Silber: goldene Zeiten
18.12.2005 | Eugen Weinberg
- Bereits seit 16 Jahren weist der Silbermarkt ein Primärdefizit auf. Die Angebotslücke konnte bislang nur durch den Verkauf überirdischer Bestände gedeckt werden. Diese betragen im Moment nur noch eine Jahresproduktion. Die anhaltenden Defizite sollten zur weiteren Verringerungen der Lagerbestände und steigenden Notierungen führen.
- Die Lebensdauer definierter Reserven von Silber im Boden beträgt lediglich 14 Jahre. Auch sind die überirdischen Bestände im Vergleich zu anderen Metallen relativ klein. Dies könnte zu einer allmählichen Erschöpfung der Silberlager und darüber hinaus zu einer Ressourcenknappheit führen. Staatliche Silberbestände sind im Vergleich zu Goldbeständen relativ unbedeutend. Bis auf die chinesische Zentralbank können andere Zentralbanken durch Abgabe physischer Bestände eine Aufwertung des Silberpreises kaum bremsen.
- Die Ausweitung der Geldmengen weltweit in den letzten Jahrzehnten bei gleichzeitig steigender Verschuldung von privaten Haushalten und Staaten sollte langfristig tendenziell zu steigenden Inflationsraten führen. Dank der jahrtausendlangen Geschichte als zuverlässiges Zahlungsmittel und der Werthaltigkeit bietet Silber einen hervorragenden Vermögensschutz gegen Inflation.
- Der Löwenanteil der Nachfrage wird zu industriellen Zwecken genutzt, wo der Silberpreis eine unbedeutende Rolle im Endpreis spielt. Außerdem fallen 70% der Minenproduktion als Nebenprodukt bei der Förderung von Industriemetallen und Gold an. Zudem ist auch die Menge an Recycling-Silber vom Silberpreis weitgehend unabhängig. Aus diesen Gründen erweist sich sowohl das Angebot als auch die Nachfrage als wenig preiselastisch. Deshalb würde ein relativ starker Preisanstieg mittelfristig zu keiner nennenswerten Entlastung der Knappheitssituation am Markt führen.
- Rohstoffe spielen bei Finanzinvestoren in einer Niedrigzinsphase eine besonders wichtige Rolle. Traditionell sind Silber- und Goldmünzen sowie Barren beliebte Anlageformen. Die daraus resultierende Nachfrage nach Silber ist in den letzten Jahren besonders stark gestiegen. Deren Höhe ist aber immer noch sehr bescheiden und sollte unserer Meinung nach in den nächsten Jahren weiterhin stark zunehmen.
- Im Vergleich zu Gold scheint Silber noch sehr günstig zu sein. Das Verhältnis zwischen dem Gold- und dem Silberpreis sollte in den nächsten Jahren von 60 auf rund 50 fallen. Unserem mittelfristigen Kursziel für den Goldpreis von 500 US-Dollar entspräche somit ein Silberpreis von 10 US-Dollar. Langfristig halten wir sogar einen Silberpreis von 20 US-Dollar pro Unze für möglich.
Silber: des Goldes kleiner Bruder
Silber verfügt über Eigenschaften, die es zu einem unverzichtbaren Metall in der Menschheitsgeschichte gemacht haben. Es besitzt die beste elektrische und thermische Leitfähigkeit aller Metalle und hat von allen Substanzen der Erde das höchste Reflexions- und Absorptionsvermögen für Licht. Außerdem kommt dieses weiche und relativ leicht zu schmiedende Metall in der Natur selten und in gediegener Form vor. Diese Eigenschaften machten Silber mit seinem unverwechselbaren metallischen Glanz zu einem der ältesten Schmuckmetalle. Silber wird bereits seit dem fünften Jahrtausend v.Chr. zu Schmuck und Münzen verarbeitet. Damals wurde es von den Assyrern, den Griechen, den Römern, den Ägyptern und den Germanen benutzt und sogar für wertvoller als Gold erachtet.
Die Funktion als Zahlungsmittel stand bei Silber in der Historie aber stets im Vordergrund. Dieses Metall vermag, wie auch Gold, die Geldfunktionen als Tauschmittel hervorragend zu erfüllen. Das "Gold des kleinen Mannes" ist nicht nur leicht teil- und transportierbar, sondern auch nicht beliebig vermehrbar und besitzt außerdem einen hohen inneren Wert. Aus diesen Gründen haben Silbermünzen über Jahrtausende als Werterhaltungs- und Zahlungsmittel gedient. Was Silber so hervorragend als Tauschmittel und Recheneinheit ausmachte, war unter anderem seine im Vergleich zu Gold oder Platin relativ hohe Verfügbarkeit. Deswegen konnte man daraus auch kleinere Geldeinheiten bilden. Als Metall zur Münzenherstellung hat sich Silber im Mittelalter mit den Talermünzen sogar eine dominierende Rolle im Geldumlauf erobert. Ein wichtiger Grund dafür war die Entdeckung großer Silbervorkommen im Harz, in Sachsen und in Böhmen. Mit der Entdeckung der Neuen Welt und der anschließenden Eröffnung der Silberminen in Mexiko, Peru und Bolivien wurde die Silberproduktion ausgeweitet und die Verfügbarkeit des Metalls drastisch erhöht. Dies führte kurzfristig zu einer Inflation und der Silberwert sank im Vergleich zu Gold. Jedoch blieb Silber weiterhin sehr begehrt und seine erhöhte Verfügbarkeit verstärkte nur seine breitere Akzeptanz. Im Kontrast zu den Scheidemünzen aus Kupfer oder Nickel, deren Metallwert geringer als der gesetzliche Wert war, bildeten Silbertaler europaweit quasi privates Geld, die Grundform für eine einheitliche und extrem werthaltige und solide Recheneinheit. So war z.B. der Joachimsthaler seit dem Mittelalter trotz vieler Kriege und Perioden mit hoher Inflation eine der stabilsten Währungen der Welt, deren Gewicht fast fünf Jahrhunderte lang unverändert bei einer Unze blieb.
Über Jahrhunderte bewährte sich Silber also als zuverlässiges Münzmetall. Im 19. Jahrhundert hat man sogar ein Bimetall-Geldsystem eingeführt, in dem Silber und Gold gleichberechtigt waren und das Geld im Umlauf über eine entsprechende Deckung verfügte. Seit Abschaffung des Bimetall-Standards Ende des 19. Jahrhunderts und der endgültigen Demonetisierung von Silber in den USA in den 60er Jahren hat es seine monetäre Rolle aber fast verloren. Das jetzige Geldsystem bilden Forderungen gegenüber dem Staat mit einem undefinierten Schuldinhalt. Das "gute" Geld aus Gold und Silber wurde ähnlich wie andere starke Währungen in der Vergangenheit letztendlich von "schlechtem" ungedecktem Papiergeld verdrängt (so wurde z.B. auch die letzte gedeckte deutsche Währung, die Goldmark, durch die Papiermark im Jahre 1918 abgelöst). Das Sterling-Silber (eine 92,5%-ige Silberlegierung mit Kupfer) ist jedoch immer noch das gängigste Material für Gedenkmünzen, die neben dem Sammlerwert weiterhin als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Das Volumen von Silber-Gedenkmünzen beträgt heute jedoch nur ein Bruchteil des gesamten Geldumlaufs.
Vielmehr wurde Silber seit Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt von einem Edel- zu einem Industriemetall. Früher bestand fast die einzige Verwendung für Silber außerhalb von Schmuck und Münzen in der Herstellung von Tafelsilber. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts machte Silber seine Eigenschaften wie Lichtempfindlichkeit und -wiedergabefähigkeit dann zu einem festen Bestandteil in der Fotoindustrie. Außerdem reflektiert frisch abgeschiedenes Silber weit über 99,5% des sichtbaren Lichtes und stellt somit das "weißeste" aller Gebrauchsmetalle dar. Dadurch erweisen sich Silberbeschichtungen bei Glasscheiben als hervorragende Reflektoren und finden daher zahlreiche Verwendungen im optischen Bereich. Hervorragende elektrische Leitfähigkeit von Silber machte darüber hinaus die Verwendung von Silberlegierungen in der Elektroindustrie bei Batterien, Kondensatoren und Halbleitern praktisch unersetzbar. Die antiseptische und therapeutische Wirkung wurden bereits im antiken Ägypten bekannt und werden heute zur Entwicklung von antibakteriellen Werkstoffen genutzt. Ein dynamisches Wachstum in den Bereichen Solarenergie, Medizin und Wasseraufbereitung sorgt außerdem insgesamt für eine weitere Bescheunigung der industriellen Nachfrage nach Silber.
Silber nimmt eine Stellung zwischen den Edelmetallen, die hauptsächlich für die Schmuckherstellung verwendet werden, und den Industriemetallen ein. So ist Silber nur wenig härter als Gold, dagegen etwas weicher als Kupfer und zum anderen hat sich auch der Preis für Silber bislang immer zwischen den Preisen für allgemein leicht verfügbarem Kupfer und extrem seltenem und teurem Gold bewegt. Während Kupfer und Gold im Moment jedoch bei der Diskussion um dynamisches Wirtschaftswachstum weltweit und der daraus resultierenden hohen Attraktivität von Rohstoffanlagen im Vordergrund stehen, wird Silber nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wir glauben, dass dieses Metall wegen seiner hervorragenden Eigenschaften in den nächsten Jahren stärker nachgefragt wird. Unabhängig davon, ob Silber jemals einer der Metallwelten zuzurechnen ist, ist festzustellen, dass dieser Alleskönner unter den Edelmetallen mit denkbar vielen Anwendungsbereichen für die Menschheit unersetzbar bleibt.

Silberproduktion
a.) Minenproduktion:
In früheren Zeiten bis etwa 1000 n.Chr. lag die Silberproduktion stabil bei rund 1,5 Mio. Unzen jährlich. Bedeutende Funde in Deutschland im 11. Und 12. Jahrhundert haben dann zwar die Verfügbarkeit des Metalls erhöht, jedoch kam der entscheidende Durchbruch bei der Silberproduktion erst im 16. Jahrhundert nach der Entdeckung der riesigen Vorkommen in Mexiko, Peru und Bolivien. Die Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 war somit ein äußerst wichtiges Ereignis wobei in der Zeit zwischen den Jahren 1500 und 1800 schätzungsweise 85% der gesamten Produktion und Ausfuhren auf die drei oben genannten Länder entfiel. Durch die Entdeckung weiterer Vorkommen in Südamerika wurde die Produktion von circa 9 Mio. Unzen im Jahr 1700 über 40 Mio. in 1850 auf fast 150 Mio. Unzen zum Ende des 19. Jahrhunderts gesteigert. Nachdem hochgradige leicht förderbare Silberreserven im Laufe des 20. Jahrhunderts allmählich erschöpft waren, hat sich das Produktionstempo stark verlangsamt und die Produktion stieg seitdem nur noch um durchschnittlich gut 2% pro Jahr.
Heute liegt die Minenproduktion weltweit bei etwas mehr als 630 Mio. Unzen jährlich. Trotz stark verbesserter Gewinnungsmethoden nahm die Minenproduktion in den letzten Jahrzehnten nur verhältnismäßig leicht zu. Der durchschnittliche Produktionszuwachs hat in den letzten 15 Jahren lediglich 1,5% weltweit betragen. Dabei entfällt im Moment rund 90% der Gesamtproduktion auf die zehn größten produzierenden Länder.

Dabei fällt auf, dass einer der größten Silberanbieter, China, im Gegensatz zu anderen Silberproduzenten keine riesigen Silberminen besitzt. Hauptsächlich fällt dort Silber in Schmelzöfen beim Kupferraffinierungsprozess als Nebenprodukt an. Obwohl früher Silber in China sehr begehrt war und bis zum Jahre 1998 China als Nettokäufer auftrat, wird es mittlerweile als minderwertiges Edelmetall im Unterschied zu Gold und Platin angesehen.
Seit dem Ende 90er Jahre hat die People‘s Republic Bank of China (PRC) für die Schließung der großen Angebotslücke gesorgt, in dem sie schätzungsweise 60 Mio. Unzen Silber jährlich am Markt verkauft. Dabei lagen die Produktionsüberhänge bei Silber in China nur bei circa 10 Mio. Unzen pro Jahr, wodurch der Rest aus den Reserven der PRC kommen musste. Wir sehen im Moment zunehmend Anzeichen dafür, dass die Abgabebereitschaft nachlassen könnte. Erstens wird aufgrund des gestiegenen Bedarfs ein großer Teil der Produktion in China selbst verbraucht. Zweitens agiert die PRC zwischenzeitlich offensichtlich opportunistisch und verkauft die Silberreserven nicht mehr unter einem bestimmten Preis (schätzungsweise knapp unter 6 US-Dollar pro Unze). Somit bildet sich von der Angebotsseite eine verstärkte Unterstützung für den Silberpreis. Außerdem sollten die Reserven bei der PRC aufgrund der starken Verkäufe in den Vorjahren mittlerweile nahezu erschöpft sein. Da aber die offiziellen Statistiken die genauen Zahlen dazu verschweigen, lässt sich der Netto-Effekt nur schwer beziffern. Diese große Unbekannte könnte jedoch bald sogar positiv zur Preisentwicklung beitragen, da die chinesische Nachfrage im Jahre 2004 erneut einen Zuwachs von 19% verzeichnete. In jedem Fall sollte man mittelfristig davon ausgehen, dass die Produktionsüberhänge in China durch die gestiegene Nachfrage wenigstens ausgeglichen werden.
Insgesamt kommt weltweit nur rund 30% der Minenproduktion aus primären Silberminen. Hauptsächlich wird Silber als Nebenprodukt in der Zink-, Blei- und Kupferproduktion gewonnen. Auf die Industriemetalle entfallen etwa 58% der Silberproduktion. Weitere 12% des Minenangebots entsteht bei der Gewinnung von Gold. Dies macht die physische Produktion kurz- bis mittelfristig zu einem hohen Grade unelastisch gegenüber Preisänderungen bei Silber, weil die Produktionsmenge bei Basismetallen von anderen Faktoren abhängt.

Die Silbergewinnung aus Silberminen ist meistens mit weitaus höheren Produktionskosten verbunden als die Produktion als Nebenprodukt von anderen Metallen. Hohe Werkstoffund Transportpreise und ungünstige Wechselkursveränderungen führten dazu, dass die meisten existierenden Silberminen, die in einer Phase höherer Silberpreise entdeckt wurden, im Moment unprofitabel sind. In der Niedrigpreisphase der 80er und 90er Jahre wurden außerdem viel zu geringe Investitionen in Exploration getätigt, was mittelfristig zur weiteren Einengung des Angebots führen sollte. So werden in den kommenden Monaten keine großen Minenprojekte mit einem nennenswerten Silberanteil in Betrieb genommen. Die Angebotsseite wird mittelfristig somit angespannt bleiben.
b.) Ressourcen, überirdische Lagerbestände und spekulative Rückflüsse
Die Minenproduktion kann außerdem nicht schnell genug ausgeweitet werden, weil die erkundeten Bodenressourcen bei Silber relativ klein sind. Die Schätzungen belaufen sich auf lediglich 270 Tsd. Tonnen Reserven bzw. 14 Jahresproduktionen bei heutigem Produktionstempo. Auch die Gesamtreservenbasis beträgt nur 570 Tsd. Tonnen weltweit bzw. weniger als 30 Jahresproduktionen bei ihrer völligen Umwandlung in die abbaubare Reservenkategorie. Zudem befinden sich schätzungsweise über zwei Drittel der Weltsilberressourcen in Kupfer-, Blei- und Zinkvorkommen. Diese, oft in einer großen Tiefe liegenden Reserven, machen den Abbau sehr aufwändig und teuer. Insgesamt ist die Reservengröße bei Silber im Vergleich zu anderen Metallen unzureichend und es sind weitere hohe Explorationsausgaben notwendig, um diese problematische Lage entscheidend zu verbessern. Diese Investitionskosten verteuern letztendlich auch die Gesamtkostenstruktur bei Silber und stützen den Silberpreis.
Nicht nur die Ressourcen im Boden, sondern auch die identifizierbaren überirdischen Bestände, sind im Vergleich zu anderen Metallen sowie auch relativ zum Jahresverbrauch relativ klein. Auch wenn man vermutete "verborgene" überirdische Bestände von circa 300 Mio. addiert, liegt die Gesamtgröße kurzfristig verfügbarer überirdischer Bestände nur bei ca. 900 Mio. Unzen und kann somit die Industrienachfrage lediglich für ein Jahr befriedigen. Im Vergleich hierzu betragen definierbare verfügbare Ressourcen bei Gold etwa das 50-fache einer Jahresnachfrage.

Beispielhaft ist dabei die Entwicklung überirdischer Silberbestände in den USA. Während in den 50er und 60er Jahren das US-amerikanische Schatzamt über die weltgrößten Bestände von über 2 Milliarden Unzen verfügte und sich darüber hinaus noch 1,3 Milliarden Unzen in Münzenform im Umlauf befanden, ist dieser Bestand heute fast auf Null geschrumpft. Auch sind die strategischen Reserven des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, die noch vor 20 Jahren eine beachtliche Größe von rund 150 Mio. Unzen aufwiesen, heute komplett aufgebraucht. Zudem sind die Lagerbestände an den Metallbörsen dramatisch geschrumpft, so dass diese teilweise nicht mehr ausreichen, um ausstehende Long-Positionen von Futures-Investoren zu beliefern. Die Situation ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der ehemals weltweit größte Silberbesitzer für die Prägung seine traditionellen Jahresgedenkmünzenreihen auf Einfuhren angewiesen ist.
Das Angebot seitens Zentralbanken und aus identifizierbaren Beständen bei Händlern und Metallbörsen kann also die Angebotslücke nachhaltig nicht schließen, weil sich der Markt im Primärdefizit befindet und diese Bestände folglich ständig schrumpfen. Die fast entscheidende Rolle beim Angebot spielen dabei seit etwa Anfang der 90er Jahre die Verkäufe aus schwer identifizierbaren privaten Hortungen.
Nicht nur wegen fehlender Schätzungen und der möglicherweise gewaltigen Höhe dieser Bestände, sondern auch wegen eines schwer prognostizierbaren Verhaltens, spielen Investoren eine Schlüsselrolle am Markt. Die Silberhorten entstanden hauptsächlich Ende der 70er bis circa Mitte der 80er Jahre nach der erfolglosen Spekulation der Gebrüder Hunt, die den Silbermarkt in die Enge treiben wollten. Der Silberpreis ist dabei Ende der 70er bis Anfang 80er Jahre rasant auf knapp 50 US-Dollar pro Unze angezogen. Da die Industrienachfrage gleichzeitig zurückgegangen ist, wurden Produktionsüberschüsse von privaten Investoren absorbiert. Die Produktionsüberschüsse hielten noch bis Ende der 80er Jahre an, so dass deren Gesamtgröße nach Schätzungen internationaler Research-Häuser auf eine Milliarde Unzen gewachsen ist. Die in der Statistik nicht erfassten überirdischen Bestände fungierten in den 90er Jahren als Ausgleichsgewicht in der Angebot-Nachfrage Gleichung am Markt, der sich mittlerweile im Primärdefizit befand. Sie bleiben unserer Einschätzung nach weiterhin die wichtigste Unbekannte am Markt. Da sich die Primärdefizite der letzten 16 Jahre auf knapp 1,5 Milliarden Unzen kumulierten, sollten die spekulativen Überhänge aus den 80er Jahren jetzt nahezu völlig aufgebraucht worden sein.
In dieser Situation ist der Kursverlauf bei Silber schwer nachvollziehbar, da sich diese Knappheitsproblematik bei gleichzeitig zurückgehenden Reserven in den letzten Jahren frühzeitig herauskristallisierte. Dagegen verlief der Silberpreis in den letzten Jahren eher parallel zum Bleipreis, einem Metall, dem oft veraltete Anwendungsbereiche, enorme überirdische Bestände, stagnierende Nachfrage und steigende Produktion nachgesagt werden. Nach unserer Auffassung sind die langfristigen Auswirkungen der Knappheitssituation den Marktteilnehmern noch nicht bewusst.

c.) Altsilber und Recycling
Die bestehende Angebotlücke bei Silber wird zusätzlich zu den Verkäufen aus den Reserven der Weltzentralbanken und aus überirdischen Hortungen der 80er Jahre teilweise durch die "sekundäre" Produktion bzw. Einschmelzung von Altsilber und silberhaltigen Produkten zu geschlossen. Besonders groß ist der Recycling-Anteil im Bereich der Fotoindustrie, in der rund 70% des verwendeten Silbers aus den Fotochemikalien zurückgewonnen wird. Der Übergang von der analogen zur digitalen Fotografie führte allerdings zu einem Rückgang der Menge an wiedergewonnenem Silber. Dieser fiel so stark aus, dass die Gesamtmenge aus Recycling in allen Bereichen im Jahre 2004 um 1,3% zurückging.
Insgesamt bleibt die Recycling-Menge trotz der zuletzt tendenziell steigenden Preise bereits seit Jahren stabil. Nicht nur im Fotobereich ist das Recycling-Volumen rückläufig, sondern bleibt die Wiedergewinnung von Silber auch in anderen Bereichen unprofitabel. Der Silberanteil in den meisten Anwendungen ist so winzig, dass es sich oft nicht lohnt, diesen Anteil wiederzugewinnen, weil dessen Wert in keiner Relation zu den anfallenden Kosten steht. Dies führt auch dazu, dass ein Teil der Silberreserven weltweit verloren geht bzw. in absehbarer Zukunft nicht mehr wiedergewonnen wird. Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Silbermarkt und den Märkten für die meisten anderen Metalle. Schätzungsweise befindet sich über 98% der jemals produzierten Goldmenge immer noch im Umlauf und auch bei anderen Metallen mit homogenen Anwendungen und einer hohen Konzentration von einem Metall im Endprodukt, wie z.B. bei Kupfer oder Platin, bleiben die produzierten Mengen fast immer erhalten und werden ständig aus diesen Anwendungen zurückgewonnen.
Zusätzlich sollte bei moderat anziehenden Preisen auch in einem weiteren wichtigen Anwendungsbereich für Silber, der Schmuckindustrie, der Recycling-Anteil niedrig bleiben. Bei Silberschmuck übersteigt der Verkaufspreis die Materialkosten meistens um das Mehrfache. Dies macht die Einschmelzung des Schmucksilbers bei jetzigen Preisen unattraktiv und bedeutet zugleich, dass Silber aus Schmuck erst bei weitaus höheren Preisen zur Wiedereinschmelzung gelangt und zur Schließung der Angebotslücke beitragen kann.
Die Recycling-Komponente bei Silber sollte sich damit auch in Zukunft als relativ preisunelastisch erweisen, so dass es auch bei moderat steigenden Preisen zu keiner nennenswerten Ausweitung des Angebots aus dem Recyclingsektor kommen sollte.
Wir denken allerdings, dass der Markt die bevorstehende Gefahr einer Erschöpfung der Silberreserven im Moment stark unterschätzt. Bei den relativ niedrigen Preisen von unter 10 US-Dollar kann die Angebotslücke in den nächsten Jahren kaum gedeckt werden, was fast zwangsläufig zu höheren Notierungen führen sollte. Da sich das Angebot nicht zeitnah an die steigende Nachfrage von Finanzinvestoren anpassen kann, schließen wir eine explosionsartige Bewegung nach oben, ähnlich wie Ende der 70er Jahre, in den kommenden Monaten nicht aus.
Nachfragedynamik
Während Silber früher fast ausschließlich zur Schmuck-, Tafelsilber- und Münzenherstellung verwendet wurde, sind die Anwendungen heute sehr zahlreich und unterschiedlich. Hervorragende thermische- und elektrische Leitfähigkeit machten es zu einem festen Bestanteil der modernen Industrie, Elektronik und Elektrotechnik. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bildet die Schwärzung der Silbersalze durch Licht die Grundlage der klassischen Fotografie. Diese Eigenschaften führten dazu, dass das frühere Schmuckmetall allmählich zu einem Industriemetall wurde, bei dem fast zwei Drittel der Gesamtnachfrage auf industrielle Zwecke und den Fotobereich entfallen. Der Anteil von Schmuck und Tafelsilber an der Gesamtnachfrage ist gleichzeitig ständig geschrumpft und beträgt zurzeit nur noch rund 30% der Fertigungsnachfrage. Vor allem aber ging das Anlegerinteresse an physischem Silber in den letzten Jahrzehnten zurück. Die Nachfrage nach Münzen und Barren befindet sich etwa auf dem Niveau von vor 30 Jahren, obwohl sich die Gesamtnachfrage im gleichen Zeitraum nahezu vervierfacht hat.

Der Silberverbrauch wächst trotz des moderaten Preisanstieges weiterhin stetig, wobei sich aber die Wachstumsdynamik im Vergleich zu dem Tempo der 90er Jahren in den letzten Jahren zunehmend verlangsamt hat. Dabei hat sich die Nachfrage der Elektro- und Elektronikindustrie, die nach dem High-Tech Boom der Neunziger eingebrochen ist, mittlerweile wieder erholt und im Jahre 2004 sogar ein neues Hoch markiert. Nach unserer Einschätzung sollte sich die industrielle Nachfrage zukünftig weiterhin mit über 3% Wachstum jährlich zumindest parallel zum Wachstumstempo der Gesamtindustrie entwickeln.
Dagegen ist die Nachfrage im Fotobereich im Moment noch rückläufig. Dabei wird der Aspekt, dass mit dem Vormarsch digitaler Fototechnik die traditionelle analoge Fotografie komplett verdrängt wird, bereits seit längerem vom Markt eingepreist. Die rückläufige Bedeutung analoger Anwendungen vor allem in den westlichen Ländern ist zwar deutlich zu sehen. Allerdings ist der Rückgang längst nicht so stark wie von dem meisten Marktteilnehmern befürchtet, da Rückgang teilweise durch die weiterhin steigende Konsumnachfrage nach tendenziell billigerer analoger Technik in den Schwellenländern kompensiert wird. Allein in China ist die Nachfrage nach Silber aus dem Bereich Fotografie im Jahre 2004 um weitere 6% gestiegen. Die bereits rückläufigen Zuwachsraten der Nachfrage nach digitaler Fotografie in den entwickelten Ländern deuten außerdem auf eine gewisse Sättigung und Marktreife hin.
Außerdem lassen viele Nutzer digitaler Technik die Bilder weiterhin auf Fotopapier, das normalerweise Silber enthält, entwickeln. Aus diesem Grund verzeichnet die Nachfrage aus dem Fotopapierkonsum, die etwa gleich groß wie der Verbrauch aus dem Fotofilmverbrauch ist, einen sehr geringen Rückgang. Einige Bereiche der Fotonachfrage weisen sogar eine Steigerung auf. So stieg zum Beispiel die Nachfrage aus der Kinofilmindustrie im Jahre 2004 um zwölf Prozent. Entscheidend ist jedoch, dass der größte Anwendungsbereich für Silber in der Fotoindustrie, die für nahezu die Hälfte des Gesamtverbrauchs verantwortliche Radiographie (Röntgenbilder), seit vielen Jahren relativ stabil bleibt. Aus diesen Gründen glauben wir, dass die am Markt herrschende Untergangsstimmung bezüglich der Fotoanwendungen von Silber überzogen ist und sich die Nachfrage aus diesem Sektor in den kommenden Jahren stabilisieren wird. Außerdem trägt der leichte Rückgang dieser Nachfrage gleichzeitig angebotsseitig zum Rückgang der recycelten Menge bei. Dadurch wird der Netto-Effekt des Nachfragerückgangs aus dem Fotobereich zusätzlich vermindert.
Eine weitere Nachfrage-Komponente, die Schmucknachfrage, blieb im letzten Jahrzehnt unter starken Schwankungen per saldo fast gleich bei rund 250 Mio. Unzen jährlich. Für die starke Volatilität sorgt vor allem eine preisempfindliche saisonal abhängige Nachfrage der indischen Bevölkerung nach Silber, da Indien der weltweit größte Abnehmer für Silberschmuck ist. Wegen des rund 50%-igen Anstieges des Silberpreises während der traditionellen Hochzeitssaison in Indien, brach die Indiens Silberschmucknachfrage im Jahre 2004 um 33 Mio. Unzen ein. Bereinigt um diesen einmaligen Effekt konnte die Schmucknachfrage in den anderen Ländern sogar zulegen. Dies ist unter anderem darauf zurück zu führen, dass in den meisten anderen Ländern die Verarbeitungskosten die Materialkosten deutlich übersteigen und der Materialwert bei Silberschmuck sehr gering ist. So bleiben die Verkaufspreise bei einer moderaten Preissteigerung überwiegend stabil und folglich erweist sich auch die Nachfrage gegenüber diesen Steigerungen als relativ unempfindlich.
In dieser Situation ist es interessant zu beobachten, dass Kapitalanleger im Gegensatz zu preisbewussten Schmuckkäufern oft pro-zyklisch agieren und aus diesem Grund ihre Käufe in den letzten Jahren enorm verstärkt haben. Die Nachfrage nach Anlagemünzen und Barren wuchs dabei in den letzten 10 Jahren um rund 6% jährlich (im letzten Jahr sogar um 15%). Anleger, die nach der missglückten Spekulation der Gebrüder Hunt Anfang der 80er Jahre, dem Silber für mehr als ein Jahrzehnt den Rücken gekehrt haben, sind offenbar wieder ins Lager der Silberbullen gewechselt und horten nun das knapp werdende Gut aus unterschiedlichen Anlagemotiven wieder. Diese Dynamik sollte nach unserer Einschätzung in den kommenden Jahren sogar weiter zunehmen, da viele Anleger auf der Suche nach renditestarken Anlagen Silber wieder entdecken werden.
Positiv für Silber stimmen uns außerdem die Perspektiven neuer Anwendungsbereiche. Insbesondere innovative hochtechnologische Sektoren wie die Brennstoffzellentechnik und die Fotovoltaik (Solartechnologie) sollten künftig an Bedeutung gewinnen. Eine der potenziell größten zukünftigen Anwendungsbereiche für Silber sollte unserer Ansicht nach der Bereich Wasseraufbereitung werden. Bereits römische Legionäre und später Pioniere des amerikanischen Westens haben mit Silbermünzen Wasser von Schmutz gereinigt. Die antiseptischen und antibakteriellen Eigenschaften und die bakterizide Wirkung silberhaltiger Präparate führen zu einer steigenden Anwendung dieser Werkstoffe auch in der Medizin. Der Effekt der dynamisch wachsenden Nachfrage aus den neuen Anwendungssektoren ist jedoch momentan noch schwer zu beziffern. Allerdings ist schon jetzt abzusehen, dass ihr Wachstumstempo jenes der traditionellen Anwendungen übersteigt, was sie künftig zu bedeutsamen positiven Faktoren für die Nachfrageseite machen sollte.
Silber als Finanzanlage
Anleger, die bis vor wenigen Jahren insgesamt als Netto-Verkäufer am Markt agiert haben, entdecken zunehmend Silber als Anlageobjekt wieder. Erstaunlicherweise hat sich die Situation erst mit einem kräftigen Preisanstieg verbessert. Das oft prozyklische Verhalten vieler Anleger führt dazu, dass sich sowohl einige mit Verkäufen zurück halten als auch viele neue Käufe tätigen. Die meisten folgen dabei einem etablierten Trend, ähnlich wie in den 70er Jahren, als viele auf die Themen Inflation und Vermögensschutz durch Edelmetallkäufe erst Jahre nach der Wende beim Silberpreis aufmerksam geworden sind.
Neben der bereits erwähnten physischen Knappheit des Metalls und den damit verbundenen Chancen auf einen starken Preisanstieg, sehen viele Anleger Silber wieder zunehmend auch als Inflationsschutz an. Traditionell gelten Edelmetalle und insbesondere Gold und Silber als Sachwerte und sollten in einer inflationären Umgebung eine überdurchschnittliche Performance im Vergleich zu anderen Anlageklassen erzielen. Die in der Niedrigzinsphase der 90er Jahre geschaffene Geldmenge sollte nach unserer Ansicht langfristig dafür sorgen, dass die Inflation wieder an Fahrt gewinnt. Auch der vermeintliche Nachfolger von Alan Greenspan auf dem Posten des US-Fed Vorsitzenden, Fed-Governeur Bernanke, hat bereits im November 2001 angekündigt, dass sich die Fed vor allem Deflationsbekämpfung auf die Fahnen schreiben wird. In Phasen, in denen Inflationsraten die nominalen Zinsen übersteigen, bei einem sog. negativer Realzins, sollten Wertanlagen wie Gold und Silber aufgrund ihrer historischen Rolle besonders gut abschneiden. Die historische Marktinterpretation des Zusammenhangs zwischen der Inflationsentwicklung und dem Silberpreis ist aus unserer Sicht zutreffend. Silber hat sich historisch gesehen in der Tat als Vorbote für zunehmende Inflation und gleichzeitig als hervorragender Vermögensschutz erwiesen.

Verblüffend ist, dass eines der Hauptprobleme bei Investitionen in physisches Silber die Tatsache ist, dass Silber verhältnismäßig "zu billig" ist. Ein Kilogramm Silber kostet im Moment umgerechnet lediglich knapp 200 Euro. Dies erschwert die Anlage größerer Vermögen in physischem Metall deutlich, da bereits eine Anlagesumme von 10.000 Euro über 50 Kilo Silber entspricht. Diese Menge muss gelagert, versichert und aufbewahrt werden und ist außerdem nicht so liquide, wie z.B. ein Kilo Gold, das man für den gleichen Betrag kaufen kann. Außerdem wird auf Silberbarrenkäufe im Gegensatz zu Gold eine zusätzliche Steuer erhoben (in Deutschland 16%, in anderen Ländern oft sogar noch mehr).
Deshalb bemüht sich derzeit Barclays um eine Genehmigung für einen sogenannten Silber ETF (Exchange Traded Funds). Aus Diversifizierungsgründen und aufgrund der im Vergleich zum physischen Besitz günstigeren steuerlichen Behandlung (z.B. keine Mehrwertsteuer) sollte diese Anlagemöglichkeit positiv angesehen werden. Für vermögende Privatkunden und vor allem für institutionelle Investoren, deren Anlageuniversum häufig nur auf die Anlageklassen Aktien und Anleihen beschränkt ist, ergibt sich somit die Möglichkeit eines Engagements am Silbermarkt. Wir glauben, dass dieser Fonds eine breitere Klientel von Investoren ansprechen und neue Investoren in den Markt locken wird. Dieser Fonds könnte unserer Einschätzung nach eine zusätzliche Nachfrage von über 200 Mio. Unzen generieren, falls das Fondsvolumen lediglich 1,5 Milliarde US-Dollar betrüge.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Silbernachfrage in den letzten 20 Jahren um durchschnittlich 3,5% jährlich gestiegen ist. Dies entspricht etwa dem weltweiten BIP- und Industrieproduktionswachstum von 3,4% pro Jahr. Der Nachfrage-Rückgang aus dem Fotosektor wurde komplett durch die wachsende Nachfrage aus dem Technologiesektor und nach physischem Silber als Anlageobjekt aufgefangen. Wir glauben, dass dieser Trend anhalten wird und gehen in unseren Schätzungen von einem langfristigen Nachfragezuwachs von durchschnittlich 2,5% pro Jahr aus. Die Minenproduktion, die seit dem Jahre 1990 um lediglich 1,5% jährlich ausgeweitet wurde, sollte dagegen auch in der Zukunft aufgrund fehlender Explorationsausgaben und Ressourcen bei heutigen Preisen die existierende Produktionslücke nicht schließen können. Da sich das Angebot wie auch die Nachfrage gegenüber den möglichen Preissteigerungen als unempfindlich herausstellen sollte, könnte eine positive Preisreaktion entsprechend stark ausfallen.

Futures-Märkte
Beim Kauf eines Silber-Futures im Wert von über 36.000 US-Dollar muss ein Händler an der New Yorker Metallbörse COMEX eine Sicherheit von lediglich 2.000 US-Dollar hinterlegen. Dieser enorme Hebeleffekt führt dazu, dass sich immer mehr größere Anleger am Silbermarkt über Futures engagieren. Zudem sind die Kosten eines solchen Engagements im Vergleich zum physischen Erwerb weitaus geringer, da bei Futures weder Lager- und Versicherungskosten entstehen noch Steuern oder Zölle zu entrichten sind. Aus diesem Grund spielen Terminmärkte bei der Preisgestaltung mittlerweile eine weitaus größere Rolle als physische Geschäfte. Während sich die Jahresminenproduktion auf rund 630 Mio. Unzen beläuft, beträgt allein das an der NYMEX/COMEX gehandelte Volumen rund 20.000 Kontrakte bzw. 100 Mio. Unzen täglich. Neben New York wird Silber außerdem an den Warenterminbörsen in Chicago, London, Delhi und Tokio gehandelt.
Das große Handelsvolumen an den Terminbörsen führt dazu, dass Lieferverpflichtungen, die aus spekulativen Leerverkäufen resultieren, die an den Börsen vorhandenen Lagerbestände oftmals übersteigen. In Phasen, in denen Short-Spekulanten von Futures-Käufern zur Lieferung des Materials zum vereinbarten Verfallstermin aufgefordert werden, können die Lagebestände signifikant schrumpfen. Die dabei entstehende Angebotslücke spiegelt sich am Markt für Silberkredite wider. Die Leerverkäufer müssen in dieser Situation Silber zu einem Zinssatz ausleihen, der bei einer nicht ausreichenden Höhe der Bestände automatisch anzieht.

Besonders auffällig sind dabei die Zuspitzungen der Jahre 1997-1998 und 2001. Der erste Anstieg erfolgte, als einer der bekanntesten Value-Investoren, Warren Buffet, rund 130 Mio. Unzen physisch gekauft hat und diese ausliefern ließ. Der zweite markante Rückgang überirdischer Bestände folgte auf die Terroranschläge im September 2001 auf das World Trade Center in New York, wo verschiedenen Berichten zufolge ein Teil der US-Silberbestände gelagert wurde. Der jüngste Anstieg der Leihraten in diesem Jahr wurde unserer Auffassung nach vom Markt noch nicht in ausreichendem Maß wahrgenommen. Eine nahezu Verdreifachung der Jahresleihraten von 1% auf 2,5% sollte eine zunehmende Einengung der Versorgungssituation am Markt signalisieren und möglicherweise als Katalysator für die Fortsetzung der Hausse, in der sich Silber seit etwa Ende 2002 befindet, dienen.
Ein weiteres Indiz für eine zunehmende Knappheit des Metalls ist die Entwicklung der Preisrelationen zwischen den Termin- und Kassamarktkursen. Normalerweise herrscht am Markt Contango, d.h. die Futures-Preise notieren über dem Kassakurs, weil Silber relativ einfach verfügbar ist und folglich ausgeliehen werden kann, um eine Zusatzrendite zu erzielen, die dem Satz für Silberleihe entspricht. Allerdings könnte bei einer eintretenden Knappheit der Futures-Preis zeitweise auch unter dem Spotkurs notieren, weil der Markt oft damit rechnet, dass die unzureichende Versorgungssituation sich relativ schnell wieder stabilisiert. Im Moment notieren 6-Monats-Futures rund 2% über den Kassakursen, was historisch unterdurchschnittlich ist und auf eine Verengung des Silberangebotes hindeutet.

Wie auch bei anderen Rohstoffen können die Marktteilnehmer bei Silber in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Während die einen (sog. Commercials) über die Terminmärkte reale Geschäfte absichern und abwickeln, setzen die anderen (sog. Non-Commercials) Futures zu spekulativen Zwecken ein. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass sich die Spekulanten überwiegend pro-zyklisch verhalten und die Wendepunkte nicht rechtzeitig erkennen. Man interpretiert die Netto-Größe ausstehender Long-Positionen aus diesem Grund als Kontra-Indikator und insbesondere beim Erreichen von Extremniveaus, ist oft das Einnehmen einer Gegenpositionen sinnvoll. Im Moment haben Spekulanten ihre Positionen weitgehend abgebaut, was in der Zukunft für eine rasche Aufwärtsbewegung sorgen könnte, wenn sich die spekulative Seite wieder mit Futures eindeckt.

Gold : Silber Ratio
Zwischen den Preisen für Gold und Silber, die beiden einzigen Edelmetalle mit einer nennenswerten monetären Rolle und ähnlichen Anwendungsbereichen in der Schmuck- und Münzherstellung, besteht historisch eine sehr starke Korrelation. Die Relation zwischen den Preisen für beide Metalle (Ratio) hat sich in einer extrem langfristigen Perspektive oft sprunghaft bewegt. Die Ratio blieb über Jahrhunderte stabil und hat sich infolge der Entdeckungen neuer Vorkommen nach einer kurzen Zeit immer wieder auf einem anderen Niveau stabil eingependelt. Im alten Ägypten war Silber z.B. teilweise sogar wertvoller als Gold. Mit der Öffnung europäischer Minen hat Silber zwar massiv an Akzeptanz gewonnen, jedoch hat der Preis im Vergleich zu Gold stagniert. Die größte Wende kam allerdings erst nach der Entdeckung Amerikas mit der Öffnung der großen Potosi Mine in Bolivien im 16. Jahrhundert. Nach einer anfänglichen Inflation stabilisierte sich der Silberkurs im Vergleich zum Goldpreis und die Ratio bleib fast 400 Jahre lang relativ konstant bei 14 bis 15. Zwar ist über einen Zeitraum von über 2500 Jahren eine deutliche Abwertung von Silber im Vergleich zu Gold zu beobachten. So lag die Ratio in Europa von circa 700 v.Chr. bis zum Jahre 14 etwa bei 10, dann stieg sie im 9. Jahrhundert auf 12 und im Jahre 1700 sogar auf 14. Jedoch sind diese Veränderungen langfristig im Vergleich zur enormen Abwertung von Silber in den letzten 30 Jahren und der heutigen Höhe der Ratio von knapp 60 zu vernachlässigen.
Die langfristige Konstante von rund 15 wurde im 18. Und 19. Jahrhundert in den meisten Ländern sogar gesetzlich festgelegt. So haben die USA im Jahre 1792 durch das Münzwesengesetz (Coinage Act) Silber die Schlüsselrolle im Geldumlauf verliehen und die Ratio per Dekret auf 15 festgesetzt. Aus der Festlegung der Gewichte dieser Metalle in französischen Münzen ging ein Verhältnis von 15,5 hervor. Demgegenüber hat England hat bei seinen Münzen im 18. Jahrhundert die Ratio sogar auf knapp 14 festgelegt.

Mit der Abschaffung des Bimetallsystems Ende des 19. Jahrhunderts, in dem Silber und Gold gleichberechtigt waren und das Preisverhältnis zwischen den beiden Metallen bei etwa 15 festgelegt wurde, hat Silber im Vergleich zu Gold an Wert verloren. In den 60er Jahren wurde dann Silber auch im Land mit den weltweit größten Silberreserven, den USA, vollständig demonetisiert. Man sollte deshalb vermuten, dass die Bindung zwischen den Metallen endgültig gelöst sein sollte. Allerdings sehen wir andere Gründe als nur die monetäre Rolle für dieses starke historische Verhältnis.
Unserer Meinung nach bildete sich die Ratio zwischen den beiden Metallen im wesentlichen durch die relative Verfügbarkeit der Metalle heraus. War zu einem Zeitpunkt weniger Silber im Vergleich zu Gold im Umlauf als dies die offizielle Ratio in den Münzen implizierte, hortete man Silbermünzen so lange, bis das Verhältnis durch die Anpassung der Metallgewichte bei Münzen angeglichen wurde. Diese Regulierungsmechanismen funktionierten sogar weltweit. Die relative Präferenz für Silber im Vergleich zu Gold war z.B. in Japan und Südostasien traditionell höher als in Europa, weil das helle Schmuckmetall sehr edel auf dunkler asiatischer Haut aussah. Dies hatte enorme Ausfuhren von Silber und gleichzeitige Einfuhren von Gold von Europa nach Asien und eine langfristige Annährung des Preisverhältnisses weltweit zu Folge. Entsprechend mussten die überirdischen Silbereserven an Münzen, Schmuck und Tafelsilber im späten Mittelalter etwa 14 mal so groß gewesen sein wie die Goldreserven, was der aus den Münzen hervorgehenden Ratio entsprach.
Die Höhe verfügbarer überirdischer Reserven bleibt nur sehr schwer einzuschätzen. Wir vermuten aber, dass die Relation zwischen der Produktionshöhe beider Metalle, die schon seit längerem dokumentiert werden, auch den Schlüssel zur Höhe der Reserven liefert. Da Gold und Silber in der Vergangenheit ausschließlich zur Schmuck- und Münzenherstellung gebraucht wurden, war die gesamte Fördermenge jederzeit wiederverwendbar und verfügbar. Deswegen würde nach einem längeren Zeitraum die Relation zwischen der Produktionshöhe beider Metalle auch der relativen Höhe ihrer Reserven entsprechen. Die überlieferten Daten des US-amerikanischen Geologiebüros (USGS) von Anfang des 20. Jahrhunderts bestätigen diese These und zeigen ein Verhältnis von circa 14 zu 1 zwischen der Silber- und Goldproduktion.

Die Relation zwischen der Gold- und Silberproduktion hat sich im letzten Jahrhundert zunehmend zu Gunsten von Silber entwickelt. War die Silberproduktion Anfang der 30er Jahre noch 14 mal höher als die Goldproduktion, so wurde sie im 20. Jahrhundert unterproportional erweitert und beträgt zurzeit lediglich das Achtfache der Goldproduktion. Die Situation bei überirdischen Beständen beider Metalle sieht jetzt noch dramatischer aus. Da schätzungsweise über 98% des jemals produzierten Goldes immer noch im Umlauf sind, können die verfügbaren überirdischen Bestände die Nachfrage momentan für circa 50 Jahre befriedigen. Dagegen reichen die derzeitigen Bestände bei Silber vermutlich lediglich zur Befriedigung einer Jahresnachfrage aus, weil ein großer Teil der historischen Silberproduktion "verloren" ging. Dies war bedingt durch den relativ kleinen Anteil von Silber in den meisten Anwendungen, was seine Wiedergewinnung bei niedrigen Preisen unrentabel machte.
Diese Erkenntnisse lieferten vermutlich auch den Brüdern Hunt die Argumentationsgrundlage zur Annahme, dass der Silberpreis im Verhältnis zu Gold unterbewertet sei und, dass eine Ratio unter zehn angemessen wäre. Sie versuchten diese These Ende der 70er Jahre mit einer ausführlichen Analyse der fundamentalen Situation beider Metalle zu verifizieren. Als Kursziel für ihre spekulativen Käufe haben sie nämlich nicht eine absolute Preishöhe angesetzt, sondern dieses von den Bewegungen des Goldpreises abhängig gemacht und versucht, die Ratio auf einen Wert von fünf zu bringen. Wegen eines starken Widerstandes seitens der US-Finanzkreise und der Regierung scheiterten sie allerdings sogar schon an der magischen Marke von 15.
Nicht nur ihre historische Bedeutung, sondern auch die große Aufmerksamkeit, die der Markt den Veränderungen der Ratio schenkt, macht ihre Beobachtung zu einem essentiellen Bestandteil einer Marktanalyse und ist aus unserer Sicht einer der wichtigsten preistreibenden Faktoren, weil viele Marktteilnehmer ihre Handelaktivitäten daran ausrichten. Die Kraft einer sog. selbsterfüllenden Prophezeiung solcher Faktoren am Markt ist entsprechend groß. Dies sollte aus unserer Sicht für eine weitere Annährung zwischen dem Gold- und Silberpreis sorgen und diese auch fundamental gerechtfertigte Bewegung beschleunigen.
Wir glauben, dass die Ratio in den kommenden Monaten den durchschnittlichen Wert der letzten 50 Jahre von knapp 50 erreicht. Bei unserem mittelfristigen Kursziel von 500 US-Dollar pro Unze für den Goldpreis ergäbe sich somit für den Silberpreis ein Kursziel von zehn US-Dollar pro Unze in den nächsten 6-12 Monaten. Allerdings erwarten wir, dass sich bei einer anhaltenden Edelmetall-Hausse der Silberpreis vergleichsweise besser entwickelt als der Goldpreis und sehr für diesen Fall sogar Potenzial von über 20 USD-Dollar pro Unze, welches sich aus historischen Entwicklungen ableiten lässt. Dies entspräche einer Ratio von 30 bei einem von uns erwarteten langfristigen Goldpreis von 600 US-Dollar, was wir aufgrund fehlender Reserven und überirdischer Bestände und weiteren für den Preisanstieg sprechenden Faktoren als wahrscheinlich erachten. Dieses Kursziel scheint außerdem langfristig wenig ambitioniert zu sein, da Silber von seinem historischen Höchststand so weit entfernt ist wie kein anderes Metall. Während Kupfer, Nickel und andere Industriemetalle sowie Platin historische Höchststände markieren, notiert Silber weiterhin fast 85% unter dem historischen Hoch von knapp 50 US-Dollar, das im Jahre 1980 erreicht wurde. Seitdem hat sich außerdem die fundamentale Angebot-Nachfrage Situation für Silber sogar noch verbessert.
Prognoseder DZ BANK
Silber ist ein Edelmetall mit vielen industriellen Anwendungen. Dabei erweist sich die Nachfrageseite aufgrund des geringen Anteils von Silber in den meisten Anwendungen als wenig preiselastisch. Der geringe Anteil von Silber am Verkaufspreis für Silberschmuck in den entwickelten Ländern und bei industriellen Anwendungen führt außerdem dazu, dass das Angebot aus Recycling bei moderaten Preisveränderungen preisunelastisch ist, weil die Wiedergewinnung von Silber aus diesen Anwendungen ökonomisch unattraktiv bleibt. Gleichzeitig hängt das Minenangebot in hohem Maße von der Preisentwicklung anderer Industrieund Edelmetalle ab, weil lediglich 30% der Produktion aus den Silberminen stammt und der Rest als Nebenprodukt beim Abbau anderer Metalle anfällt.
Wir glauben, dass die im Moment existierende Angebotslücke, die zurzeit noch durch staatliche Verkäufe und von Finanzinvestoren ausgeglichen wird, bei einem Silberpreis unter zehn US-Dollar pro Unze langfristig nicht mehr geschlossen werden kann. Die physische Nachfrage seitens privater Anleger sollte weiter stetig zunehmen, während die Bestände bei den Weltzentralbanken sollten nahezu erschöpft sind. Dies könnte durchaus zu einem starken Preisanstieg, ähnlich wie Ende der 70er Jahre, führen, weil weder das Angebot noch die Nachfrage auf einen Preisanstieg mittelfristig entsprechend reagieren werden.

Ein weiterer wichtiger preisbestimmender Faktor ist das Verhältnisses zwischen dem Goldund Silberpreis. Aus den historischen Entwicklungen dieses Verhältnisses kann man weitaus höhere Notierungen für Silber ableiten. Wir rechnen damit, dass sich diese Ratio im nächsten Jahr bei etwa 50 einstellen wird. Bei dem von uns erwarteten mittelfristigen Goldpreis von 500 US-Dollar pro Unze, sollte die zehn US-Dollar Marke bereits in der ersten Jahreshälfte 2006 erreichen werden. Da diese Grenze psychologisch wichtig ist, sollte Silber in den nächsten Jahren seinen Höhenflug fortsetzen und langfristig zumindest im Gleichklang mit Gold haussieren. Als langfristiges Kursziel können wir sogar einen Preis von mehr als 20 US-Dollar nicht ausschließen, der zwar aus heutiger Sicht nahezu einer Verdreifachung entspräche, jedoch im historischen Vergleich realistisch erscheint. Für steigende Kurse in der zweiten Jahreshälfte spricht außerdem auch die Saisonalität. Dies liegt unter anderem an der Hochzeitssaison in Indien und religiösen Festen im arabischen Raum. Auch in diesem Jahr wird u.E. der Preis seinem langfristigen Muster folgen, wonach sich Anfang Herbst als ein geeigneter Einstiegszeitpunkt herausstellt.
© Eugen Weinberg
(Quelle: Die Studie wurde im August 2005 von der DZ Bank AG Frankfurt/Main für ihre Kunden publiziert.)