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Der Goldpreis und der Spuk steigender Zinsen

29.09.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

Die Sorge vor steigenden Zinsen, die den Goldpreis derzeit belasten, wird vermutlich bald verpuffen.

Vier Entwicklungen scheinen derzeit den Goldpreis zu dämpfen: der erstarkende US-Dollar, die Erwartung steigender Zinsen, sinkende Kreditausfallsorgen und ausbleibende Inflationssorgen.

(1) Der erstarkende US-Dollar: Traditionell wirkt eine Aufwertung des US-Dollar-Wechselkurses dämpfend für den Goldpreis. Der Grund dafür ist leicht verständlich.

Der US-Dollar ist die Weltreservewährung. Schwächt sich ihr Außenwert ab, so dient Gold den Investoren als "sicherer Hafen". Wertet sich der US-Dollar auf, sinkt das Interesse an Gold zu Versicherungszwecken.

Seit etwa Mitte 2011 wertet sich der US-Dollar-Wechselkurs auf - und diese Entwicklung war in der Tat begleitet von einem Rückgang des Goldpreises, gemessen in US-Dollar (siehe Abb. 1 (a)).

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Quelle: Thomson Financial. *Steigt die Linie, wertet sich der US-Dollar-Wechselkurs auf. Sinkt die Linie, wertet sich der US-Dollar-Wechselkurs ab. **Renditen für amerikanische Staatsanleihen.


(2) Erwartung steigender Zinsen: Die Aussicht, die amerikanischen Zinsen könnten bald wieder steigen, hat die Goldnachfrage ebenfalls gedämpft - und hat zu einem tieferen Goldpreis geführt.

Steigen die Zinsen, so wird die Goldhaltung teurer: Dem Goldhalter entgehen Erträge, die er ansonsten mit der Anlage in zinstragende Wertpapiere erzielen kann.

Ab Mitte 2012 begannen die langfristigen Zinsen in Amerika zu steigen, und seit Anfang 2013 sind nun auch die kurzfristigen Zinsen angestiegen in der Erwartung, die US-Zentralbank werde ihren Leitzins anheben - und der Goldpreis hat gelitten.

(3) Nachlassende Krisensorgen: Auf den Finanzmärkten sind die Krisensorgen merklich zurückgegangen. Dies zeigt sich zum Beispiel an den Prämien für die Versicherung von Kreditausfallrisiken (siehe Abb. 2 (a)).

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Quelle: Thomson Financial. *Credit Default Swap Spreads für Banken, fünf Jahre Laufzeit. **Ermittelt aus inflationsindexierten US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit in Prozent p.a.


Die sogenannten "Credit Default Swap" (CDS) Spreads für Banken und Staaten sind seit Anfang 2012 rückläufig, seit die Zentralbanken zugesichert haben, offene Rechnungen mit neuem Geld zu begleichen.

Die nachlassende Sorge vor Zahlungsausfällen hat den Goldpreis ebenfalls gedämpft: Schließlich wird Gold nicht nur als Inflationsschutz, sondern auch als Versicherung gegen Zahlungsausfälle nachgefragt.

(4) Ausbleibende Inflationsfurcht: Trotz wachsender Schuldenlasten und anschwellenden (Basis-)Geldmengen weltweit ist ein Anstieg der Inflationsfurcht bislang ausgeblieben (siehe Abb. 2 (b)).

In der Öffentlichkeit macht sich zusehends die "Deflationsgefahr" breit. Die Inflationsgefahr wird heruntergespielt, verkannt und als illusionär verbrämt - vor allem von systemtreuen "Mainstream-Ökonomen".

Die ausbleibende Inflationsfurcht dämpft wiederum die Goldnachfrage: Das Halten von Gold als Schutz vor Geldwertschwund wird von den Sparern als weniger dringlich erachtet.


Ein kritischer Blick

Die Faktoren, die den Goldpreis derzeit dämpfen, sind alles andere als "natürlich". Sie sind vielmehr das Ergebnis neuerlicher, verzerrender Eingriffe der Zentralbanken in das Finanzmarktgeschehen. Besondere Aufmerksamkeit verdient an dieser Stelle die Fed. Sie hat jüngst angekündigt, den Leitzins (rascher als bisher gedacht) auf 3,75 Prozent bis Ende 2017 erhöhen zu wollen. Damit hat sie eine Rückkehr zu "normalen" Zinsverhältnissen und im Kern ein Ende der Krise in Aussicht gestellt - und das übt eine negative Wirkung auf die Goldnachfrage zu Versicherungszwecken aus.





Doch eine Abkehr der Tiefzinspolitik erscheint aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Denn das würde absehbar den nächsten Tornado in den Finanzmärkten auslösen. Die Konjunkturverbesserungen in Amerika und anderswo lassen sich ohne dauerhafte Tiefzinspolitik vermutlich gar nicht in Gang halten. Im Euroraum, in Japan und vor allem auch in China ist zudem auf absehbare Zeit nicht mit Zinserhöhungen zu rechnen. Die Konjunkturen und Verschuldungssituation in diesen Währungsräumen erzwingen geradezu tiefe Zinsen.


Eine Frage der Zeit

Die Erwartungen auf künftig merklich steigende Zinsen dürften sich daher als überzogen erweisen. Die internationale Schuldenproblematik ist nach wie vor nicht gelöst, auch in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht. Kurzfristig mag die Erwartung steigender Zinsen dämpfende Wirkung auf den Goldpreis haben. Aber eben nur kurzfristig. Längerfristig wird die
Trendentwicklung des Goldpreises von der Geldmengenentwicklung bestimmt.

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Quelle: Thomson Financial


Und es ist damit zu rechnen, dass die Geldmengen weiter anschwellen werden. Denn ohne dass immer mehr Kredit und Geld, bereitgestellt zu immer tieferen Zinsen, in Umlauf gebracht wird, stünde das weltweite Finanz- und Wirtschaftssystem vor dem Aus. Das Heil wird daher in der Geldvermehrung gesucht, und das ist nur bei tiefen Zinsen möglich. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich der Spuk steigender Zinserwartungen verflüchtigt hat - und die Nachfrage nach dem ultimativen Zahlungsmittel Gold wieder erstarkt.


Für Sparer im Euroraum ist die Goldhaltung nach wie vor lohnend

Seit seinem bisherigen Rekordpreis von mehr als 1.900 USD/oz Anfang September 2011 ist der Goldpreis merklich gefallen - allerdings recht unterschiedlich in den verschiedenen Währungen.

Besonders ausgeprägt fiel der Rückgang des Goldpreises in US-Dollar aus sowie in denjenigen Währungen, die traditionell eng mit dem US-Dollar verbunden sind - wie insbesondere der chinesische Renminbi und das Britische Pfund.

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Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen. *September 2011 = 100


Der Goldpreisverlust in denjenigen Währungen, die gegenüber dem Greenback abgewertet haben - wie Schweizer Franken, russischer Rubel, indische Rupie und japanischer Yen -, fiel entsprechend geringer aus.

Der Goldpreis in Euro gerechnet ist seit Ende 2013 gestiegen (richtungsmäßig ähnlich wie der Goldpreis in russischen Rubeln und Schweizer Franken): Er ist seither um etwa acht Prozent gestiegen. Der Rückgang des Goldpreises in US-Dollar wurde also bislang durch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar mehr als kompensiert.

Gerade angesichts der offen bekundeten Bestrebungen der Europäischen Zentralbank, den Euro-Außenwert schwächen zu wollen, könnte sich für Euro-Anleger das Halten von Gold weiterhin lohnen: Gold lässt sich durch die Geldpolitik nicht entwerten; und die Aussicht, dass der Euro weiter abwertet gegenüber dem Greenback, mindert auch mögliche Verluste, die aus einem Rückgang des Goldpreises in US-Dollar resultieren könnten.


Der Goldpreis - in Abhängigkeit von Geldmenge und Zins

In früheren Ausgaben des Degussa Marktreports hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass es vor allem die Entwicklung der Geldmenge ist, die den Trendverlauf des Goldpreises maßgeblich bestimmt: Eine steigende Geldmenge spricht für ein Ansteigen des Goldpreises.

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Quelle: Thomson Financial.
Periode: 1971 bis 2014


Ebenfalls haben wir darauf hingewiesen, dass steigende Realzinsen den Goldpreis drücken, und dass fallende Realzinsen ihn heben. Allerdings bestimmen die Zinsen nicht den Trendverlauf des Goldpreises, sie erklären vielmehr die Schwankungen um den Goldpreistrend - der wiederum von der Geldmengenentwicklung maßgeblich beeinflusst wird.

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Quelle: Thomson Financial. *Leitzins minus laufende Konsumentenpreisinflation.
Periode: 1971 bis 2014


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH