Silbereigentum & Silberknappheit
11.09.2013 | Theodore Butler
Fragen Sie hundert verschiedene Edelmetallinvestoren, warum sie Gold und Silber halten - Sie werden wahrscheinlich nicht hundert verschiedene Antworten bekommen, aber ganz bestimmt mehr als eine. Das liegt daran, dass es viele verschiedene Gründe gibt, warum Edelmetalle gehalten werden. Unter den Gründen findet man: Schutz vor Inflation, Schutz vor Zusammenbrüchen des Banken- oder Finanzsystems, Chaos an den Währungsmärkten, untragbare Staatsschulden und Geldmengenwachstum, Einbruch der Aktien- oder Anleihemärkte; vielleicht auch eine Kombination aus allen diesen Gründen.
Ich kann diese Gründe zwar verstehen und streite auch nicht wirklich ab, dass sie den gewünschten Schutz bieten könnten, aber all diese Gründe sind weit entfernt von jenen Gründen, aus denen ich Silber halte und auch weiterhin kaufen werde. Ich bin Silbereigentümer, weil ich glaube, dass Silber besser als jedes andere mir bekannte Investment abschneiden wird - einschließlich Gold. Zwar bin ich nicht von Geldwunsch um jeden Preis getrieben, trotzdem bin ich überzeugt davon, dass wenn man investiert, auch das bestmögliche Investment wählen sollte. Einfach formuliert: Ich glaube, dass Silber, mit Abstand, mehr Geld abwerfen wird, als jedes andere Investment - fast schon ungeachtet der zukünftigen Umstände.
Es ist eine Sache, zu sagen, Silber werde die beste Investition in den kommenden Jahren sein, die andere Sache ist es, diese Behauptung abzusichern und zu erklären, warum ich der Meinung bin, dass dies der Fall sein wird. Für mich gibt es da einen einfachen Grund, ich bin der Ansicht, dass es beim Silber zu einer extremen Knappheit im Großhandelsbereich kommen wird. Wenn es etwas geben kann, dass den Preis eines Rohstoffs in die Stratosphäre schicken kann, dann mit Sicherheit eine physische Knappheit. Ob in Kriegszeiten oder in Friedenzeiten - immer, wenn ein Rohstoff knapp wurde, raste sein Preis auf Stände, die zur Rationierung der verbleibenden verfügbaren Bestände führten. Wenn eine Großhandelsknappheit eintritt, wird sich der Silberpreis genauso verhalten.
Und diese unausweichliche Knappheit war auch die erste Sache, die mich - vor 25 Jahren - am Silber reizte. Einige mögen jetzt sagen, dass sei eine lange Zeit, um auf eine Knappheit zu warten; allerdings gibt es einige sehr spezielle Umstände, die erklären, warum sich der Zeitplan für eine Silberknappheit in die Länge gezogen hat. Überhaupt wurde Silber seit vielen hunderten Jahren in großen Mengen abgebaut und produziert, es wurden gewaltige oberirdische Lagervorräte aufgebaut. Eine Knappheit im Umfeld massiver Lagervorräte ist nur schwer vorstellbar. Fakt ist auch, dass es in der Geschichte bislang noch keine Silberknappheit gegeben hat; wenn sich also eine Silberknappheit herausbildet, dann wird sie so beispiellos sein, dass die Intensität des emotionalen und panischen Kaufverhaltens jene Umstände, die bei anderen Rohstoffknappheiten zu beobachten sind, zusätzlich verstärken wird.
Vor rund 100 Jahren entwickelte die Welt einen unstillbaren Appetit auf Silber als Industriemetall, als man entdeckte, dass das Metall vielfältigere und unverzichtbarere physische wie chemische Eigenschaften hatte als jedes andere Metall. Zu diesen Eigenschaften zählte unter anderem auch, dass Silber der beste elektrische Leiter, der beste Wärmeleiter war, die besten lichtreflektierenden Eigenschaften und die vielfältigsten medizinischen und chemischen Eigenschaften hatte, die z.B. die Fotografie ermöglichten, die in Katalysatoren genutzt oder für andere wichtige chemische Produkte eingesetzt wurden.
Die industrielle Nachfrage nach Silber war so groß, dass 65 Jahre am Stück, bis ca. 2006, viel mehr Silber verbraucht wurde, als pro Jahr abgebaut oder recycelt werden konnte. Zu Beginn des 2.Weltkrieges hatte die Welt mehr als 10 Milliarden Unzen physisches Silber in ihren Lagerbeständen, und ungefähr die Hälfte davon befand sich in staatlicher Obhut der USA. Mit 10 Milliarden Unzen in globalen Silberbeständen ist eine Knappheit kaum vorstellbar. Allerdings wurde bis 2006 so viel mehr Silber verbraucht als produziert, dass die weltweiten Vorräte an physischem Silber (im Form von 1000 oz Barren) bis heute auf nur noch knapp über eine Milliarde Unzen gefallen sind, trotz des Endes der Konsum-Defizits. Natürlich kann man sich eine Knappheit viel einfacher vorstellen, wenn die Lagerbestände eines Rohstoffs um 90% sinken, während die Weltbevölkerung (und das damit einhergehende Nachfragewachstum) von 2,5 Milliarden auf 7 Milliarden anwuchs.
Ich betrachte Silber als einen Rohstoff, der dazu bestimmt ist, in eine Knappheit zu geraten, denn darauf deuten die Fakten hin. Mein Arbeitsleben drehte und dreht sich um Angebot-Nachfrage-Analyse, seitdem ich vor über 40 Jahren als Rohstoffbroker für Merrill Lynch zu arbeiten anfing. Ich hatte nicht gleich zu Beginn die Idee einer Silberknappheit oder etwas in diese Richtung; doch dann forderte mich ein Kunde, Israel Friedman, der letztendlich mein Mentor wurde, heraus, ich solle ihm doch erklären, warum Silber bei 5 $ festhing, wenn die Nachfrage die Produktion überstieg und die Lagerbestände Jahr für Jahr abgetragen wurden. Dank Izzys provokativer Frage entdeckte ich schließlich, dass der Silberpreis so niedrig blieb, weil er durch exzessive Short-Positionen an der COMEX - der wichtigsten Edelmetallbörse der Welt - manipuliert wurde. Seither habe ich immer wieder Petitionen an die Börse und die Bundesaufsichtsbehörden geschrieben, in denen ich das Ende der Manipulation forderte. Auf diesen Gebiet habe ich bis heute noch keinen Erfolg gehabt, allerdings sind Tausende inzwischen der Meinung, dass der Preis des Silbers manipuliert wurde und wird. Der Knackpunkt dabei ist, dass nichts einer Knappheit zuträglicher ist, als ein anhaltend unnatürlich niedriger Preis - und dessen Auswirkungen auf das Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Bei jedem Industrierohstoff besteht die Möglichkeit, dass eine Knappheit eintritt. Dafür reicht schon, dass die industrielle Nachfrage die Gesamtproduktion übersteigt oder fast in eine solche Situation gerät. Solche Knappheiten sind selten, und trotzdem hat es bei so gut wie jedem industriell verbrauchten Metall oder Rohstoff irgendwann schon mal eine Knappheitssituation gegeben. Kupfer, Nickel, Blei, Zink oder eine ganze Masse an Getreiden, Nahrungsmitteln oder Energieprodukten haben - in unterschiedlichen Ausmaßen - Knappheiten erlebt. In Anbetracht der enorm diversen Verwendungsbasis von Silber in der Industrie, des Weltbevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklungen kann man Silber unmöglich als potentiellen Knappheitskandidat - im Vergleich zu allen anderen Industrierohstoffen - ausschließen.
Aber Moment mal - hatte ich nicht gerade erst gesagt, dass die Silberproduktion seit 2006 wieder höher war als der Verbrauch? Wie um alles in der Welt kann es eine Silberknappheit geben, wenn die Gesamtproduktion den industriellen Verbrauch übersteigt? Als Erstes wäre hier Folgendes anzumerken: Die gesamte Silberproduktion übersteigt den industriellen Verbrauch ja nicht deutlich; sagen wir um die 100 Millionen Unzen pro Jahr - bei einer Gesamtproduktion von einer Milliarde Unzen pro Jahr. In Hinblick auf den jüngsten Silberpreiseinbruch unter die Produktionskosten vieler Silberbergbauunternehmen könnte man zudem argumentieren, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis der industrielle Verbrauch die Produktion aufgrund des sinkenden Bergbauoutputs wieder überschreiten wird. Ich denke, dass das Silberdefizit mit der Zeit wiederkehren wird, falls die Preise nicht steigen. Ich erwarte allerdings aus einem anderen Grund eine Silberknappheit - und zwar noch bevor die sinkende Bergbauproduktion eine solche auslösen wird.
Der Schlüssel, um zu verstehen, warum Silber, unter allen anderen Rohstoffen, in der Lage ist, schnell in eine Knappheitssituation zu gelangen, selbst wenn die Produktion den gesamten industriellen Verbrauch übersteigt - ist das Verständnis dafür, dass Silber ein völlig einzigartiges Material ist, und zwar weil es einen speziellen dualen Aspekt auf der Nachfrageseite vorzuweisen hat. Es ist nicht nur ein essentieller Industriestoff, es ist zudem noch eine extrem populäre Investitionsanlage. Meiner Auffassung nach wird dieser Fakt - Silbers duale Nachfrage - stark unterbewertet, sie ist aber ganz zentral für meine Entscheidung, Silbereigentümer zu sein.
Sicherlich gibt es Zeiten in denen Großinvestoren Kupfer, Öl, Getreide oder andere Rohstoffe zu Spekulationszwecken kaufen, aber der reguläre Investor kauft selten Kupfer, Rohöl oder Mais als langfristige Investition. Wenn der reguläre Investor überhaupt Rohstoffe kauft, dann in der Regel Gold und Silber. Da Gold kaum für industrielle Zwecke eingesetzt wird und das Metall in erster Linie als reine Investitionsanlage betrachtet wird, gibt es beim Gold auch nicht diesen dualen Aspekt auf der Nachfrageseite. Das soll nicht heißen, dass der Goldpreis nicht steigen kann, er wird aber nicht aufgrund einer Knappheit steigen, die durch panische industrielle Nutzer, die Silber kaufen, entflammt wird. Von allen Rohstoffen hat allein Silber astreine duale Nachfragebedingungen.
Da dieser duale Faktor praktisch einzig und allein auf Silber zutrifft, wurde hier der Grundstein für eine überaus einzigartige potentielle Knappheit gelegt. Normale Rohstoffknappheiten entwickeln sich langsam und aufgrund einer jahrelangen schrittweisen Angebotsunterdeckung. Immerhin gibt es bei den meisten Weltrohstoffen eine Vielzahl von Marktakteuren - bei den Produzenten und den Verbrauchern; Veränderungen auf der Produktions- oder Verbrauchsseite vollziehen sich gletscherartig und schleppend langsam. Erst wenn lange und beständige Lieferverzögerungen auftreten, werden die Auswirkungen der Rohstoffknappheit auch offensichtlich. Es gibt jedoch einen sehr großen Unterschied zwischen der Verbrauchernachfrage aus der Industrie und der Investitionsnachfrage. Beim industriellen Verbrauch kauft der Nutzer, was er braucht; beim der Investitionsnachfrage kauft der Nutzer, was er will und was er sich leisten kann. Und da es im menschlichen Wesen nun einmal so angelegt ist, agieren Käufer von Investments im Gleichklang, alle versuchen zur selben Zeit zu kaufen oder zu verkaufen. Und das ist von besonderer Bedeutung für die Silberknappheit.
Die gesamte Silber-Fertigungsnachfrage (Nachfrage aus der Industrie, plus Schmuck, Münzen und alle derartigen Verwendungen) verbraucht 90% des Gesamtangebots (Bergbauproduktion plus Recycling) von einer Milliarde Unzen. Somit verbleiben pro Jahr 100 Millionen Unzen (in Form von 1000 oz Barren) für die Aufnahme durch die Investoren dieser Welt - oder aber 2 bis 2,5 Milliarden $ jährlich. Verglichen mit den typischen globalen Investmentflüssen, ist das eine mickrige Menge. So werden beispielsweise zur Aufnahme des neuproduzierten Goldes pro Jahr 100 bis 150 Milliarden $ von den Investoren der Welt benötigt. Da Investoren in der Regel im Gleichklang agieren und die in Dollar verfügbaren Mengen so gering sind, könnten jene 100 Millionen Unzen, die für die Investoren der Welt jährlich neuverfügbar sind, innerhalb eines “Augenblicks" aufgesaugt werden. Sicher, auch die schon in Silber investierten Bestände könnten verkauft werden - man sollte sich aber wieder daran erinnern, dass die Weltsilberlagerbestände im Vergleich zu vor 70 Jahren um 90% gesunken sind, so dass auch nicht mehr viel Silber in den Investorenbeständen existiert.
Auch der duale Nachfragefaktor beim Silber wird wahrscheinlich ein sich selbst verstärkender Mechanismus sein. Die Silber-Story ist so gut, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Investoren eine ausreichend große Menge kaufen, um Angebotsengpässe zu erzeugen, gerade wenn man bedenkt, wie wenige Dollars in Silberform zum Kauf verfügbar sind. Wenn der durch Investoren hervorgerufene Engpass eintritt, wird es unausweichlich auch für die Verbraucher aus der Industrie einen Engpass geben, was wiederum Lieferverzögerungen für Silbernutzer entstehen lässt. In Anbetracht von Lieferverzögerungen, die die Laufbänder stillstehen lassen, werden die industriellen Verbraucher nun das machen, was in der Geschichte immer wieder unter solchen Umständen gemacht wurde - sie werden versuchen, noch mehr Silber zu kaufen, um eigene Lagerbestände aufzubauen und zukünftige Lieferungsverzögerungen auszuschalten. Das ist ganz normales, kollektives Verhalten von Menschen - wie auch jene Panikkäufe von Brot, Eis und Benzin, wenn Hurrikan-Warnungen ausgegeben werden.
Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Wenn das unausweichlich ist (wie ich behaupte) - warum ist es dann noch nicht geschehen? Fakt ist, dass die Welt vor dreieinhalb Jahren schon am Rande ihrer ersten Silberknappheit stand, als der Preis fast die 50 $-Marke touchierte. Damals hatten Investoren aus der ganzen Welt ausreichend große Mengen Silber gekauft (einschließlich vieler hundert Millionen Unzen über die neu geschaffenen Exchange Traded Funds), dass die Preis nach oben gedrückt wurden und sich schwere Engpässe in der gesamten Großhandelslieferkette zeigten. Man bedenke, dass die ETFs exakt dasselbe Industrie-Standard-Silber (in Form von 1000 oz Barren) kaufen wie auch die Verbraucher. Aber bevor die industriellen Nutzer anfingen, ihre persönlichen Lagerbestände aufzubauen, wurden die Preise an der COMEX drastisch nach unten befördert und innerhalb einer Woche um 30% abwärts geprügelt. Das kühlte sofort die Investorennachfrage ab; was wiederum Verkaufsneigung unter den Investoren entstehen ließ und eine Kaufpanik unter den industriellen Verbrauchern abwendete.
Zurückblickend glaube ich, dass wir im Frühjahr einer vollkommenen Kaufpanik der Silbernutzer nur um Haaresbreite entgangen sind. Aber diese knappe Sache damals änderte nichts am grundlegenden Umstand einer unausweichlich anstehenden Silberknappheit; sie wurde nur zeitweilig verschoben, auf einen Zeitpunkt, an dem sie mit größerer Wucht zurückkommen wird. Ich kann mir offen gestanden überhaupt nicht vorstellen, dass es irgendwann nicht zu einer Silberknappheit kommen sollte; die wirkliche Frage ist also nur die Frage nach dem WANN. Auch wenn wir den genauen Zeitpunkt nicht vorhersagen können, so können wir glücklicherweise größere Kontrolle über diese Ereignisse erlangen. Es geht im Grunde nur darum, wie wir unsere Silberinvestitionen aufstellen.
Falls Sie von der Wahrscheinlichkeit einer Silberknappheit überzeugt sind (so wie ich von ihr überzeugt bin), dann versuchen Sie sich gar nicht erst am Timing. Bringen Sie sich selbst in eine Position, in der Timing nicht wichtig ist, sondern nur die Knappheit. Das macht man, indem man echtes Metall direkt für bares Geld kauft, dieses weglegt und dann einfach abwartet. Keine Margins oder Kredite für den Kauf von Silber-Papierformen, kein Rein-und-Raus mit kurzfristigen Trading; bleiben sie bei Ihren echten Silber im persönlichen Besitz, bis der Punkt gekommen ist, dass Sie so viel Metall haben, dass sie eine professionelle Lagereinrichtung benötigen. Wenn Sie sich keinen Kopf ums Timing machen müssen, lassen Sie die Zeit für sich arbeiten und haben diese für sich.
© Theodore Butler
(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 05.09.2013 auf der Website http://goldsilverworlds.com veröffentlicht.
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