Edelmetallmärkte: China vs. USA
08.09.2014 | Jan Nieuwenhuijs
In Erwartung der Eröffnung des internationalen Schalters der Shanghai Gold Exchange, was vermutlich die Macht über die Goldpreisbestimmung von Westen nach Osten verschieben wird, werden wir uns in diesem Beitrag den Handelsvolumen der Shanghai Gold Exchange (SGE), der Shanghai Futures Exchange (SHFE) und der COMEX in der Vergangenheit widmen. Durch die Aufzeichnung der wöchentlichen Volumen bekommen wir ein klares Bild von der Größe dieser Börsen. (Am London Bullion Market werden höchstwahrscheinlich die größten Volumen gehandelt, aber da es sich um einen außerbörslichen Markt handelt, der nicht viele Daten veröffentlicht, können wir ihn nicht für unseren Ost-West-Vergleich benutzen.)
Von nun an werde ich die Handelsdaten dieser Börsen im Anschluss an jede Handelswoche veröffentlichen, um genauestens nachzuverfolgen, wie der Schwerpunkt des Goldmarkts nach Asien wandert.
Die weltgrößte Futures-Börse für Edelmetalle ist die in den USA befindliche COMEX. Diese Börse begann mit dem Handel von Silberfutures im Juni 1963 und im Dezember 1974 mit dem Handel von Goldfutures. Futures sind ein Derivat der zugrundeliegenden Assets, in diesem Fall Edelmetalle, da sie auf Margin gehandelt werden. Durch Futures können Händler eine Position bei Edelmetallen besitzen, müssen aber nur einen Teil, den Margin, des gesamten Barwerts im Voraus hinterlegen. Daraus ergibt sich eine Hebelwirkung; Kursbewegungen werden abhängig vom Margin der Einlage verstärkt. Futures können zum Beispiel zum Hedgen oder Spekulieren genutzt werden. In der Vergangenheit war die COMEX die dominierende Futures-Börse der Welt und spielte eine entscheidende Rolle bei der Preisfeststellung von Edelmetallen.
Erste Schritte für die Eröffnung eines chinesischen Edelmetallmarkts wurden 2000 mit der Gründung des Shanghai Huatong Nonferrous Metal Wholesale Marketplace gemacht. Dadurch konnte zum ersten Mal Silber am chinesischen Großhandelsmarkt gehandelt werden, in den vorherigen Jahrzehnten hatte die chinesische Volksbank (PBOC) das Monopol auf den Gold- und Silberhandel in China. 2003 wurde der Shanghai Huatong Nonferrous Metal Wholesale Marketplace umbenannt in Shanghai White Platinum & Silver Exchange (WPSE). In den folgenden Jahren erlaubte die PBOC den Handel von Silber an verschiedenen anderen Börsen und unter den chinesischen Staatsbürgern.
Im Oktober 2002 öffnete die erste chinesische Goldbörse ihre Türen - die Shanghai Gold Exchange. Die SGE wurde als Kern des chinesischen physischen Goldmarkts geschaffen. Die PBOC beschloss, dass alles importierte und im Land abgebaute Gold zuerst über die SGE verkauft werden musste, darüber hinaus durften aus den Tresoren der SGE entnommene Goldbarren erst wieder in die Tresore der SGE zurückkehren, wenn sie zuvor erneut eingeschmolzen und geprüft worden waren. Durch diesen einzelnen Eintrittspunkt kann die PBOC die Menge und Qualität des Golds, das auf den chinesischen Markt gelangt und die privaten Reserven erhöht, leicht nachverfolgen. Natürlich wurde der chinesische Goldmarkt nicht über Nacht liberalisiert, nur 2007 arbeitete die SGE genau wie beabsichtigt.
In den frühen Jahren wurde die SGE von der COMEX in den Schatten gestellt, in der ersten Handelswoche wurden nur 398 kg in Goldspotkontrakten gehandelt; während der selben Woche wurden 476 t Goldfutures an der COMEX gehandelt. Doch die Chinesen waren sehr beharrlich in ihren Bestrebungen, ihre Edelmetallmärkte auszubauen und so ein Global Player zu werden, da sie sich der Bedeutung von Gold im Währungssystem vollkommen bewusst waren.
Die Ziele der chinesischen Regierung waren: die Bürger zum physischen Goldkauf anregen; neue Derivate zur Verbesserung der Marktinfrastruktur; und die notwendige Internationalisierung des chinesischen Goldmarktes als Teil der Entwicklung der chinesischen Finanzmärkte und der Internationalisierung des Renminbi. Im Zuge des Ziels der PBOC, die Goldbestände zu erhöhen, sagte Zhou Xiaochuan, Vorsitzender der PBOC von 2002 bis heute, auf der LBMA-Konferenz 2004:
“Chinas Goldmarkt sollte nach und nach drei Transformationen durchlaufen: vom Rohstoffhandel zum Handel mit Finanzprodukten, von Spottransaktionen zu Futures-Transaktionen und vom heimischen Markt zur Integration im internationalen Markt.
Aus Sicht der Zentralbank werden Entwicklung und Verbesserung des Goldmarkts die Verbesserung der regulierenden Maßnahmen in der Währungspolitik und im übergreifenden Anpassungssystem unterstützen… Gold trägt im modernen Finanzsystem noch immer die markante Charakteristik einer Währung.”
In den ersten zwei Jahren nach der Gründung erhöhten sich die Handelsvolumen der SGE nur leicht, bis die SGE zu ihren bestehenden Spotprodukten auch Derivate hinzufügte. Au(T+D), ein fortschreibbarer Goldspotkontrakt (vergleichbar mit Futures), wurde im September 2004 eingeführt und Ag(T+D), ein fortschreibbarer Silberterminkontrakt, im November 2006. Die Goldhandelsvolumen erhöhten sich umgehend bei der Einführung von Au(T+D) und anderen Produktverbesserungen.
Die Silbervolumen hoben 2009 ab.
Schließlich erhöhten die die SGE-Handelsvolumen beider Metalle deutlich, aber blieben im Vergleich zur COMEX doch winzig, an der 2013 im Durchschnitt 2.822 t Gold und 43.097 t Silber pro Woche gehandelt worden waren. Vergleichen Sie die wöchentlichen COMEX-Durchschnittsvolumen mit den wöchentlichen Volumen der obenstehenden SGE-Charts.
Um die Infrastruktur des Edelmetallmarkts weiter zu verbessern (und ein ernster zu nehmender Gegner der westlichen Märkte zu werden) führte die chinesische Regierung Goldfutures (9. Januar 2008) und Silberfutures (10. Mai 2012) an der SHFE ein.
Zusätzlich begann die SHFE im Juli 2013 mit dem Continues-Trading-Programm, oder Nachthandel, um den Handel während der Stunden zu ermöglichen, in denen die US-amerikanischen Finanzmärkte aktiv sind. Auch wenn der gesamte chinesische Goldhandel nicht annähernd an die Volumen der COMEX heranreicht…
…hat der chinesische Silberhandel andererseits die COMEX-Volumen bereits überstiegen. Laut gut unterrichteten Quellen plant die SHFE, ausländischen Händlern die Teilnahme an ihrem Handel zu erlauben, genau wie die SGE.
2013 betrug die Menge an Silber, das den Besitzer wechselte, an der COMEX 2,2 Mio. t, während das Gesamtvolumen an der SHFE 2,6 Mio. t betrug, was 15% mehr sind. An der SGE wurden im selben Jahr 215.000 t Silber gehandelt.
Laut mehreren Quellen war der Unterschied der Silberhandelsvolumen zwischen COMEX und SHFE 2013 größer als 15%, was falsch ist. Der nächste Screenshot stammt aus dem World Silver Survey 2014 des Silver Institutes:
Die angegebenen Zahlen der SHFE und SGE sind doppelt gezählt. Volumen und offene Positionen werden an beiden Börsen zweiseitig veröffentlicht, im Gegensatz dazu veröffentlicht die COMEX diese Zahlen einseitig. Das bedeutet: wenn das von der COMEX angegebene Volumen 1.000 beträgt, dann haben 1.000 Kontrakte den Besitzer gewechselt - 1.000 Kontrakte wurden verkauft und 1.000 Kontrakte gekauft. Wenn das von der SHFE angegebene Volumen 1.000 beträgt, dann wurden 500 Kontrakte verkauft und 500 Kontrakte gekauft.
Von der SHFE:
(Hinweis:
1. Notierter Kurs: Renminbi-Yuan/Tonne für Kupfer, Aluminium, Zink, Flachstahl, Walzdraht, warmgewalzte Coils, Blei, Naturkautschuk, Heizöl, Bitumen. Renminbi-Yuan/g für Gold. Renminbi-Yuan/kg für Silber.
2. Einheitspreis: 5 Tonnen/Posten für Kupfer, Aluminium, Zink; 5 Tonnen/Posten für Naturkautschuk (seit Regelung ru1208 auf 10 t angepasst); 5 Tonnen/Posten für Blei, 10 Tonnen/Posten für Flachstahl und Walzstahl und warmgewalzte Coils und Bitumen; 10 Tonnen/Posten für Heizöl (seit Regelung fu1202 auf 50 Tonnen/Posten angepasst); 1000 Gramm/Posten für Gold; 15 Kilogramm/Posten für Silber.
3. Die Einheit für Handelsvolumen, offene Positionen und die Veränderung der offenen Positionen zählt als Posten und wird daher von beiden Seiten gezählt; damit wird das Handelsvolumen zweiseitig gezählt.
4. Kursänderung 1 = Schlusskurs - Abrechnungskurs des Vortags; Kursänderung 2 = Abrechnungskurs - Abrechnungskurs des Vortags)
Von der SGE:
(Die Zahlen beinhalten den Handel vom 26. August (21:00-2:30) und 27. August (9:00-11:30, 13:30-15:30). Zahlungsrichtung von Gebühren bei Entgeltumwandlung: Au(T+D) - Long zu Short; Ag(T+D) - Short zu Long; Das Volumen und die Menge sind zweiseitig berechnet.)
Von der COMEX via E-Mail:
(Das Volumen wird immer einseitig angegeben. Bitte teilen Sie uns mit, falls Sie weitere Fragen haben. Grüße, Tom McGuire)
Um die Zahlen von SGE und SHFE mit der COMEX zu vergleichen, muss man die chinesischen Zahlen durch zwei teilen; nur dann sind alle Zahlen einseitig.
Der internationale Schalter der SGE wird in der Freihandelszone (FHZ) von Shanghai arbeiten, welche hinsichtlich des Handels als eigenständiges Land gegenüber dem chinesischen Festland betrachtet werden kann. Ich denke, der internationale Schalter wird folgendermaßen arbeiten: Ein ausländischer Händler, der 100 Au9999 Spotkontrakte am internationalen Schalter der SGE (SGEIB) kauft, wird auf seinem SGE-Goldkonto einen Eingang von 100 kg sehen und auf seinem SGE-Renminbikonto einen Abgang des entsprechenden Barwerts.
Das bedeutet nicht, dass er Gold ins chinesische Festland importiert hat; er gelangte in den Besitz von 100 kg physischen Goldes in der FHZ Shanghai und hat die Möglichkeit, dieses Metall nach Hause (nicht nach China) zu schicken, falls er das möchte. Gleichfalls kann ein ausländischer Verkäufer Gold in die FHZ schicken, die SGE-Mitarbeiter werden es untersuchen und falls sie zustimmen, wird das Gold in die SGE-Tresore gebracht. Erneut wird kein Gold aufs chinesische Festland importiert. Wenn dieses Gold verkauft wird, erhält der Verkäufer auf seinem SGE-Barkonto eine Gutschrift und wird eine Belastung seines Goldkontos sehen.
Erst kürzlich erteilte die PBOC drei weiteren Banken eine chinesische Goldimportlizenz. Daraus ergeben sich insgesamt 15 Geschäftsbanken, die mit einer Goldhandelslizenz der PBOC gesegnet sind. In willkürlicher Reihenfolge:
- 1. Shenzhen Development Bank / Ping An Bank
- 2. Industrial and Commercial Bank of China
- 3. Shanghai Pudong Development Bank
- 4. Agricultural Bank of China
- 5. China Construction Bank
- 6. Bank of Communications
- 7. China Merchants Bank
- 8. China Minsheng Bank
- 9. Standard Chartered
- 10. Bank of Shanghai
- 11. Industrial Bank
- 12. Bank of China
- 13. Everbright
- 14. HSBC
- 15. ANZ
Das Timing der Ausgabe neuer Handelslizenzen könnte darauf hindeuten, dass der innerchinesische physische Goldmarkt für den internationalen Goldmarkt geöffnet wird; meiner Meinung nach ist das aber nicht der Fall. Ich habe bislang noch keine offiziellen Dokumente zum SGEIB oder neuen Handelsgesetzen gelesen, aber ich gehe davon aus, dass sich die Struktur des innerchinesischen Goldmarkts nicht verändern wird; nur lizenzierte Banken können Gold nach China importieren und der Export von Barren ist weiterhin verboten. Die Tatsache, dass sich der SGEIB in der Freihandelszone befindet, heißt für mich, dass er separat vom innerchinesischen Goldmarkt arbeiten wird.
Der SGEIB wird Handelsaktivitäten herbeiziehen und die Internationalisierung des Renminbi begünstigen. Er wird kein Instrument sein, damit z.B. deutsche Bürger Gold von chinesischen Bürgern kaufen können; die PBOC wird ihre Politik sehr kleiner Goldexporte beibehalten (ein paar Schmuckhändler haben eine Exportlizenz). Der SGEIB wird den Offshore-Goldhandel in Renminbi erleichtern, er wird nicht den physischen chinesischen Goldmarkt für den Rest der Welt öffnen.
Der SGEIB wird mit der Einführung von drei Spotkontrakten beginnen, welche den physischen Goldhandel erleichtern werden. Hinsichtlich des Volumens der Spotkontrakte wird er keine Herausforderung für die COMEX darstellen, aber die SGE hat mitgeteilt, dass Derivate folgen werden. Ein Trend, den man im Auge behalten sollte.
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© Jan Nieuwenhuijs
The Gold Observer
Dieser Artikel wurde am 27. August auf www.BullionStar veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.