“Bullen“ auf den Titelseiten
23.09.2013 | Clif Droke
Für alle “Contrarians”: Das US-Magazin “Time“ zeigte in seiner letzten Ausgabe wieder einmal eines jener berüchtigten Bullenmarkt-Titelbilder. Der Bulle wurde recht markant unter der Überschrift: "Wie die Wall Street siegte" abgebildet.
Auch wenn das Titelbild eindeutig feierliche Züge trägt, so klingt der Untertitel deutlich verhaltener: “Fünf Jahre nach dem Crash, und alles könnte sich wiederholen.” Aus konträrer, nonkonformistischer Sichtweise würde man dieses Time-Cover normalerweise als negatives Signal für den Aktienmarkt werten - als eine Warnung, dass die Spitze erreicht ist und in den kommenden Wochen oder Monaten eine schwere Marktwende einsetzen könnte.
Da auf dem Titelblatt aber auch ein möglicher Markteinbruch thematisiert wird, könnte man sich fragen, ob der negative Ton des angekündigten Artikels nicht die Aussagen des Titelbildes neutralisiert. Einer der Pioniere des Titelblatt-Indikators, Paul Macrae Montgomery, hat zum jüngsten Titelblatt der Times aber noch eine andere Interpretation anzubieten. In der letzten Ausgabe von Barron's sagte er gegenüber Randall Forsyth, dass mit der besagten Grafik auf dem Titelblatt eigentlich die warnende Botschaft des Times-Artikels verdrängt werde.
Er sagte Forsyth gegenüber: "Wenn wir Zukunftsprognosen auf Grundlage historischer Wahrscheinlichkeiten als zuverlässig betrachten, dann stehen die Chancen, dass der Markt in einem Monat seinen Höhepunkt erreichen wird und wir in einem Jahr niedrigere Aktienmarktkurse haben werden, bei 80%." Montgomerys Analyse des jüngsten Time-Covers passt auch zu dem Titelblättern anderer kürzlich erschienener US-Magazine, die auf exzessiven Optimismus unter Investoren hinweisen. So veröffentlichte das eben erwähnte Barron’s Magazine am 2.September ein Titelbild mit Bulle unter der Überschrift "The Bull’s in Charge". Zu sehen ist ein mobil-telefonierender Bulle mit Sonnenbrille, der lächelnd mehreren Einkaufstüten trägt; im Hintergrund der Bär, kochend vor Wut, weil er nicht bei der Shoppingtour dabei sein durfte.
Letzte Woche zeigte "Bloomberg Businessweek" auf seinem Titelblatt das größte jemals gebaute Containerschiff der Reederei "Maersk". Diese Abbildung ist deshalb von Bedeutung, weil Rekordstrukturen wie Hochhäuser oder Riesenschiffe häufig in wirtschaftlichen Spitzenphasen auftauchen.
Natürlich ist der Titelbild-Indikator nicht unfehlbar, es stimmt zudem, dass er in Fragen des “Timings” zuverlässiger bei Talsohlen ist als bei Markt-Tops. Nichtsdestotrotz sind reihenweise optimistische Titelbilder mit Bullen oder anderen Symbolen des extremen Optimismus normale Erscheinungen in den Wochen und Monaten vor Erreichen eines großen Tops. Wenn uns das jüngste Time-Cover auch kein Timing-Instrument beschert, so sendet es uns doch zumindest die Warnung, dass der Markt sich einem Top annähern könnte. Sie können diese Botschaft ruhig mit Vorsicht genießen, aber vergessen Sie sie nicht auf dem Weg ins vierte Quartal – besonders dann nicht, wenn sich die Indikatoren für das interne Momentum der NYSE zu verschlechtern beginnen.
Sinkende Partizipation am Aktienmarkt
Obgleich die großen Aktienindizes in der Nähe ihrer Allzeithochs stehen, sinkt die Teilnahme der amerikanischen Investoren. Seit Anfang März (dem Höhepunkt) bildete der TD Ameritrade's Investor Movement Index (IMX) eine Abfolge niedrigerer Hochs und tieferer Tiefs aus. In diesen 6 ½ Monaten, in denen die Partizipation der Investoren laut IMX rückläufig ist, hatte der S&P 500 Index (SPX) ein höheres Hoch nach dem anderen zu verzeichnen. Es ist extrem selten, dass derartig lange Gewinnphasen an den Aktienmärkten von insgesamt rückläufiger Teilnahme begleitet sind. Wenn die großen Indizes neue Hochs markieren, werden die Märkte in der Regel auch von frischen Investorengeldern geflutet, die begierig mitmischen wollen.
Den jüngsten Angaben des Investment Company Institute (ICI) zufolge, gibt es an den Aktienmärkten so gut wie keine neuen Zuflüsse – und das schon seit einigen Monaten. Das folgende Diagramm verdeutlicht, dass die Gesamtzuflüsse nur knapp über der “Nulllinie“ dahindümpeln. Eigentlich gibt es kein besseres Bild, um das vollkommen fehlende Interesse der Öffentlichkeit am Aktienmarkt zu verdeutlichen.
Den Prinzipien der nonkonformistischen Marktanalyse zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Aktienmarkt-Tops dann eintreten, wenn das öffentliche Interesse an Aktien auf einem Tiefstand ist. Normalerweise treten Markt-Tops dann auf, wenn die Öffentlichkeit größtes Interesse an Aktien hat und auch stark in Aktienmärkten investiert ist. Bei den großen Markt-Tops der letzten drei Jahrzehnte war das zumindest der Fall.
Nun ist es aber möglich, dass die Erholung am allgemeinen Aktienmarkt – nach der Bekanntgabe, man wolle QE 3 fortführen – auch das Interesse der kleineren Investoren am Aktienmarkt wieder entfachen wird. Es wäre dann mit steigende Geldflüssen in den Aktienmarkt zu rechnen – und schließlich, in nicht allzu ferner Zukunft, dann auch mit einem Markt-Top, das mit derart weitverbreiteten Enthusiasmus einhergeht.
Terrorismus und der Aktienmarkt
Die Schießerei mit zahlreichen Toten, die diese Woche in der Marinewerft in Washington DC stattgefunden hatte, war eine unangenehme Erinnerung daran, dass Terrorismus (trotz aller Schrecken) normalerweise dafür sorgt, dass in den Folgetagen die Aktienkurse steigen. Ich habe diese Korrelation über die Jahre immer wieder feststellen können; es ist erstaunlich, wie häufig Bombenanschläge, Schießereien oder andere terroristische Akte, Auslöser von Rallys an den Aktienmärkten sind. Das lässt sich vielleicht auch unter dem alten Spruch verbuchen: "Buy when there's blood in the streets." Ich weiß, dass dieser Spruch in seiner ursprünglichen Form rein metaphorisch gemeint ist und sich auf das “Bluten“ nach einem Crash oder einer Panik bezieht. Und doch macht es leider ganz den Eindruck, als ob dieser Spruch auch auf das Bluten im eigentlichen Sinn zutrifft.
Ich persönlich kann nicht verstehen, wie sich die Wall Street derart gefühllos gegenüber den Leiden der Opfer dieser Gewaltakte zeigen kann, indem sie solche Ereignisse als massives Kaufsignal nutzt. Aber Geld ist amoralisch und macht sich selten Gedanken über eine angemessene Antwort auf nationale Tragödien. Geld hat nur ein Interesse – Wertsteigerung wann immer es kann, und ohne Fragen des “Richtig oder Falsch“ zu berücksichtigen. So schockierte es auch nicht, als die Aktien in den Tagen nach der Schießerei in Washington deutlich stiegen.
Gold
Nach der Überraschungsmeldung vom Mittwoch (18.September) über die Weiterführung von QE 3, schoss der Goldkurs um fast 5 % in die Höhe, und hatte seinen besten Tag seit vier Jahren. Diese erstaunliche Wende beim Goldkurs führte dazu, dass eine der angesehensten Wall-Street-Firmen mit einem Mal ihre kurzfristigen Einschätzungen zum gelben Metall veränderte.
Die Goldman-Sachs-Analysten Jeffrey Currie und Damien Courvalin, die erst kürzlich noch eine negative Goldprognose veröffentlicht hatten, sahen sich nach der mächtigen Rally von Mittwoch gezwungen, ihre kurzfristigen Goldkursprognosen zu revidieren. Nach Angaben des Business Insider sollen Currei und Courvalin in einer Mitteilung an Kunden geschrieben haben: “Die Entscheidung [der Fed] als auch die anstehenden Debatten um die Verschuldungsobergrenze in den USA, sorgen dafür, dass sich die Risiken für den Goldpreis, unserer Einschätzung nach, kurzfristig zu steigenden Kursen verschieben.” Aber nicht nur Goldman Sachs steht diesbezüglich dumm da, auch viele andere Analysten hatten im Rahmen der Fed-Aussagen hinsichtlich sinkenden QE-Engagements eine entschieden negative Haltung gegenüber dem Metall eingenommen.
Ein interessanter Stärketest wartet auf den SPDR Gold Trust ETF (GLD), sobald der Kurs in den Bereich von 137 vorstößt, wo die technisch wichtige 150-Tage-Linie durch den Tages-Chart läuft. In der Vergangenheit hatte der 150-Tage-Durchschnitt entweder als entscheidendes Unterstützungs- oder Widerstandsniveau gedient (je nachdem, ob sich der GLD in einem steigenden oder fallen Trend befand). Wie man im folgenden Chart sehen kann, schaffte es der GLD trotz einiger Versuche in diesem Jahr nicht, die 150-Tage-Linie erfolgreich zu durchstoßen. 
Ein Durchbrechen dieser sehr wichtigen Trendlinie würde Gold und dem Gold-ETF – aufgrund von Short-Glattstellungen – wahrscheinlich noch zusätzlichen Aufwärtsschwung bescheren, da viele Computer-Trading-Programme in ihren Algorithmen mit der 150-Tage-Linie arbeiten.
Zitierfähig:
Das Zitat der Woche stammt von Steve Todd von Todd Market Forecast. Er meinte mit Blick auf die überraschende Entscheidung der Federal Reserve von Mittwoch, den Stimulus in vollem Umfang weiterzuführen: “Der Markt ist wie ein Prostituierter. Er mag Geld und es ist ihm egal, woher es kommt. Auch wenn wir später dafür zahlen müssen, sei's drum.“
© Clif Droke
www.clifdroke.com
Dieser Artikel wurde am 19.09.2013 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.