Interview mit Nick Barisheff (Teil 1/2)
17.06.2013 | David Morgan
David Morgan: Nick Barisheff ist Autor des Buches "$10,000.00 Gold: Why Gold’s Inevitable Rise is the Investor’s Safe Haven.” Mr. Barisheff, ich habe die Vorabversion Ihres vor Kurzem erschienenen Buches gelesen. Sie beschreiben und begründen, wie ich finde, sehr gut, warum Gold so wichtig ist. Eine Frage vorab: Was hat Sie veranlasst, vom Immobiliensektor zu den Edelmetallen zu wechseln?
Nick Barisheff: Da müssten wir wohl bis ins Jahr 1997 zurückgehen. Ich hatte gerade ein Projekt zu Ende gebracht und machte mich auf die Suche, wo der nächste Trend sein könnte. Ich kam zum Schluss, dass es Edelmetalle, der Energiesektor und Wasser sein würden. Was mich aber an Edelmetallen am meisten reizte, war die Tatsache, dass es in Kanada keine Möglichkeit gab, physische Edelmetalle in ein registriertes Renten-Portfolio aufzunehmen, zumindest nicht ohne die Eigenschaften und Vorteile physischer Metalle zu kompromittieren.
Ich hab mich also ans Werk gemacht. Die Edelmetalle werden steigen, davon ging ich aus; ich begann also eine Struktur zu entwickeln, auf die kanadische RRSP-Investoren (registrierte Rentensparpläne) zurückgreifen könnten. Damals waren ca. 400 Mrd. $ in Rentenfonds angelegt, und irgendwo in meinem Hinterkopf hatte ich diese Idee, dass jeder ca. 10% in physischen Metallen halten sollte. Ich war überzeugt, dass die Gründung eines Bullion-Fonds großes Potential hätte.
Ich musste mich dann aber erst vier Jahre lang mit der Securities Commission auseinandersetzen; und das lag unter anderem an Liquiditätsfragen. Ich wollte keinen geschlossenen Fonds gründen, weil die Liquidität dann der Anzahl der ausgegebenen Anteile entsprochen hätte. Ich wollte, dass die Liquidität genauso hoch ist, wie die physischen Bestände. Und das macht man über einen offenen Investment-Trust, wo man täglich zum Inventarwert kaufen und verkaufen kann.
Da ein Bullion-Fonds nicht alle aufsichtsbehördlichen Bestimmungen erfüllt und auch als Projekt vollkommen neu war, dauerte es eben vier Jahre bis zur Gründung des ersten offenen Investmentfonds. Dann kam die nächste große Überraschung: Ich war davon ausgegangen, dass der Fonds auf breite Zustimmung treffen würde und dass alle schon längst verstanden hätten, dass man 10% seiner Investitionsgelder in physischen Edelmetallen halten sollte. Doch diese einfache Idee traf auf massiven Widerstand. Es gab enorme Missverständnisse, negative Voreingenommenheit und so weiter, Dinge, die es nie zuvor bei meinen anderen Investmentprojekten gegeben hatte.
David Morgan: Ich kann da auch aus Erfahrung sprechen; diesen Lernprozess in Gang zu setzen, ist ein richtiger Kampf, und eigentlich scheint es so selbstverständlich: Geschichtslektionen. Das ist natürlich die Überleitung zum Thema "aus der Geschichte lernen" - Gold vs Papier. Sie sprechen von mehreren Stufen, fünf insgesamt. Können Sie die kurz darstellen?
Nick Barisheff: In erster Linie packen viele Kommentatoren und Investoren Edelmetalle (Gold, Silber und Platin) in dieselbe Kategorie wie Industriemetalle (Kupfer, Blei und Zink) und behandeln sie dementsprechend als Rohstoffe und nicht als Geld. Sie verstehen nicht, warum die Edelmetallkurse steigen, da es ja eigentlich die Währungen sind, die sich entwerten - das gilt für alle Währungen. Währungen. Ganz einfach: Wenn man von einer Sache zu viel herstellt, dann wird sie ihren Wert verlieren. So einfach.
Und genau das passiert. Seit 2000 stiegen die Kurse aufgrund zunehmender Währungsabwertung und steigenden Schuldenlasten. Wenn man die Goldkurse den US-Schulden gegenüberstellt, dann ergibt sich eine fast perfekte Korrelation.
David Morgan: Sehr gut. Aber dann erläutern Sie uns doch die fünf Stufen, die verschieden historischen Lektionen hinsichtlich Gold vs Papier.
Nick Barisheff: Ok, um es kurz zu machen: Es hat in der Geschichte noch keine einzige Papier-Währung gegeben, die am Ende nicht Opfer von Hyperinflation wurde und schließlich unterging. Aktuell bewegen wir uns auf unbekanntem Gebiet: Wir haben mit dem US-Dollar eine globale Fiat-Währung - eine Weltreservewährung. Man kommt aber immer wieder an den Punkt, an dem es schließlich keine andere Lösung mehr gibt, als noch mehr Währung zu schöpfen, um das Unausweichliche aufzuschieben.
In den USA, in Europa, Japan und fast überall in der westlichen Welt haben wir jetzt eine Situation, in der die Regierungen nur noch wenige Möglichkeiten haben. Sie können die Besteuerung erhöhen, oder sie führen rigide Spar- und Kürzungsmaßnahmen durch - Austerität. Wie man aber derzeit feststellen muss, zeigt Austerität kurzfristig keine Wirkung; sie macht alles nur noch schlimmer. Das BIP sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt und die Steuereinnahmen des Staates sinken, was dann dazu führt, dass noch mehr Währung geliehen werden muss, was noch höhere Verschuldung bedeutet. Weltweit sind Regierungen in dieser Spirale gefangen. Der andere Weg wäre nun, dass man diese Dynamik durch Wachstum durchbricht; bei diesen Verschuldungsständen bräuchte man aber ein jährliches BIP-Wachstum von mehr als 10%, und keiner würde behaupten, dass das auf absehbare Zeit möglich wäre.
Eine Sache hat schon in der Vergangenheit funktioniert: Finanzrepression - eine subtile Form, das BIP-Schulden-Verhältnis zu reduzieren. Nach dem 2.Weltkrieg hatte man damit Erfolg gehabt. Man braucht nur für eine negative Realverzinsung zu sorgen. Man wertet die Währung durch exzessive Geldschöpfung ab. Man ändert die Regeln und zwingt bestimmte Institutionen, wie z.B. große Pensionsfonds, Staatsanleihen zu kaufen, und am Ende werden Kapitalkontrollen durchgesetzt. Wenn Staaten diese Art subtiler Finanzrepression beibehalten, können sie über einen langen Zeitraum hinweg die Schuldenquoten senken.
David Morgan: Reden wir über demographische Alterung und welche Folgen das für Gold hat.
Nick Barisheff: Ich schau mir solche Trends an, weil man hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen jede Menge “Noise“ hat; jeder spekuliert, wie die zukünftigen Entwicklungen tatsächlich sein werden. Ich versuche, mich dabei auf einige wenige Trends zu konzentrieren, die sich kaum oder nicht ändern. Das ist erstens die demographische Alterung, die Generation der “Babyboomer“ in den Ländern des Westens. In den 1980ern und 1990ern waren die Babyboomer die treibende Kraft in der Wirtschaft, prozentual kauften sie die meisten Häuser, zogen Kinder groß, kauften die meisten Produkte und so weiter und so fort.
Und diese Generation geht jetzt nach und nach in Rente; für die USA sollen es nach meinen Informationen wohl um die 10.000 pro Tag sein, die jetzt von der Social Security zu zehren beginnen. Dieser Trend setzt sich fort; über die nächsten 20 Jahre wird dann genau das Gegenteil der Fall sein, was in den letzten 20 Jahren der Fall gewesen ist. Die Babyboomer hören auf, Geld auszugeben, weil sie sich nichts mehr kaufen müssen. In vielen Fällen lösen sie zudem ihre Investitionen auf oder fordern vom Staat Auszahlungen in den Bereichen Social Security, Medicare und Pensionsfonds. Dieser Trendwechsel wird ein Schrumpfen des BIP verursachen, einen Rückgang der Steuereinnahmen und somit auch einen Anstieg der jährlichen Haushaltsdefizite sowie der Gesamtverschuldung.
Ein weiteres Problem, das sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, ist die Auslagerung von Arbeitsstellen ins Ausland. So ging eine bedeutende Anzahl von Arbeitsstellen nach China und in die Drittweltländer, und die werden nicht zurückkommen. Falls wir je an dem Punkt angelangen sollten, an dem eine Rückkehr in die USA wieder profitabler ist, dann werden die Hersteller hier hochautomatisierte, robotisierte Produktionsanlagen einsetzen, in denen werden dann nicht mehr die Arbeitermassen stehen, die zuvor ihre Jobs an den Laufbändern verloren haben. Hier haben wir also einen weiteren Faktor, der auf lange Zeit für systemische Arbeitslosigkeit sorgen wird.
Der dritte Problemkreis ist “Peak Oil". Auch wenn aktuell viel über Ölsande und Fracking geredet wird, so ist und bleibt der entscheidende Punkt doch das Fördermaximum beim billigen Öl. Beim konventionellen, billigen Öl haben wir das Maximum schon erreicht oder stehen kurz davor; und das ist, neben Währungsschöpfung, auch der einzige andere Faktor, der ebenfalls Inflation verursacht, weil steigende Ölpreise buchstäblich alle anderen Preise mit beeinflussen. Diese drei Makro-Trends werden also zu noch stärkerer Währungsschöpfung führen, zu noch mehr Staatsverschuldung und zu entsprechend steigenden Goldpreisen.
David Morgan: Reden wir darüber, welche Mythen es bezüglich des physischen Goldbesitzes gibt. Wir beide arbeiten ja in diesem Sektor, und viele Menschen mit denen wir sprechen, sind sich der Bedeutung von Gold durchaus bewusst, aber das sind in meinen Augen vielleicht 1% der Bevölkerung, während 99% wohl eher keinen Schimmer haben. Also …
Nick Barisheff: Ich stimme Ihnen zu.
David Morgan: Welche Mythen herrschen also hinsichtlich physischen Edelmetallbesitzes?
Nick Barisheff: In meinem Buch geht es auch um den Mythos, dass Gold eine riskante Vermögensanlage ist, wir haben einen Vergleich zum Sharpe-Ratio und zum Sortino-Ratio vorgenommen, mit denen Ertrag und Volatilität ins Verhältnis gesetzt werden. Gold, Silber und Platin scheiden dabei besser ab, als fast alle Dow-Komponenten. Wenn also Gold, Silber und Platin riskant sind, dann ist auch jede Dow-Aktie riskant. Das ist Nummer eins.
Der zweite große Mythos ist, dass Gold nutzlos sei, weil es keine Dividenden oder Zinsen abwirft. Währungen machen das ja auch nicht, wenn man sie in einen Tresor packt. Wenn man ein Bündel 100-Dollar-Scheine oder Schweizer-Franken-Scheine in einen Tresor legt, bekommt man ebenfalls keine Zinsen oder Dividenden. Um Zinsen oder Dividenden zu bekommen, muss man sein Geld oder seine Währung aus dem Tresor nehmen und sie über Anleihen oder Aktien jemanden anders geben und hoffen, dass man die eingesetzte Summe plus Zinsen oder Dividenden zurück bekommt. Man riskiert damit aber auch, dass man seine Währung, oder Geld, vielleicht nie wieder sieht. Dieses Risiko ist ja auch der Grund, warum man Zinsen und Dividenden bekommt. Wenn etwas aber im Tresor liegt - ob nun Währung oder Gold - ist es diesem Risiko nicht ausgesetzt, und man bekommt auch keine Dividenden oder Zinsen.
Man kann aber ähnliche Cashflow-Ziele erreichen, indem man seine Kursgewinne teilweise liquidiert. Gold hat in den letzten 12 Jahren im Durchschnitt um 15% aufgewertet, Anleger hätten einen Teil dieser Gewinne realisieren können, sie hätten damit einen höheren Cashflow generiert als mit Dividenden oder Zinsen; gleichzeitig hätten sie ihr restliches Kapital inflationsbereinigt geschützt.
Wir haben einen Fonds eingerichtet, der auf diesem Konzept basiert und feste monatliche Ausschüttung vornimmt.
Das sind also einige der großen Mythen, sie sind aber so tief verwurzelt, und sie werden in den Medien immer und immer wieder wiederholt. Ich hatte das Gefühl, dass das in meinem Buch zur Sprache kommen sollte.
David Morgan: Diese Gleichsetzung von Gold und physischer Währung ist eine der besten Erklärungen, die ich bislang gehört hatte. Jedes Investment ist riskant, es besteht potentiell das Risiko, dass die eingesetzten Summen verloren gehen; man könnte dafür viele Beispiele nennen.
Nick Barisheff: So ist es.
David Morgan: Leider haben wir hier nicht die Zeit, alle Beispiele zu nennen, die Sie so gut in Ihrem Buch erklären.Reden wir jetzt über Kapitel 6 - über das Vermächtnis von Gold und die Entwicklung der Goldkurse, und darüber, was Sie mit Blick auf den letzten Bullenmarkt erwarten.
Nick Barisheff: Man denkt dabei zuerst an die 1970er: Am Goldmarkt stiegen die Kurse, weil der Wert des US-Dollars sank, als Nixon das Goldfenster 1971 schloss. Das war im Grunde eher ein nordamerikanisches Phänomen, hatte aber auch Auswirkungen auf Kanada und Großbritannien. Es gab aber keinen weltweiten Anstieg der Goldpreise. Gold stieg beispielsweise nicht gegenüber der Deutschen Mark oder dem Schweizer Franken. China, Russland und Indien nahmen gar nicht teil. Im damaligen Bullenmarkt gab es also viel größeres Interesse an Bergbauaktien seitens der nordamerikanischen Investoren.
Aktuell sehen wir aber einen Kursanstieg in allen Währungen - ausnahmslos alle Währungen sinken gegenüber Gold. Der überwiegende Teil dieser Käufe stammt aus Ländern wie Indien und China, und diese Käufe sind alle physisch. Folglich gibt es auch eine viel höhere Nachfrage nach physischen Metallen als nach Bergbauaktien, die von weltweit wachsenden Sorgen um den Wert der Währungen ausgeht.
Lesen sie weiter: Teil 2 ...
© David Morgan
www.silver-investor.com
Der Artikel wurde am 05.06.2013 auf www.silverseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
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