Das perfekte Verbrechen
05.01.2015 | Theodore Butler
Vor ein paar Wochen machte ein langjähriger Abonnent zu Recht darauf aufmerksam, dass ich mit meinen Spekulationen bezüglich JP Morgan scheinbar weiter als gewöhnlich gegangen sei, als ich zu dem Fazit kam, dass diese Bank ein Großeinkäufer von Silver-Eagles-Münzen sei und bislang insgesamt 300 Millionen Unzen Silber angesammelt habe (einschließlich Eagle-Münzen und Barren).
Der Abonnent meinte, dass es eigentlich charakteristisch für mich sei, nur auf harte, dokumentierbare Fakten zurückzugreifen, und nicht auf Spekulationen. Ich glaube aber, dass es eine ausreichende Anzahl harter Fakten gibt, die meine Spekulationen decken, ich habe aber versäumt, diese auch zu nennen. Also möchte ich hier jene Fakten präsentieren, die aus meiner Sicht darauf hindeuten, dass JP Morgan die größte physische Position der Geschichte angehäuft hat.
Zuvor möchte ich die Entwicklungen rund um JP Morgan und Silber, so wie ich sie sehe, darstellen. Ich behaupte nicht, all diese Fakten im Verlauf der Ereignisse gekannt zu haben, ich haben sie erst im Nachhinein als solche erkannt.
Die Fakten zeigen, dass JP Morgan die Bank Bear Stearns und deren konzentrierte Short-Position beim Silber (und Gold) im März 2008 übernommen hatte, als Silber bei fast 21 $ stand (den damals höchsten Kurs seit 28 Jahren). Dann fiel der Silberkurs bis Ende 2010 in einem unregelmäßigen Muster unter dieses Niveau. Während dieser Zeit hatte JP Morgan einen großen Teil der konzentrierten COMEX-Short-Position bei deutlichen Kursrückgängen reduziert (und glattstellt) und bei kräftigen Kursanstiegen wiederum ausgebaut. Diese Ereignisse hatte ich die ganze Zeit über öffentlich dargestellt und verfolgt.
Manchmal überstieg die Netto-Short-Position JP Morgans dabei 40.000 Kontrakte oder das Mengenäquivalent von 200 Millionen Unzen. Mit einer solch großen Short-Position kontrollierte die Bank zwangsläufig den Silberkurs, was ganz offensichtlich manipulativ ist.
Da die Bank den Silberkurs kontrollierte, strich sie mit ihrer COMEX-Manipulation bis Ende 2010 stattliche Gewinne ein; selbst eine fünf Jahre andauernde CFTC-Untersuchung kam der Silberkurskontrolle JP Morgans dabei nicht in die Quere. Ende 2010 sorgte jedoch die Investorennachfrage nach physischem Silber dafür, dass die Kurse ihre Anfang 2008 erreichten Hochs durchbrachen; JP Morgan konnte den Silberpreis nicht mehr durch exzessive Papier-Leerverkäufe an den COMEX kontrollieren.
Die Bedingungen im physischen Silbersektor waren so angespannt, dass der Kurs Ende April 2011 auf fast 50 $ stieg und JP Morgan (in geheimer Absprache/ Zusammenarbeit mit anderen CME-Tradern) fast buchstäblich von einer finanziellen Katastrophe bedroht war, die ihrem Wesen nach jener geglichen hatte, die Bear Stearns drei Jahre zuvor zerbrechen ließ.
Ein Bailout JP Morgans war im April 2011 allerdings nicht möglich, stattdessen organisierte die Bank zusammen mit aus der CME Group stammenden Interessensgruppen einen ungeordneten Absturz der Silberkurse, der ganz gewiss durch die hohen Funktionäre der US-Börsenaufsichtsbehörde abgesegnet wurde. Der ungeordnete Kurssturz gelang und die großen Shorts, in erster Linie JP Morgan, entkamen einer potentiellen Finanzkatastrophe epischen Ausmaßes; sie wäre eingetreten, hätten die großen Shorts ihre massive Silber-Short-Position unter Kursdruck glattstellen müssen.
Man sagt, aus Misserfolgen (vor allem, wenn sie fast zur Katastrophe führen) lerne man mehr als aus Erfolgen. Ich bin der Überzeugung, dass JP Morgan damals, als die Bank wegen ihrer Silber-Short-Positionierung fast in die Katastrophe rauschte, erkannte, wie begrenzt und kritisch die Silberangebotssituation in der Welt war und sich aufgrund dessen entschied, diese Nahtoderfahrung zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Eben zu dieser Zeit entschied sich die Bank, größtmögliche Mengen physisches Silber aufzukaufen, um bei steigenden Kursen noch kräftiger profitieren zu können als zuvor schon auf dem Weg nach unten. Um es erneut zu sagen: Ich habe es damals unmöglich wissen können, erst die Zeit und das Aufkommen belastbarer Indizien brachten diese Einsicht hervor. Welche Indizien?
Zum einem die Sache mit den außergewöhnlich hohen Silber-Eagle-Absätzen der US-Mint. Seit April 2011 hat die US Mint 140 Millionen Silver Eagles produziert und verkauft, mehr als in einem vergleichbaren Zeitraum in der Vergangenheit - und all das in einem Kurs- und Preisumfeld, das nur als verdorben bezeichnet werden kann, wobei aber die Gold-Eagle-Absätze deutlich geringer ausfielen.
Ich würde schätzen, dass JP Morgan fast die Hälfte der seit April 2011 abgesetzten 140 Millionen Silver Eagles aufgekauft hat. Sehr glaubwürdigen Quellen aus dem Bereich des Einzelhandels zufolge sei die allgemeine Investitionsnachfrage im besagten Zeitraum geringer ausgefallen, da Kleinabnehmer bei sinkenden Preistrends ganz allgemein weniger kaufen. Wir wissen allerdings mit Sicherheit, dass der Absatz von Silver Eagles außergewöhnlich hoch gewesen ist, bei gleichzeitiger Abschwächung der Absätze von Gold Eagles. Irgendjemand muss also diese Silver Eagles auch gekauft haben.
Wenn JP Morgan auf einem Gebiet Experte ist, dann auf dem Gebiet der Ausnutzung von US-Vorschriften und Gesetzen (schließlich verfügt die Bank über eine Armee aus Lobbisten und hat zudem mehr Politiker in der Tasche als irgendeine andere Einrichtung auf der Welt). JP Morgan wusste, das US-Gesetz verlangt, dass die US-Prägeanstalt nachfragedeckend Silver- (und Gold-)Eagle-Münzen produzieren muss. Dieses Gesetz war aber nie dazu gedacht, einer einzelnen großen Kaufinstanz die Möglichkeit zu geben, außergewöhnlich hohe Mengen Silver Eagles nachzufragen, die JP Morgan gerne kaufen wollte. Aber so ist das eben mit der Ausnutzung von gesetzlichen Vorgaben.
Die US Mint verkaufte Silver Eagles zum gängigen Silberpreis, der am Verkaufstag galt. Und der COMEX-Silberkurs entspricht im Wesentlichen dem Silberpreis. Durch die Kontrolle des Silberkurses an der COMEX legt JP Morgan den Preis fest, zu welchem die Bank dann Silver Eagles kaufen wird. Das ist das perfekte Verbrechen: JP Morgan legt den COMEX-Silberkurs fest und fragt dann so viele Münzen nach, wie die Mint und ihre Zulieferer produzieren können, auch wenn das bedeutet, dass sie die ganze Woche rund um die Uhr produzieren müssen. Hey, Gesetz ist eben Gesetz.
Man denke nur wieder an den Sommer 2014, als JP Morgan seine COMEX-Short-Position ausbaute, um sicherzustellen, dass die Kurse fallen würden. Und wissen Sie, was dann passierte? Vorübergehend stürzten die Silver-Eagles-Absätze ab, als die Kurse dann in der Tiefe blieben, zogen die Absätze wieder an. Das ist ein alter Hut. Aber gibt es nun zusätzliche Indizien, dass JP Morgan enorme Mengen physisches Silber angehäuft hat?
Als JP Morgan im Jahr 2008 Bear Stearns übernahm, war die Lagereinrichtung der Bank für Edelmetalle in Manhattan nicht in Betrieb. Im Mai 2011 aber, nachdem die Entscheidung, physisches Silber zu akkumulieren, gefallen war, aktivierte die Bank ihre Lagereinrichtung wieder, und zwar als eine von der COMEX autorisierte Silber-Fazilität.
Und wissen Sie was? Nachdem diese Einrichtung mit einem Lagerbestand von null in Betrieb genommen wurde, wuchs sie sich zu einer Silberlagereinrichtung mit fast 50 Millionen Unzen aus. Sie ist jetzt die größte Einrichtung dieser Art unter allen sechs COMEX-Lagereinrichtungen. Sie können selbst entscheiden, ob das nur ein Zufall war oder ob der zwingendste Grund für die Inbetriebnahme eines Lagerhauses vielleicht nicht folgender war: Man wollte die eigenen Silberbestände auch im eigenen Lagerhaus verwahren, um keine andere Lagereinrichtung für die Lagerung der eigenen Metallbestände bezahlen zu müssen. Der zeitliche Ablauf ist in jeder Hinsicht bemerkenswert.
Als Metallverwalter für das Metall des großen Silber-ETF (SLV) transferierte JP Morgan im Jahr 2012 einhundert Millionen Unzen Silber, die die Bank in einer ihrer Londoner Einrichtungen im Auftrag des Fonds gelagert hatte, an die Firma Brinks (u.a. internationaler Werttransport- und Lagerungsdienstleister), die als beauftragter Unterverwalter auftrat. Im Nachhinein bietet sich folgende Erklärung als die plausibelste an: Es sollte Platz geschaffen werden für das Silber, welches JP Morgan - unter Nutzung des SLV zu Metallakquisezwecken - kaufen würde, unerkannt und undokumentiert, wie ich immer wieder erklärt hatte (wobei die SEC-Meldepflicht umgangen wird, die von den Finanzinstitutionen Meldung von Anteilseigentum über 5% fordert).
Ich glaube, dass JP Morgan viel mehr als 100 Millionen Unzen Silber angehäuft hat (vielleicht mehr das Doppelte oder Dreifache dessen), indem der SLV benutzt wurde, um Metall in die eigenen Londoner Lagereinrichtungen zu transferieren, vollkommen unerkannt und undokumentiert. Die Details der Londoner Lagerhaustransfers finden Sie hier:http://about.ag/slv/
Und dann ist da noch die Sache mit den bislang beispiellosen physischen Umsätzen in den COMEX-Lagerhäusern. Wie ich schon erwähnt hatte, traten diese ungewöhnlichen Umsätze ab April 2011 auf, nicht aber im Jahr 2008, als JP Morgan dank der Übernahme Bear Stearns zur Nummer eins an der COMEX und zum entscheidenden Manipulator wurde.
Die zeitlichen Ereignisse decken zudem die Annahme, dass JP Morgan, nach der eigenen Nahtoderfahrung, ab April 2011 physisches Silber zu akquirieren begann. Bei so hohen wöchentlichen Ab- und Zuflüssen in den COMEX-Warenhäusern, dürfte es einem großen Akteur nicht schwer fallen, regelmäßig eine bestimmte Menge dieses physischen Flusses abzuschöpfen. Und passt bestens zu meinem Fazit, dass der beispiellose Umsatz in den COMEX-Lagerhäusern durch die angespannte Marktbedingungen hervorgerufen wird, welche wiederum durch die physische Silberakkumulierung durch JP Morgan hervorgerufen werden.
Damals in den späten 1970ern hatten die Hunt Brothers an die 100 Millionen Unzen physisches Silber akkumuliert (und mehr noch in Form von Terminkontrakten), man befand sie für schuldig, den Silberpreis, aufgrund dieser Anhäufung, in die Höhe manipuliert zu haben. Der Unterschied zur heutigen, viel umfangreicheren Anhäufung physischen Silber durch die Bank JP Morgan: Sie ist das perfekte Verbrechen.
Die Hunts waren Outsider, die Bank JP Morgan ist der ultimative Insider. Die Hunts kamen mit den Regulatoren in Konflikt und brachen die Gesetze, JP Morgan gehören die Aufsichtsbehörden. Die Käufe der Hunts waren vielen bekannt; doch soweit ich weiß, bin ich der Einzige, der darauf hinweist, dass JP Morgan enorme Mengen physisches Silber akkumuliert. Bei der Anhäufung des Silbers trieben die Hunts den Preis in die Höhe; JP Morgan ist dank der Preiskontrolle an der COMEX hingegen in der Lage gewesen, Silber in einem schweren Preisgefälle zu akkumulieren. Im direkten Vergleich käme das einem Spiel mit gezinkten Karten gleich.
Da JP Morgan die Aufsichtsbehörden derart unter Kontrolle hat und auch noch in der Lage ist, im physischen Silberbereich unter fast vollkommener Geheimhaltung zu agieren, kann ich mir kaum etwas vorstellen, das das perfekte Silberverbrechen dieser Bank durchkreuzen könnte. Eigentlich fehlt nur noch, dass JP Morgan bei extrem hohen Silberkursen dann ausverkauft.
Wenn man noch bedenkt, dass Großbanken im Grunde nichts öffentlich ausweisen müssen, was sie nicht ausweisen wollen, so würde es mich überraschen, wenn JP Morgan wirklich Steuern zahlen müsste auf jene Milliarden Dollar, die die Bank mit Sicherheit bei steigenden Silberpreisen machen wird.
Und ja, es stimmt, dass ich beim Thema JP Morgan und physische Silberbestände spekuliere und dass diese Spekulationen zum großen Teil auf rückblickende Analysen aufbauen. Allerdings hätte niemand solche Entwicklungen vorhersagen können, ohne auf Voodoo-Zauber zurückzugreifen oder Geister anzurufen. Was die Indizien rund um JP Morgans Entscheidung zum Aufbau physischer Silberlagerbestände angeht, so müsste man daran glauben wollen, dass alle Ereignisse rund um den April 2011 vollkommen zufällig geschahen, nur so ließen sich die geschilderte Zusammenhänge ausblenden.
Wie immer kann ich Ihnen nicht den exakten zeitlichen Ablauf für die zukünftigen Entwicklungen präsentieren. Falls sich bei sinkenden Preisen tatsächlich noch viel mehr physisches Silber akkumulieren ließe, dann bin ich mir sicher, dass diese Betrügerbank auch für solche Preise sorgen würde. Aber wenn sich kein Silber mehr zu Billigpreisen auftreiben lässt, dann dürfte es an der Zeit sein, dass JP Morgan einen Anstieg der Kurse zulässt.
Noch einen weiteren Punkt: Da JP Morgan nun schon seit mehr als 3,5 Jahren Silberbestände aufbaut, dürfte der Durchschnittspreis dieser Bestände deutlich über den aktuellen Preisen liegen. Eine kurze Überschlagsrechnung ergibt einen Preis, der grob im Bereich von 25 $ läge; erst über diesem Preisniveau würde die Bank letztendlich auch Gewinne machen. Ja, es stört mich sehr, dass JP Morgan illegal so viel physisches Silber akkumulieren konnte, wie ich vermute; was mich dabei ganz besonders irritiert, ist die Art und Weise, wie diese Bestände aufgebaut wurden. Allerdings dürfte dieser Aufbau von physischen Silberbeständen zumindest den Silberinvestoren irgendwann sehr zu Gute kommen.
© Theodore Butler
(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 29.12.2014 auf der Website www.silverseek.com veröffentlicht.
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