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Knappe Kredite

03.02.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

Im Euroraum schrumpfen die Bankkredite. Die Ausleihungen aller Geldhäuser an Private und Unternehmen gingen im Dezember 2013 um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück.

Die Gründe für diese Entwicklung dürften sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite zu finden sein. So scheuen Banken mit knappen Eigenmitteln davor zurück, neue Kreditrisiken einzugehen.

Gleichzeitig ziehen es Unternehmen und Private vor, ihre Ausgaben aus Eigenmitteln und nicht durch Kreditaufnahmen zu finanzieren, oder sie vertagen Teile ihrer Ausgaben.

Ein Schrumpfen der Kredite ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen könnte es eine Konjunkturdämpfung andeuten, denn das Bankkreditwachstum und die Wirtschaftsentwicklungen waren bislang in der Regel recht eng miteinander verbunden (siehe Graphik).

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Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen
*Die Zeitreihen sind inflationsbereinigt


Zum anderen schürt das Schrumpfen der Bankkredite, sollte es sich fortsetzen, bei vielen Marktbeobachtern Deflationssorgen. Das erklärt sich wie folgt: Durch Bankkredite wird neues Geld in Umlauf gebracht.

Vergibt eine Bank einen Kredit an zum Beispiel ein Unternehmen, steigt die Geldmengean. Wird ein Kredit jedoch zurückgezahlt - schrumpft also der Kreditbestand -, schrumpf die Geldmenge in der Volkswirtschaft.

Das fortgesetzte Anwachsen der Geldmenge ist üblicherweise mit einem Ansteigen aller Güterpreise (von Konsumgütern bis hin zu Aktien und Grundstücken) im Zeitablauf verbunden.

Ein dauerhaftes Absinken der Geldmenge (als Folge eines fortgesetzten Schrumpfens der Bankkredite) würde vermutlich früher oder später auch zu einem Absinken der Preise auf breiter Front führen. Mit anderen Worten: Aus einem "inflationären Regime" würde ein "deflationä-res Regime". Das wiederum hätte weitreichende Auswirkungen für die Volkswirtschaften.

Wer verschuldet ist, gerät unter Druck. Denn die sinkenden Preise erhöhen den realen Wert der Verschuldung. Beispielsweise wäre in einem deflationären Umfeld mit sinkenden Löhnen zu rechnen.

Ein Arbeitnehmer, der sein Haus mit Kredit finanziert hat, wird feststellen, dass seine Einnahmen sinken, aber sein Schuldendienst gleichbleibt, dass er im Extremfall seine Zahlungen nicht mehr leisten kann.

Ähnliches gilt für verschuldete Unternehmen. Auch sie müssten ihre Schulden bedienen, was natürlich zusehends schwieriger wird, wenn die Absatzpreise für ihre Güter fallen.

Und natürlich kommen vor allem auch Banken und Staaten - die großen Schuldner - in Bedrängnis, wenn eine schrumpfende Geldmenge zu fallenden Preisen führt. Banken müssten mit hohen Kreditausfällen rechnen, die ihnen Verluste bescheren. Und weil die Eigenkapitaldecke vieler Banken hauchdünn ist, könnten sie rasch vor dem Aus stehen.

Staaten verzeichnen sinkende Steuereinnahmen, und Investoren werden misstrauisch, ob die Regierungen noch in der Lage oder willens sind, ihre Schulden fristgerecht zu bedienen.

Daraus kann sich - wie jüngst beobachtbar - ein allgemeiner Vertrauensverlust entwickelt, der die Zinsen steigen lässt und es Schuldnern unmöglich macht, fällig werdende Kredite durch neue Kredite zu ersetzen.

Diese Überlegungen sollten bereits deutlich machen, dass eine Deflation im Kreditgeldsystem weitreichende Folgen hätte, Folgen, denen Regierende und Regierte ausweichen wollen.





Es ist daher auch nicht überraschend, dass eine "Bekämpfung" einer deflationären Entwicklung bereits eingeleitet ist. So kauft die amerikanische Zentralbank (Fed) Anleihen im Kapitalmarkt auf.

Diese Käufe bezahlt sie mit der Ausgabe von neuem Geld. Das auf diesem Wege geschaffene neue Geld trägt dazu bei, die US-Dollar-Geldmenge insgesamt weiter ansteigen zu lassen.

In ähnlicher Weise handeln die Bank von Japan und die Bank von England. Auch sie sorgen durch ihre Ankaufspolitik von Anleihen für ein Anwachsen der umlaufenden Geldmenge.

Die wichtige Erkenntnis lautet: Im heutigen Geldsystem, in dem die Zentralbanken das Monopol der Geldproduktion innehaben, kann die Geldmenge im Grunde jederzeit im gewünschten Umfang ausgeweitet werden.

Es ist daher eine politische Entscheidung, ob die Geldmenge vor dem Schrumpfen bewahrt wird oder nicht. Die bislang verfolgten Geldpolitiken deuten daraufhin, dass eine Deflation wohl mit allen Mitteln verhindert werden soll.

Derzeit schrumpft der Bankensektor (verstanden als Bilanzsumme von Zentralbank und Geschäftsbanken) nur in Großbritannien und dem Euroraum. In allen anderen wächst er weiter an (siehe hierzu die Grafik auf der folgenden Seite).(1)

Es wäre wenig verwunderlich, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) bald der Politik der anderen Zentralbanken folgt. Es wird bereits diskutiert, ob nicht die EZB den Euro-Geschäftsbanken Teile ihrer Kredite abkaufen könnte.

Eine weitere Möglichkeit ist der Aufkauf von Staatsanleihen, durch die neues Geld geschaffen werden kann und - wie in den Vereinigten Staaten von Amerika auch - die Geldmenge am Schrumpfen gehindert wird.

"Problemlos" ist eine solche Politik natürlich nicht. Bei einem Rückzug der Geschäftsbanken aus der Kreditvergabe würden viele private Schuldner nur noch schwer oder gar nicht mehr Zugang zu Fremdmittelnhaben. Das wiederum könnte Wirtschaftsstörungen nach sich ziehen. Beispielsweise dürften Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, notwendige Refinanzierungen von fällig werdenden Krediten sicherzustellen.

Zudem besteht die Gefahr, dass die Fähigkeit der Zentralbank, die Geldmenge auszudehnen, überstrapaziert wird. Sie ist besonders groß, wenn in einer höheren Inflation ein Instrument erblickt wird, um Schuldenlasten zu vermindern.

Nun hat die amerikanische Zentralbank (Fed) jedoch auf die geldpolitische "Bremse" getreten: Sie reduziert die monatlichen Ankäufe von Anleihen.

Ob daraus jedoch eine nachhaltige Abkehr von der Politik des billigen Geldes erwächst, ist keinesfalls sicher. Zumal die Möglichkeit besteht, dass die geldpolitische Bremswirkung unerwünschte Nebeneffekte nach sich zieht. Hierzu zählt eine weltweite Konjunkturverlangsamung, vor allem auch aufgrund einer (weiteren) Verknappung der Kredite, die dann wiederum eine Rückkehr zur ultralockeren Geldpolitik nahelegt.

Die Zentralbankpolitiken bleiben folglich eine Quelle erheblicher Unsicherheit und Schwankungsanfälligkeit für die Konjunkturen, aber natürlich auch für die Edelmetallmärkte.


Zentralbanken versuchen, eine Kontraktion des Bankensektors abzuwenden

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Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(1) Siehe hierzu auch unseren Degussa Marktreport vom 8. November 2013, S. 1 ff.