Markteingriffe zurückgeführt werden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(2) Siehe hierzu: Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung, 2012/13, S. 318.
(3) Ebenda, S. 341.