Antal Fekete: Moderne Österreichische Schule positiv aufmischen (Teil 2/2)
15.01.2015 | Presse anonym
Den ersten Teil können sie hier lesen ...
Daily Bell: Themawechsel. Ist die Verzinsung einer Schuld eine Form des Wuchers? Sollte man Menschen, die sowas machen, ins Gefängnis werfen?
Antal Fekete: Das komplexe Gesamtproblem des Zinswuchers würde sofort wegfallen, wenn man die Perspektive wechselt und die Transaktion nicht als das Aufnehmen oder Verleihen von Kredit betrachtet, sondern als Eintausch von Einkommen gegen Vermögen und von Vermögen gegen Einkommen - eine biologische Notwendigkeit für uns Sterbliche.
Der Kreditnehmer, in der Regel ein junger Mensch, tauscht Einkommen, von dem er einen Überschuss hat, gegen Vermögen, von dem er ein Defizit hat. Der Kreditgeber, typischerweise ein älterer Mensch, tauscht Vermögen, von dem er einen Überschuss hat gegen Einkommen, von dem er ein Defizit hat. Warum sollte einer dieser Menschen, im Namen von Justitia, für einen solchen Tausch ins Gefängnis wandern?
Daily Bell: Wäre der Handelswechsel eine Alternative zur Zinserhebung? Inwieweit?
Antal Fekete: Nein. Der Zinssatz spielt hier überhaupt keine Rolle, wenn Kredit über den Handel von Wechseln übermittelt wird. Was hier aber eine Rolle spielt, ist der Diskontsatz. Der Zinssatz wird über den Anleihehandel übermittelt. Zinssatz und Diskontsatz sind aber - hinsichtlich Entstehung und Wirkung - vollkommen unterschiedliche Dinge.
Aber das ist ein großes Thema für sich. Ich werde in ein paar Tagen einen größeren Aufsatz mit dem Titel “Credit“ (das Thema meines Privatseminars in Madrid) auf meiner Webseite posten - unter www.professorfekete.com. In dieser Arbeit werde ich den Unterschied eingehend erörtern.
Daily Bell: Hat Ludwig von Mises einen Teil der Arbeit Mengers ignoriert? Inwieweit?
Antal Fekete: Er hat nicht nur ganze Teile ignoriert, Mises bezog auch Positionen, die denen Mengers direkt widersprachen.
Menger ließ sich nicht auf die Geldmengentheorie ein, Mises schon. Menger geißelte die Geschäftsbanken nicht, indem er sie abwertend als "Mindestreservebanken" bezeichnete, weil diese einen Teil ihrer Anleihe- und Einlagenverbindlichkeiten mit Handelswechseln abdeckten, die nach 91 Tagen oder weniger in Goldmünzen fällig wurden, Mises tat das. Menger akzeptierte Adam Smiths‘ Real-Bill-Doktrin voll und ganz; Mises lehnte sie ab. Menger glaubte nicht, dass Fiat-Geld ein “vorhandenes Gut“ sei, Mises schon. Die Liste lässt sich fortsetzen.
Daily Bell: Ein weiterer Leserkommentar: “Carl Menger ist reine österreichische Wirtschaftslehre, da er eine Philosophie des freien Handels und der ökonomischen Prosperität formulierte, die auf ehrlichem Geld und Liquidität basiert, die mit dem Einsatz von Goldwechseln entsteht.“ Einen Kommentar bitte.
Antal Fekete: Ich würde dem Verfasser dieser Zuschrift zu seiner klaren Einsicht gratulieren wollen.
Daily Bell: War Menger ein Befürworter der Goldwechsel?
Antal Fekete: Das brauchte er nicht zu sein. Er musste ja auch nicht die Luft gutheißen, die er atmete. Menger lebte inmitten einer Welt, die ihre in- wie ausländischen Handelsgeschäfte im über die Handelsware finanzierte, indem Wechsel auf den Einzelhändler gezogen wurden, der die Ware an den Endkonsumenten verkaufte - das war vor dem 1. Weltkrieg. Menger akzeptierte die Praxis des "Mindestreserve-Bankings", er hielt sie für legitim. Das kann man in seinem enzyklopädischen Artikel “Geld“ in der Fassung von 1909 nachlesen.
Daily Bell: Wir weit reichen die Real-Bills in die Vergangenheit zurück? Hunderte Jahre? Tausende Jahre?
Antal Fekete: Cicero erwähnte Kreditbriefe, einen Vorgänger der Handelswechsel, in einer seiner Episteln an einen Freund aus Athen. Sein Sohn stand kurz vor einer Reise dorthin. Er wollte nun wissen, ob sein Sohn Kreditbriefe anstatt von Goldmünzen auf die Reise mitnehmen könne, gezogen auf einen Importeur in Rom, der in der Schuld eines Exporteurs in Athen stand. Offenbar waren solche Kreditbriefe weitverbreitet, da beide Städte sehr regen Handel trieben.
Die eigentlichen Real-Bills, Goldwechsel im Sinne von Adam Smith, entstanden im 13. Jh. in den italienischen Stadtstaaten wie zum Beispiel Venedig, Florenz und Genua. Diese hatten weitreichende Handelsbeziehungen in den Fernen Osten und die Levante, und diese wurden immer durch das Ziehen von Wechseln auf die lokalen Einzelhändler finanziert - so wie Antonio aus Shakespeares' “Der Kaufmann von Venedig“.
Daily Bell: Gab es schon vor den Real-Bills privates “Freimarktgeld“? Würden Sie die Systeme, die vor den Real-Bills existierten als primitiv bezeichnen?
Antal Fekete: Nicht im Mittelalter. Die Lichter gingen aus und der Handel kam zum Stillstand. Als der westliche Teil des Römischen Reiches zusammenbrach, was Autarkie die Regel. Davor waren aber die Handelswechsel der ausfeilteste Weg, Handel zu finanzieren. Ich würde mir nie erlauben, das als “primitiv“ zu bezeichnen.
Daily Bell: Die moderne Österreichische Schule, so heißt es in einer Zuschrift, "untergrub die klassische Österreichische Wirtschaftstheorie, indem sie der Gesellschaft die dringend benötigte Liquidität verweigerte und sie durch die Verunglimpfung der Real-Bills zur Deflation und Depression verdammte." Wie bewerten Sie das?
Antal Fekete: Ich möchte dem Verfasser dieser Zuschrift zu seiner klaren Einsicht gratulieren.
Daily Bell: Warum erzeugen diese Goldwechsel zusätzliche Liquidität? Liegt es daran, dass sie die Kreditaufnahme erleichtern? Lässt sich denn nicht auch ohne eine Real-Bill-Fazilität Kredit aufnehmen? Muss es so formal sein?
Antal Fekete: Es ist ein großes Missverständnis, anzunehmen, dass es bei der Nutzung von Real-Bills zur Kreditaufnahme und zur Kreditvergabe kommt. Das ist nicht der Fall. Hier geht es vielmehr um das “Clearing“. Wenn ein Großhändler einen Wechsel auf einen Einzelhändler zieht, dann nimmt er keinen Kredit auf und der Einzelhändler gibt ihm auch keinen Kredit. Der Letztere würde im Grunde nie Goldmünzen bei der Lieferung der Güter zahlen, und der Großhändler würde NIE eine Bezahlung in Goldmünzen verlangen.
Der Umlauf dieser Goldwechsel begann völlig spontan. Die Lieferanten des Großhändlers akzeptierten nur allzu gerne den per Indossament auf den Einzelhändler gezogenen Wechsel, als Bezahlung. Dank des Diskonts hielten sie mit diesem Wechsel eine gewinnbringende Vermögensanlage in ihren Händen. Sie konnten den Wechsel, falls Notwendigkeit bestand, auch kurzfristig liquidieren.
Daily Bell: Wie kam es, dass diese Handelswechsel im 20. Jahrhundert in die Unbeliebtheit abglitten? Sind sie immer noch illegal?
Antal Fekete: Sie glitten nicht ab. Sie wurden sabotiert von den siegreichen Entente-Mächten mittels der Blockierung des Wechselmarktes in London, wie ich schon gesagt hatte. Sie ließen sich von ihrer neurotischen Angst vor deutscher Konkurrenz leiten. Auf diese Weise zerstörten sie unbeabsichtigter Weise auch den Lohnfonds
(wage fund), aus dem die Löhne für die Arbeiter, die die Handelswaren produzierten, vorgeschossen werden konnten - vor dem Verkauf der Waren an den goldzahlenden Endkonsumenten.
Die Zerstörung des Lohnfonds war die wahre Ursache der großen Depression der 1930er und der schrecklichen Arbeitslosigkeit, die sie erzeugte. Der Vorschuss von Lohnzahlungen konnte ja nur über den Wechselhandel gewährleistet werden. Sobald dieser eingestellt wurde, gab es auch keinen mehr, der die Löhne der Arbeiter, die Konsumgüter produzierten, zahlen konnte. Sie mussten entlassen werden.
Die Real-Bills wurden nie für illegal erklärt. Das war gar nicht notwendig. Es reichte schon, die Goldmünzen aus dem Umlauf zu nehmen. Es ist eine lächerliche Vorstellung, einen Handelswechsel in uneinlösbarer Währungen fällig werden zu lassen. Die Real-Bill muss bei Fälligkeit in etwas NOCH LIQUIDEREM bedient werden; uneinlösbare Währung ist WENIGER LIQUIDE als dieser Handelswechsel. Uneinlösbare Währung ist ein Versprechen, NICHTS zu bezahlen.
Daily Bell: Was ist notwendig, damit die Real-Bill wieder zirkulieren kann – muss nur ihr Beliebtheitsgrad steigen?
Antal Fekete: Drei Dinge: Goldmünzen, Goldmünzen, Goldmünzen.
Daily Bell: Wollen Sie noch etwas anderes ansprechen?
Antal Fekete: Ja. Goldmünzen sind die marktfähigsten Instrumente, die die Menschheit je gekannt hat. Ihr Besitzer kann zu den besten Konditionen handeln. Gold-Wechsel kommen, was die Marktfähigkeit betrifft, an zweiter Stelle. Die Nachfrage nach ihnen ist buchstäblich unbegrenzt. Mit Goldmünzen überfüllte Banken reißen sich darum, diese im Austausch gegen Real-Bills - die ertragreichsten Anlagen, die eine Geschäftsbank haben kann - loszuwerden.
Würden wir im 19. Jh. ein Haus kaufen, würden wir keine Goldmünzen ansammeln, damit wir am Stichtag schließlich den Kaufpreis zahlen. Wir würden Real-Bills mit demselben Fälligkeitsdatum akkumulieren. Als Anleiheemittent würde man genauso wenig Goldmünzen ansammen, um den Nennwert der Anleiheschuld bei Fälligkeit zu begleichen. Man würde Real-Bills mit demselben Fälligkeitsdatum akkumulieren.
Nur Ignoranten glauben, dass die Weltwirtschaft im 19. Jh. direkt über Goldmünzen finanziert wurde und dass Gold-Handelswechsel nur eine reaktionäre Verirrung gewesen seien.
Daily Bell: Vielen Dank für dieses Interview!
Daily Bell: Nachbetrachtungen:
Hier gibt es so viel auseinanderzunehmen. Als versuchen wir es herunterzubrechen. Wahrscheinlich hat es Real-Bills, in der einen oder anderen Form, schon seit tausenden Jahren gegeben. Uns ist noch nicht ganz klar, warum diese Wechsel, um auch nur teilweise zu funktionieren, Gold und Silber brauchen, doch zumindest hat das Fehlen von Gold- (und Silber-)Geld in späteren Zeiten wie auch die Umwandlung des Geldsystems in eine Art Zentralbankenwirtschaft dafür gesorgt, dass der großflächige Einsatz dieser Handelswechsel dem Untergang geweiht war.
Wie es scheint, wird es weiterhin eine Spaltung zwischen den Anhängern Mises und denen Mengers (den sogenannten “Mergeriten") geben. Das scheint verständlich, wenn man hört, wie Dr. Fekete die Differenzen zwischen beiden Schulen darlegt (Österreicher vs. Neo-Österreicher?), und einen Teil der Doktrin der Mises-Schule zurückweist. Trotzdem: Auch wenn wir Dr. Fekete die ganze Palette seiner Ansichten zugestehen, so gibt es doch Überschneidungen.
Die Antipathie muss wohl verschiedenen Quellen entspringen. Wir sind uns zumindest bewusst, dass Rothbard nur wenig mit Adam Smith anfangen konnte; in einer seiner vernichtendsten und komprimiertesten Kritiken meinte er, dass das, was Smith als Wohlstand der Nationen bezeichnete eigentlich der Wohlstand der Menschen sei.
In gewisser Hinsicht war der große Smith ein Aggregationist, ein Royalist… jemand, der glaubte, dass die Unsichtbare Hand die sozialen Strukturen mäßigen, aber nicht radikal umstrukturieren, sollte. Mises war, trotz all seiner bürokratischen Errungenschaften, weitaus radikaler als Smith, da er das menschliche Handeln viel stärker in den Vordergrund rückte. Er legte die Grundlagen für das, was heute am Mises Institute als soziopolitische Philosophie vertreten wird - Anarchokapitalismus.
Wir würdigen zu Recht, was Lew Rockwell und Murray Rothbard und andere im Namen Mises‘ (und Hayeks) vollbracht haben. Das Konzept der “Human Action“ ist eines der edelsten und großherzigsten Erkenntnisse, die jemals formuliert wurden. Die Darlegung dieses Konzepts ist eine Barriere gegen Tyrannei und Despotismus.
In Verbindung mit Mises Erkenntnissen über die Notwendigkeit von Preissignalen in Privatmärkten und wie der Staat diese kurzerhand umgeht, haben wir eine so vernichtende Kritik des modernen “Leviathans" bekommen, wie sie in der jüngeren Geschichte noch nicht geschrieben wurde.
Mises war Mensch. Der Rückgriff auf und die Beschäftigung mit den Autoren der Vergangenheit wird niemals enden und wird immer wieder von neuem aufgegriffen und weitergeführt. Nach Mises und Fekete werden andere kommen. In Situationen wie heute wird es in der Regel jemanden geben, der eine Synthese herstellt.
Real-Bills widerstreben nicht der Stoßrichtung der Österreichischen Wirtschaftsschule, auch wenn Mises und Fekete bezüglich der Wechsel unterschiedliche Ansichten haben. Man wird das Thema der Wechsel weiter ausarbeiten und am Ende dürfte wohl eine Art Fusion möglich sein.
Viel wichtiger ist, dass uns die Österreichische Wirtschaftslehre einen ökonomischen Ansatz bietet, der dem wissenschaftlichen Anspruch so nah kommt wie bisher nichts anderes. Hier haben wir tatsächlich ein Werkzeug, mit dem wir die Fassade der Geschichtslenkung im Rahmen korrupter oligarchischer Darstellung von Moderne einreißen können. Eigentlich hat sie dem Leviathan schon jede Berechtigung für sein Handeln genommen.
Anschließend wollen wir noch eine Art Synthese anbieten. Aus unserer Sicht können Dr. Feketes Ansichten zur Deflation und zum Konjunkturzyklus weitgehend mit den Ansichten der heutigen Vertreter der Mises-Schule koexistieren. Inflation kann und muss vor Deflation kommen. Das sogenannte "Front-Running" der Anleihehändler kann mit der Vorstellung koexistieren, dass Menschen durch die Geldschöpfung der Zentralbanken "ausgetrickst" werden.
Es ist übrigens nicht das IQ-beschränkte Investieren, das den Konjunkturzyklus Mises vorantreibt, sondern die unausweichliche Notwendigkeit für Unternehmen und Privatpersonen, am Markt Renditen zu generieren. Wenn der Markt steigt, steigt er. Wenn die Investitionen anziehen, ziehen sie an. Wenn man selbst nicht zum Jäger wird, dann könnte man vom Vorstand abgeschossen werden - zuallermindest könnte es den engsten Familienkreis und den Ehepartner unglücklich machen.
Man ist bestimmten Drücken ausgesetzt, die einem zur Teilnahme an einer boomenden Wirtschaft bewegen, und das ist weit mehr als das "ewige Vergessen", das Dr. Fekete beschreibt. Aus diesem Grund sind auch Regulierungen hinsichtlich Risikokontrolle so unproduktiv. Inmitten der Euphorie - also dann, wenn man sie angeblich am meisten braucht - neigt man dazu, sie aufgegeben.
Wir danken Dr. Fekete dafür, dass er uns großzügig Einblicke gewährte und wir hoffen, dass einiger seiner Idee, die am meisten Anklang finden auch innerhalb der “Austrian-Community“, aus der schon weltbewegende Erkenntnisse hervorgegangen sind, breiter diskutiert werden.
© Anthony Wile
www.thedailybell.com
Dieser Artikel wurde am 11.01.2015 auf www.thedailybell.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten.de übersetzt.